22
Jul
2015

Die Praxis in Hartz IV ist Faschismus ... #ein #Arbeitgeber #gibt #keine #Arbeit. #Er #nimmt #sie,...

 
Die Praxis in Hartz IV ist
Faschismus
 
Von Werner
Schulten
 
[via
scharf-links.de]
 
 

Hier mal ein (un)schönes Beispiel für die Frage: „Was
ist asozial?“ aus dem Raum Braunschweig: Hartz-Betroffener (nennen wir ihn
Herr S.) kriegt vom Jobcenter eine Bewerbung aufs Auge gedrückt, bekommt
von der Arbeitgeberin auch einen Vorstellungstermin. Fährt fast 100 km in
ein kleines Dorf auf dem platten Land. Klingelt pünktlich an der Türe.
Türe wird geöffnet. „Kommen Sie in einer Stunde noch mal wieder.“ Türe
wird wieder zugeknallt. Da ist aber nichts, wo man sich vor Schneesturm
und Minusgraden schützen kann. Nach 20 Minuten hält es Herr S. nicht mehr
aus und fährt wieder nach Hause.

Anschließend schickt er der Arbeitgeberin, die ihn ja zu
diesem Vorstellungstermin geladen, allerdings nicht in die Räumlichkeiten
gelassen hat, eine Rechnung über 27 Euro an Reisekosten. Diese weigert
sich, zu zahlen, worauf Herr S. Klage beim Arbeitsgericht einreicht.

Und die Arbeitgeberin schreibt Folgendes an das
Arbeitsgericht, wobei der Zusatz auf dem Briefkopf der Gartenmanufaktur
„Bei uns finden Sie immer etwas Besonderes“ eine ganz besondere
Bedeutung erhält:

Sehr geehrter Herr Dr.…,

der Ordnung halber möchte ich Ihnen mitteilen, daß
ich - Frau … - Antragsgegnerin

bin.

In Ihrer Annahme, daß es der Sache des Arbeitgeber
ist, wer das Bewerbungsgespräch führt, stimme ich Ihnen voll und ganz zu;
für diese gesunde Einschätzung ersteinmal vielen Dank!

 

Eigentlich wollte ich mich zu diesem
"Kasperle-Theater'' von Herrn S. gar nicht äußern, da

ich als soetwas von überflüssig finde, mir von
arbeitsscheuen Sozialschmarotzern die Zeit und

die N E R V E N stehlen zu lassen.

Ich muß jeden Tag für mein Geld hart arbeiten und da
zählt für mich jede Minute.

Es ist gut, daß wir in einem Land mit dem besten
Rechtssystem leben - ich glaube, daß wissen wir alle sehr zu schätzen
!?

Was nun hier allerdings seit einem halber Jahr
läuft, ist ohne Worte!!

Ich kann hier nur nochmals wie folgt Stellung
nehmen:

1. wenn der Herr S. ernsthaft an einer Stelle
interessiert gewesen wäre, so wäre es

für einen aufrichtig Arbeitssuchenden
selbstverständlich gewesen, noch einige Minuten langer

zuwarten oder ggf!. einen Zweittermin
auszumachen

2. wenn der Herr S. nur 10 % von seiner Energie in
eine ernsthafte Arbeitssuche investieren

würde, würde er dem Staat nicht auf der Tasche
liegen müssen und hier solchen unnötigen Zeitaufwand bei den Gerichten und
bei mir verursachen

(vielleicht wäre er ja als RA Gehilfe tauglich ....
aber da müsste er ja arbeiten .... !?)

3. im übrigen ist anzmerken, daß Herr S. seine
geforderten 27 € jederzeit vom Arbeitsamt

erstattet bekommen worden, wenn der voraussichtliche
Arbeitgeber diese Summe nicht

bezahlt (so wurde es mir vom Arbeitsamt mitgeteilt.
.. )

Ich bitte doch dieses einmal zu klären, vielleicht
hat Herr S. ja diese Summe schon

von der ARGE erhalten ?

