Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr
beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus
diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr
wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten,
bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich
vorzustellen vermag.
An dieses Zitat vom größten Experten für
Kriegspropaganda, Volksverhetzung und Lüge fühlt man sich erinnert, wenn man die
Vorgehensweise der neoliberalen Drückerkolonnen in Politik und Medien in den
letzten 25 Jahren betrachtet.
Sieben Glaubenssätze werden seit den
Achtziger Jahren von den einschlägigen Meinungseliten im Dunstkreis des großen
Geldes unermüdlich wiederholt:
Erstens.Der Staat und seine
Schulden sind unser größtes Problem.
Zweitens.Privatisierungen
sind ein Allheilmittel und Segen für die
Menschen.
Drittens.Die Deregulierung der Arbeits- und
Finanzmärkte führt zu Wohlstand für alle.
Viertens.Zu hohe
Steuern treiben die Reichen und ihr Geld aus dem
Land.
Fünftens.Die Reichen und Topmanager sind die
eigentlichen Leistungsträger, ihre Einkünfte sind zu
gering.
Sechstens.Die Unterschicht ist dumm und faul und neigt
zu spätrömischer Dekadenz.
Siebtens.Es gibt eine
demographische Lücke; sie lässt sich nur durch Erhöhung der Lebensarbeitszeit
schliessen.
Schauen wir uns die sieben neoliberalen Dogmen näher
an.
Dogma Nummer 1:Der Staat und seine Schulden sind unser
größtes Problem.
Die Fakten:Nicht die Staatsschulden haben die
Finanzkrise ausgelöst, sondern die exorbitante Privatverschuldung, vor allem in
Großbritannien und den USA. In diesen Ländern wurden die Menschen durch
Niedrigzins und den Abbau sozialer Netze in die Privatverschuldung gelockt und
getrieben. In den USA beträgt die Staatsverschuldung rund 80% des BIP, die
Privatverschuldung jedoch ca. 130%. In Großbritannien liegt die
Staatsverschuldung bei ca. 60% des BIP, die Privatverschuldung bei sage und
schreibe 180%. Zum Vergleich: In Deutschland und Österreich liegt die
Staatsverschuldung bei ungefähr 75%, die Privatverschuldung bei 10% des BIP.
(
vergleiche:
DIE ZEIT Januar 2009)
Nicht jede Art von Staat ist den Neoliberalen
ein Greuel. Nur der Sozialstaat ist ihnen ein Dorn im Auge. Den Militärstaat
schätzen sie aufs Höchste, schützt und expandiert er doch ihren Einfluss. Der
Militärstaat darf aus Sicht der Neoliberalen (in den USA treffender Neocons
genannt) auch exorbitante Staatsschulden auftürmen. Das zeigen die Amtszeiten
von Ronald Reagan und George W. Bush. Die neoliberalen Chicago Boys der Milton
Friedman-Schule waren begeisterte Berater und Vollstrecker des Diktators
Pinochet, als es darum ging, die sozialen und demokratischen Rechte der Chilenen
abzuschaffen. Der Durchschnittslohn sank, der Anteil der Bevölkerung unter der
Armutsgrenze stieg von 20 auf 44 Prozent (
DER
SPIEGEL).
Dogma Nummer 2:Privatisierungen sind ein
Allheilmittel und Segen für die Menschen.
Die
Fakten:Privatisierungen sind keineswegs eine Garantie für Effizienz und
Qualität. Die Vorgänge beim Bau der Kölner U-Bahn zeigen, wohin der Abbau
staatlicher Kontrollen führt. Auf dem Energiesektor betreibt heute ein Oligopol
von vier Stromriesen (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) eine völlig willkürliche
Preispolitik und erpresst die Regierungen.
(
wirtschaft.t-online.de).
Durch
Schröders Steuerreform 2000/1 und Privatisierungs-Konstrukte wie Cross Border
Leasing und Private Public Partnership sind Kommunen wie Gelsenkirchen oder
Duisburg an den Rand des Konkurses geraten.
Dogma Nummer
3:Die Deregulierung der Arbeits- und Finanzmärkte führt zu Wohlstand für
alle.
Die Fakten:Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat ein
in der Bundesrepublik bisher nie dagewesenes Lohndumping verursacht. HartzIV und
die Lockerung der Leih- und Zeitarbeitsregelungen, durchgepeitscht von Wolfgang
Clement, hat zu einem Millionenheer von Beschäftigten mit Tagelöhnerstatus
geführt. Bereits 20% aller Beschäftigten erzielen nur noch Minilöhne. Mehr als
zwei Millionen Menschen verdienen weniger als 6 Euro brutto pro Arbeitsstunde.