Bis dahin viele Grüße vom …

(Anmerkung: Das ist der Originaltext. Nicht, dass noch
jemand auf die Idee kommt, der Autor beherrsche die deutsche Sprache
nicht.)

 

Ja, das ist asozial! Und leider kein Einzelfall. 10
Jahre Hartz IV haben dazu geführt, dass langzeiterwerbslose
Arbeitssuchende wie Dreck behandelt werden und sich noch vor Gericht aufs
Übelste beschimpfen lassen müssen. Über römische Dekadenz, Hängematte,
wahnwitzige Regelsatzberechnungen einer Uni, sozialdarwinistische Thesen
eines Prof. Heinsohn, Vorführung eingekaufter geistig umnachteter
„Vorzeige-Hartzern“ in sogenannten Talkrunden und breite
Diffamierungskampagnen der meisten Medien wurde ein Klima geschaffen, dass
nur als Faschismus bezeichnet werden kann. Herabwürdigung und Ausgrenzung
einzelner Bevölkerungsgruppen.

 

Mir ist nicht bekannt, wie hoch der Job dotiert war,
aber angesichts des Verhaltens dieser Arbeitgeberin liegt es nahe,
anzunehmen, dass er weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn gelegen hätte.
Hat doch die Bundesregierung ein Gesetz erlassen, in dem
Langzeiterwerbslose nicht nur zu Menschen zweiter Klasse degradiert
werden, sondern gleich aus der Gesellschaft ausgegliedert werden, indem
ihnen der für jede und jeden zustehende Mindestlohn per Gesetz
vorenthalten bleibt.

Ja, das ist Faschismus. Und nein, ein Arbeitgeber gibt
keine Arbeit. Er nimmt sie, und bei „Arbeitgebern“ wie dieser besteht der
Lohn für die vom „Arbeitnehmer“ gegebene Arbeit in einem Tritt in den
Allerwertesten.







#Gesundheitskarte: #Massive #Datenschutz-Lücke [via Nachdenkseiten]

 
Gesundheitskarte: Massive
Datenschutz-Lücke
 
[via Nachdenkseiten]
 
 
 

Effizient, modern, sicher – so wird die elektronische
Gesundheitskarte (eGK) gerne dargestellt. Doch ihr Sicherheitskonzept wird durch
eine massive Datenschutz-Lücke ausgehebelt. Nach Recherchen des ZDF
heute-journals sind sensible Patientendaten von Millionen Deutschen nicht
sicher.

Stehen Sie kurz vorm Burnout? Waren Sie mal drogenabhängig? Oder nehmen
Sie Psychopharmaka?
 
Antworten auf diese Fragen sind leicht zu finden, wenn man Einblick in Ihre
Patientenakte erhält.
 
Dort stehen hochsensible Daten, die zum Beispiel für Kollegen oder
Vorgesetzte sehr interessant sein können. Mit krimineller Energie ist es unter
Umständen sehr einfach, an solche Informationen heranzukommen.
Quelle: ZDF
 


via Nachdenkseiten --->>> Die Dressur zum Gehorsam ... wirksame "Identifikation mit dem Aggressor"

 

Das Rätsel der „freiwilligen Knechtschaft“

[via Nachdenkseiten]
 
 

Als Nachtrag zu meinem Text
„
Von Grillen und Ameisen“ gehe ich der Frage nach, wie man es sich erklären
kann, dass Massen von Menschen politischen Kräften folgen, die ihnen Schaden
zufügen. Die Dressur zum Gehorsam in der frühen Kindheit und die ein Leben lang
wirksame „Identifikation mit dem Aggressor“ verhindern die Entwicklung der
Fähigkeit zu Mitgefühl und Solidarität– mit uns und anderen.

Von Götz
Eisenberg.



Das „falsche
Selbst“ und die Wendung gegen das (eigene und fremde) Glück

„Unserem Glück auszuweichen haben wir alles unternommen.“

(Vlado Kristl)

„Früh in der Kindheit“, berichtet Theodor W. Adorno in seinem Buch Minima
Moralia
, „sah ich die ersten Schneeschaufler in dünnen schäbigen Kleidern.
Auf meine Frage wurde mir geantwortet, das seien Männer ohne Arbeit, denen man
diese Beschäftigung gäbe, damit sie sich ihr Brot verdienten. Recht geschieht
ihnen, dass sie Schnee schaufeln müssen, rief ich wütend aus, um sogleich
fassungslos zu weinen.“

Der kleine Theodor reagiert zunächst ganz im Sinne der Erwachsenenwelt, deren
Urteile und Vorurteile er sich zu eigen gemacht hat. Die Schneeschaufler trifft
seine mitleidlose Wut. Dann aber kriegt er die Kurve und er beginnt zu weinen –
aus Scham wegen seiner Anpassung und aus Mitleid mit den frierenden Menschen.
Der kleine Junge schlägt sich auf die Seite der gequälten Männer, in deren
Leiden er sich wiedererkennt.

Reif und erwachsen werden bedeutet für die meisten Kinder und Jugendlichen,
sich die beschädigte Existenz des durchschnittlichen Erwachsenen zu eigen zu
machen. Unter dem Druck elterlicher Strafandrohungen und Strafen identifiziert
sich das Kind mit den Normen und Werten der Erwachsenen. Ein Kind kann ohne das
Wohlwollen und die Zuwendung der Erwachsenen nicht existieren, zu groß ist seine
Angst vor Liebesverlust und Verlassenheit. Arno Gruen beschreibt diesen Vorgang
in seinem neuen Buch Wider den Gehorsam so: „Wenn ein Kind von
demjenigen, der es schützen sollte, körperlich und/oder seelisch überwältigt
wird und das Kind zu niemandem fliehen kann, wird es von Angst überwältigt. Eine
Todesangst sucht das Kind heim. Es kann nicht damit leben, dass die Eltern sich
von ihm zurückziehen. Ohne Echo für seine ihm eigene Wahrnehmungs- und
Reaktionsfähigkeit kann ein Kind nicht überleben. Es übernimmt, um seine
Verbindung aufrechtzuerhalten, die Erwartungen der Eltern. Auf diese Weise wird
das seelische Sein eines Kindes in seiner autonomen Wahrnehmungs- und
Reaktionsfähigkeit geradezu ausgelöscht.“ Das Kind unterwirft sich den
elterlichen Erwartungen und wird – brav. Es lässt die Erwachsenen in sich
wachsen, statt seines eigenen Selbst. Es kann nun ein Leben lang nicht aufhören,
die Gefühle seiner Eltern anstelle seiner eigenen zu haben.

Sein Körper wird ihm zum Fremd-Körper, die eigenen Impulse werden ihm fremd,
bis es sie schließlich als bedrohlich erlebt und abwehrt. Es entwickelt
notgedrungen das, was der englische Psychoanalytiker D. W. Winnicott und nach
ihm Alice Miller als „falsches Selbst“ bezeichnet haben. Zu viele Bestandteile
des Ich erweisen sich als Nicht-Ich, als fremd-entfremdende Introjekte, so dass
der auf diese Weise herangewachsene Mensch zu keinem gelassenen Umgang mit dem
Anderen finden kann und sich die Einfühlung in fremdes Elend versagt. Er
verschließt sein Herz gegen Mitleid und andere weiche Regungen und macht sich
zum Anwalt seiner Zerstörung. Der Konformismus, der sich auf der Basis einer
„Identifikation mit dem Aggressor“ entwickelt, ist mit Feindseligkeit und
Bösartigkeit kontaminiert. Wo Ich-Einschränkung und Wunschvernichtung in früher
Kindheit, in Schule und Beruf Verletzungen zufügten und Narben hinterließen,
entwickelt sich panikartige Angst vor dem Anspruch auf Glück, auf Formen von
Unabhängigkeit, den man in sich selbst unter Schmerzen begraben musste. Alles,
was in der Außenwelt und bei anderen an aufgegebene eigene Glücksansprüche und
Hoffnungen erinnert, wird abgelehnt, im Extremfall gehasst und verfolgt. No
Pity for he Poor
nennt der erwachsen gewordene Theodor W. Adorno die dem
„autoritären Charakter“ eigene Verhärtung gegen die Leiden der Armen und
Erfolglosen, der auch er in der oben geschilderten Kindheitsepisode einen
Augenblick lang Raum gegeben hatte.