Die daraus resultierende Schwächung der Binnennachfrage und Massenkaufkraft sind
Gift für die heimische Wirtschaft (
meta.tagesschau.de).
Die
Deregulierung der Finanzmärkte hat zum Beinahe-Kollaps und einem
unbeschreiblichen Chaos geführt. Die Deregulierung hat Schwindelpapieren,
Spekulanten und Scharlatanen Tür und Tor geöffnet. Mit Hunderten von Milliarden
musste der verhasste Staat, also letztlich der Steuerzahler, einspringen,
damit die Depots und Banken der Reichsten gerettet werden konnten. Vorerst
zumindest.
Dogma Nummer 4:Zu hohe Steuern treiben die
Reichen und ihr Geld aus dem Land.
Die Fakten:Wohin sollen die
Vermögensmillionäre denn fliehen? Nach Frankreich, Holland oder Skandinavien?
Nach Großbritannien oder den USA? In all diesen Ländern zahlen sie das Drei- bis
Vierfache an vermögensbezogenen Steuern.
Eine Steuerstudie brachte es ans
Licht des Tages: rund 7.000 Euro an Steuern entrichtet ein
Vermögens-Millonärsehepaar im Schnitt pro Jahr.
Rund 15.000 Euro Steuern
bezahlt ein Arbeitnehmerehepaar mit Durchschnittsverdienst und zwei Kindern.
Rund 0,9 Prozent vom BIP betragen die vermögensbezogenen Steuern in Deutschland
(und Österreich). Hingegen sind es in der Schweiz, in Japan und in Italien 2,5
Prozent, in Frankreich, Kanada, USA rund 3 Prozent und in Großbritannien über 4
Prozent (Quelle: OECD Revenue Statistics 2006).
Dogma Nummer
5:Die Reichen und Topmanager sind die eigentlichen Leistungsträger, ihre
Einkünfte sind zu gering.
Die Fakten:Die Mehrzahl der
bestbezahlten Topmanager sind Leistungsvernichter, nicht Leistungsträger.
MÄRKLIN, GROHE, Rosenthal und Dutzende anderer Firmen wurden von sogenannten
Topberatern filettiert, abteilungsweise verhökert und schließlich in den
Konkurs getrieben.
Die globalen Wertpapier-, Fonds- und Bankenmanager
haben Abermilliarden in sinnlosen Luxusprojekten verbrannt: Yachthäfen,
Privatjets, Immobilien (mit Golfplatz gleich nebenan). Sie verrotten heute oder
werden weit unter Wert verscherbelt.
Absurd ist die Mär vom armen
deutschen Manager. Deutsche Manager von Großbetrieben erhalten im Schnitt
540.000 Euro pro Jahr, Schweizer Topmanager müssen sich mit 370.000 Euro
begnügen. In Holland erzielt ein Top-Manager gerade mal 230.000 Euro.
(
Wbl.).
Nach
der Logik der neoliberalen Analysten müssten die Manageretagen in den
Niederlanden völlig verwaist sein, und die Wirtschaft des Landes am Rande des
Ruins stehen. Nun weist aber gerade Holland seit Jahren bessere Wachstumsraten
und eine günstigere Arbeitslosenquote auf als Deutschland.
Dogma
Nummer 6:Die Unterschicht ist dumm und faul und neigt zu spätrömischer
Dekadenz.
Die Fakten:Die Unterschicht ist weder dumm noch
faul, sie wird vielmehr seit nunmehr fast dreißig Jahren systematisch um echte
Bildungschancen betrogen. Flächendeckende Vor- und Ganztagsschulen fehlen, die
Streichung von Schüler-Bafög und die Erhebung von Studiengebühren lassen Talente
aus den armen Schichten verkümmern.
Das Selbstwertgefühl der armen
Schichten wird seit langem systematisch von den Seichtmedien (RTL, SAT1, BILD,
etc.) und den einschlägigen Politkern der Sorte Sarrazin(SPD) und Metzger(GRÜNE)
zerredet und erodiert.
Der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien und aus
prekären Familienverhältnissen, die studieren, ist seit 1982 (Abschaffung des
Schüler-Bafögs) stetig zurückgegangen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Kind aus diesen Schichten ein Studium beginnt, ist inzwischen 14 mal geringer
als bei Kindern aus Selbständigen- oder Akademikerfamilien.
Dazu tragen
auch die Studiengebühren bei. Studiengebühren halten jedenfalls die Abiturienten
vom Studieren ab. Bis zu 18.000 von ihnen entschieden sich im Jahr 2006 wegen
der Campusmaut gegen ein Studium, belegt eine Untersuchung des HIS.
(
Quelle:
www.spiegel.de).
Dogma Nummer 7:Die demographische
Lücke lässt sich nur durch Erhöhung der Lebensarbeitszeit
schliessen.