Für einen Moment ist es in der Schwebe, auf welche Seite sich ein Mensch in
seiner Entwicklung schlägt. Der privilegiert aufwachsende Adorno entscheidet
sich für die eigenen Glücksansprüche und das Lebendige, die meisten anderen
wählen unter äußerem Druck den Weg der Anpassung und der Assimilation ans Tote.
“Der Weg des Faschismus ist der Weg des Maschinellen, Toten, Erstarrten,
Hoffnungslosen. Der Weg des Lebendigen ist grundsätzlich anders, schwieriger,
gefährlicher, ehrlicher und hoffnungsvoller”, schrieb Wilhelm Reich in seiner
Massenpsychologie des Faschismus. Schon Mitte des 16. Jahrhunderts
hatte der eng mit Montaigne befreundete französische Jurist und Autor Etienne de
la Boétie sich über die Tyrannenverehrung seiner Mitmenschen gewundert und sie
„Freiwillige Knechtschaft“ genannt: „Diesmal möchte ich nur erklären, wie es
geschehen kann, dass so viele Menschen, so viele Dörfer, Städte und Völker
manchesmal einen einzigen Tyrannen erdulden, der nicht mehr Macht hat, als sie
ihm verleihen, der ihnen nur insoweit zu schaden vermag, als sie es zu dulden
bereit sind, der ihnen nichts Übles zufügen könnte, wenn sie es nicht lieber
erlitten, als sich ihm zu widersetzen.“

Auch der junge Max Horkheimer macht in den 20er und frühen 30er Jahren des
20. Jahrhunderts die traurige Erfahrung, dass die Masse der Menschen sich mit
ihren Unterdrückern identifiziert, statt sich mit denen zu solidarisieren, die
sich gegen sie auflehnen. In seinem Buch Dämmerung schreibt er: „Auch
dass die beherrschten Klassen, von den fortgeschrittensten Gruppen abgesehen,
der Verlogenheit ihrer Vorbilder folgen, ist zwar schwer verständlich, aber doch
hinreichend allgemein bekannt. Besteht doch die Abhängigkeit dieser Klassen
nicht allein darin, dass man ihnen zu wenig zu essen gibt, sondern dass man sie
in einem erbärmlichen geistigen und seelischen Zustand hält. Sie sind die Affen
ihrer Gefängniswärter, beten die Symbole ihres Gefängnisses an und sind bereit,
nicht etwa diese ihre Wärter zu überfallen, sondern den in Stücke zu reißen, der
sie von ihnen befreien will.“ Genau das können wir im Moment erneut beobachten:
Statt sich im Schicksal der Griechen wiederzuerkennen und zu rufen: „Wir sind
alle Griechen!“, identifiziert sich die Masse der Menschen in Nordeuropa mit
denen, die den Griechen das Fell über die Ohren ziehen und sie ihrem Diktat
unterwerfen wollen.

Lawrence Le Shan, der Pionier der psychologischen Krebsforschung, hat eine
Methode entwickelt, um seine Patienten mit den abgewiesenen Teilen ihres Selbst
in Berührung zu bringen. In ihrer ständigen Selbstzurückweisung und
Selbstbestrafung erblickt er einen wesentlichen karzinogenen Faktor. Ständig
hallen die Entwertungen und Verurteilungen der Eltern in den seelischen
Innenräumen der Patienten nach, die sie häufig nicht nur akzeptiert, sondern
sogar gutgeheißen haben. Gehorsam und loyal halten sie ihren Peinigern die Treue
und geben sich selbst die Schuld.

Le Sahn schildert in seinem Buch Psychotherapie gegen den Krebs
(Stuttgart 1982) eine Sequenz aus der Therapie mit Arlene.

„Ich bat sie, sich an einer Vorfall in ihrer Kindheit zu erinnern, bei dem
sie ihrer Meinung nach höchst ungerecht behandelt worden und sehr gekränkt
gewesen war. Sie erinnerte sich an ein solches Geschehen und konnte es sich in
allen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückrufen. Am Ende hatte sie allein in
ihrem immer gelegen und geweint. Arlene konnte diese Szene ganz deutlich vor
sich sehen und wusste sogar noch, welches Kleid sie an jenem Tag angehabt
hatte. Nun bat ich sie, sich vorzustellen, dass wir hier im Sprechzimmer eine
Zeitmaschine hätten. Sie sollte sich hineinbegeben und – die erwachsene Frau,
die sie heute war – in jenes Zimmer und in jenen Augenblick ihrer Kindheit
zurückreisen.

Le Shan: Jetzt betreten Sie – so wie Sie heute sind – das Zimmer, in dem
die kleine Arlene weinend auf ihrem Bett liegt. Sie gehen hinein, und das Kind
sieht zu Ihnen auf. Was tun Sie?

Arlene: Ich würde ihr eins draufgeben!!“

Das Erschrecken Arlenes über diese spontane Reaktion bildete den ersten
Schritt in Richtung einer neuen Einstellung zu den zurückgewiesenen Teilen ihres
Selbst.
Sozialpsychologisch gewendet bedeutet die Le Shan‘sche Methode der
Zeitmaschine: Der Weg zur Solidarität mit anderen führt über die
Wiederentdeckung der Leiden des Kindes, das wir einmal waren und das wir auf dem
Weg zum Erwachsenwerden zum Verschwinden und Verstummen bringen mussten. Die
Dressur zum Gehorsam in der frühen Kindheit und die ein Leben lang wirksame
Identifikation mit dem Aggressor verhindern die Entwicklung der Fähigkeit zu
Erbarmen und Mitgefühl – mit uns und anderen.

Der Neoliberalismus fördert die zwischenmenschliche
Verfeindung

„Zwei Jungen begegnen irgendwo in den amerikanischen Wäldern einem
aggressiven Grizzlybären. Während der eine in Panik gerät, setzt sich der
andere seelenruhig hin und zieht sich seine Turnschuhe an. Da sagt der in
Panik Geratene: ‚Bist du verrückt? Niemals werden wir schneller laufen können
als der Grizzlybär.‘ Und sein Freund entgegnet ihm: ‚Du hast Recht. Aber ich
muss nur schneller laufen können als du.‘“

(Robert Stern)

Es gibt gesellschaftliche Großwetterlagen, die im Sinne eines öffentlichen
Klimas Haltungen wie die eben beschriebene treibhausmäßig fördern. Es macht
einen nicht zu unterschätzenden Unterschied, ob man in einer Gesellschaft
aufwächst und lebt, in der Schwachen und weniger Leistungsfähigen solidarisch
beigesprungen und unter die Arme gegriffen wird, oder in einer, in der sie der
Verelendung preisgegeben und als sogenannte Loser zu Objekten von Hohn
und Spott werden. Unter günstigen lebensgeschichtlichen Bedingungen erworbene
Fähigkeiten wie die, sich in andere einfühlen zu können und sich von ihrem Leid
berühren zu lassen, bedürfen dauerhafter äußerer Stützung, sonst bilden sie sich
zurück und zerfallen schließlich. Die Eigenschaften und Haltungen, die einen in
der Konkurrenz weiterbringen: kalte Schonungs- und Skrupellosigkeit,
Anpassungsbereitschaft, Wendigkeit, eine gewisse Gewieftheit etc. überwuchern
diejenigen, die dem im Wege stehen und die man bislang als die eigentlich
menschlichen angesehen hat. Der Andere, der Mitmensch, wird unter solchen
Bedingungen zum feindlichen Konkurrenten, zum Überzähligen, schließlich zum
Gegen- oder Nicht-Menschen, dem jede Einfühlung verweigert und Unterstützung
aufgekündigt wird. Man gewöhnt sich daran, dass das Glück der einen mit dem Leid
der anderen zusammen existiert: Glück ist, wenn der Pfeil den Nebenmann trifft.
Jede Gesellschaft produziert ihr gemäße Charaktere, lebt von ihnen und
reproduziert sich durch sie. Erich Fromm hat für die gemeinsame Charakter-Matrix
einer Gruppe den Begriff „Gesellschafts-Charakter“ geprägt.