Die Fakten:Im Jahr 1900 kamen 12,4 Erwerbsfähige
(15-64 Jahre) auf eine alte zu versorgende Person (über 64 Jahre), 50 Jahre
später nur noch 6,9; nach weiteren 50 Jahren (Jahr 2000) waren es 4,1 und für
2050 werden 2,0 prognostiziert. (Vergleiche M. Schlecht et al., Mythos
Demografie)
Man sieht: Bereits seit über 100 Jahren versorgen immer
weniger Beschäftigte immer mehr alte Menschen. Seit 1900 unterliegt die
Gesellschaft diesem rasanten demographischen Wandel, der nun plötzlich seit
einigen Jahren dramatisiert wird, ohne dass auch nur e i n e der heute
vorausgesagten Folgen in den vergangenen 100 Jahren eingetreten
wäre.
Seit über 100 Jahren nimmt die Produktivität pro arbeitender Person
massiv und stetig zu. Der daraus resultierende gravierend zunehmende Output an
Waren und Dienstleistungen sorgt selbst bei zurückgehender Beschäftigung dafür,
dass auch ein Verhältnis von zwei oder 1,5 Beschäftigten zu einer alten Person
sich problemlos meistern lässt, ohne dass bei Beschäftigten oder Ruheständlern
irgendwelche Abstriche beim Lebensstandard nötig wären. Im
Gegenteil.
Fazit:Der Lebensstandard kann für alle wachsen,
weil Produktivität und Output pro beschäftigter Person seit jeher viel stärker
zunehmen als der Beschäftigungsgrad abnimmt. Das Gerede von der demographischen
Lücke ist nichts weiter als Hysterie und Panikmache, um die Kassen der
Privatversicherer zu füllen.
Woher die
Verblendung?Obwohl all diese Fakten jedem zugänglich sind, glauben
immer noch viele Menschen an die sieben Standardlügen der neoliberalen
Meinungs-Phalanx. Woher kommt das?
Ein Hauptgrund wurde bereits genannt:
Die Massenpropaganda der gleichgetakteten Medien von ARD bis ZDF, von WAZ bis
WELT, von RTL bis SAT1. Ab einem gewissen Zeitpunkt entwickeln zudem ständig
wiederholte Täuschungen aus dem Mund von Meinungsführern eine Eigendynamik. Wird
ein bestimmtes Quantum an Berieselung langfristig verabreicht, glauben
schliesslich große Teile der Bevölkerung ganz ungeprüft, wie selbstverständlich
an die widersprüchlichsten Dinge. Man denke nur an die alle zehn Jahre radikal
wechselnden Diät-Mythen.
Einen zweiten Hauptgrund für die lemminghafte
Gefolgschaft vieler ökonomischer Laien nennt der Wirtschaftsnobelpreisträger
Paul Krugman: Die jährlichen Gesamtmittel der wirklich unabhängigen
wirtschaftswissenschaftlichen Institute belaufen sich auf ein paar zig Millionen
Dollar
Dies bedeutet, dass bereits ein paar wenige reiche Spinner in der Lage
sind, mit einem von ihnen unterhaltenen Netz von Denkfabriken,
Forschungseinrichtungen, Stiftungen und so weiter kräftig mitzumischen und
eine Wirtschaftsideologie ihrer Wahl salonfähig zu machen. (Paul Krugman,
Schmalspurökonomie, Frankfurt/M., 2000).
Die meisten Politiker sind mit
wenig Lebenserfahrung aus dem echten Arbeitsleben, aber mit sehr viel
ökonomischer Naivität gesegnet. Angela Merkel, Franz Müntefering, Cem Özdemir
oder Claudia Roth hingen und hängen mit geradezu gläubiger Inbrunst an den
Lippen der modernen Heizdeckenverkäufer vom Schlage eines Jörg Asmussen, Hans
Tietmeyer oder Josef Ackermann.
Beim Politiker-Typus Schröder, Fischer,
Clement liegen die Dinge etwas anders. Hier lassen sich Narzissmus,
Parvenu-Eifer und das nackte Interesse an skrupelloser Bereicherung als
treibende Motive nicht völlig ausschliessen.
Auch wenn es dazu bisher
keine Studien oder Recherchen gibt: Wer sich im nachhinein ihr Gebaren näher
ansieht, wird das Gefühl nicht los, dass sie ihr Gehirn jahrelang jedes
Wochenende durch eine Scientology-Waschanlage (auch Managerseminare genannt)
gejagt haben. Dass die Erfolgsethik von Scientology und das Moralverständnis
der Neoliberalen zu annähernd 100 Prozent deckungsgleich sind, dürfte kein
aufmerksamer Beobachter ernsthaft bestreiten.