Dabei geht er davon aus, dass der grundlegende Faktor bei der Bildung des
„Gesellschafts-Charakters“ die Lebenspraxis ist, wie sie durch die
Produktionsweise und die sich daraus ergebende gesellschaftliche Schichtung
zustande kommt. „Der Gesellschafts-Charakter ist jene besondere Struktur der
psychischen Energie, die durch die jeweilige Gesellschaft so geformt
wird, dass sie deren reibungslosem Funktionieren dient.“ Der seit den 1980er
Jahren hegemonial gewordene Neoliberalismus hat den Sozialstaat geplündert und
planiert. Er hat einen sozialen und moralischen Darwinismus etabliert, der den
Kampf eines jeden gegen jeden ins Recht setzt, den Werten eines absolut
asozialen Individualismus zum Durchbruch verholfen hat und das Gros der
Bevölkerung dazu verurteilt, in einem Universum permanenter Verteidigung und
Aggression zu leben. Wer Mitgefühl zeigt, droht aus dem Markt geworfen zu werden
und einen sozialen Tod zu sterben. Insofern dürfen wir uns nicht wundern, dass
die vom Sozialstaat propagierte Kultur des menschlichen Entgegenkommens und der
Solidarität von einer Kultur der wechselseitigen Verfeindung und des Hasses
abgelöst wird. Empathie und Mitgefühl befinden sich in den Gesellschaften des
losgelassenen Marktes im freien Fall, weil sie von außen keine Stützung mehr
erfahren, sondern mehr und mehr als Störfaktoren und Hindernisse im
individuellen Fortkommen betrachtet werden.

Eine solidarische, egalitäre Gesellschaft – mit Freundlichkeit als
vorherrschendem Kommunikationsstil – würde den Menschen nicht mehr so viel
Bosheit einpressen, sondern Raum und Zeit für eigene Entwicklungen einräumen.
Ihr Hauptaugenmerk gälte der Schaffung neuer verlässlicher Räume, in denen es
Kindern möglich wäre, unter Bedingungen raum-zeitlicher Konstanz und leiblicher
Anwesenheit ihrer Bezugspersonen ihre psychische Geburt zu vollenden und sich zu
Menschen in einer menschlichen Gesellschaft zu entwickeln.

Eine Gesellschaft, die ihre soziale Integration und den zwischenmenschlichen
Verkehr auf Formen solidarischer Kooperation gründet, statt auf der letztlich
a-sozialen Vergesellschaftung durch Markt und Geld, wird auch andere psychische
Strukturen und andere Formen der Vermittlung von Psychischem und
Gesellschaftlichem hervorbringen, für die uns Heutigen die richtigen Begriffe
fehlen. Allenfalls wird man sagen können, dass der individuelle Selbstwert einen
ausgeprägten Bezug zur Gemeinschaft aufweisen würde, in der der Einzelne in
echter Solidarität aufgehoben wäre. Unter solch utopischen Bedingungen
aufgewachsenen Menschen würde weniger Bosheit eingepresst, so dass sie nicht
mehr genötigt wären, diese im sozialen Vorurteil gegen Minderheiten zu richten.
Sie könnten sich diesen einfühlsam und solidarisch zuwenden.




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