30
Mrz
2015

DB im GdL-Streik: "Bewusst eine Sackgasse herbeiführen" Polizei- und Geheimdienstmethoden gegen streikbereite Gewerkschaften wie die GdL

 

DB im GdL-Streik: „Bewusst eine Sackgasse
herbeiführen“

 von redaktion01
 
[via
arbeitsunrecht.de]
 
http://arbeitsunrecht.de/deutsche-bahn-im-gdl-streik_bewusst-eine-sackgasse-herbeifuehren/
 

Polizei- und Geheimdienstmethoden gegen streikbereite Gewerkschaften wie die
GdL | Strategische Beratung durch Zürcher Union Busting-Institut SNI

 
von Werner Rügemer

Wenn der Bahn-Vorstand mit Gewerkschaften verhandelt, ist Werner
Bayreuther
dabei. Er ist Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverband
der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister (Agv-MoVe). Er gehört aber auch zum
Team des Schranner Negotiation Institute (SNI) in Zürich. Auf
der Website des SNI wird Bayreuther angepriesen: „Er hat die Deutsche Bahn
in der Verhandlung mit der GdL beraten
und aktiv unterstützt

Von Geheimdienst und FBI lernen: Es gibt keine win-win-Situation

Das SNI arbeitet weltweit im
Auftrag von Unternehmen und Regierungen, nach dem Motto „Wenn Verhandlungen
schwierig werden“
. Die Berater sind allgegenwärtig, bleiben aber
unsichtbar: „Wir unterstützen Sie
im Hintergrund
vor, während und nach Ihren Verhandlungen.“

SNI versteht sich nicht als Schlichter. Der Kunde soll am Ende als
„Sieger“ und die andere Seite als „Verlierer“ dastehen:
„Mit unserer Unterstützung werden Sie Verhandlungssieger.“ Intern heißt
es „Es gibt bei Verhandlungen keine
win-win-Situation
“
. In der Öffentlichkeit sagt Bahn-Personalchef
Ulrich Weber das Gegenteil: Kompromiss, Aufeinander
zugehen…

Die Verhandlungen werden als Strategiespiele angelegt: Die Berater ermitteln
zuerst „die Motive hinter den Positionen“. Dazu gehört die Analyse der
Persönlichkeitsstrukturen des Gegenübers: Er soll in der Öffentlichkeit
möglichst als „schwierige Persönlichkeit“ erscheinen.
SNI preist
seinen Trainer Leo Martin so an: Er war „10 Jahre lang für
einen großen deutschen Nachrichtendienst im Einsatz.“
Sein Spezialgebiet war das Anwerben und Führen von
V-Leuten
. Er hat das Buch geschrieben „Ich durchschau dich!“
Martins Standard-Referat bei Seminaren lautet: „Analyse des
Verhandlungspartners: Vom Geheimdienst lernen.“
Was auf der SNI-website
nicht steht: „Leo Martin“ heißt in Wirklichkeit anders.

Szenarien: Geiselnahme oder Banküberfall?

Zum SNI-Angebot gehören auch „Verhandlungstaktiken von Polizei und
FBI“
. Der langjährige Chef der Münchener Mordkommission Josef
Wilfing
ist ebenso dabei wie Gary Noesner vom
FBI. SNI-Chef Matthias Schranner präsentiert
sich als ehemaliger Verhandlungsführer der Polizei bei Geiselnahmen und
Banküberfällen. Da kann sich die GdL aussuchen: wird sie vom Bahn-Konzern als Geisel behandelt oder als
Bankräuber
?

Den Gegner bewusst in eine Sackgasse manövrieren

Eine strategisch angelegte Verhandlung hat nach SNI-Prinzipien auch das
mögliche Ziel, den Gegenüber „bewusst in eine Sackgasse“ zu
manövrieren. Zum Beispiel: Man macht einige Zugeständnisse, der Streik wird
abgebrochen, aber die eigentlichen Verhandlungen stehen noch aus. Nach zwei
Monaten, wenn die Verhandlungen wieder beginnen, wird die frühere Vereinbarung
widerrufen. Die Gewerkschaft muss überlegen, ob sie neu streiken soll.

Eine andere Strategie besteht darin: Man gibt sich als verantwortungsvoller
Konzern
, der sich um das Wohl der Kunden kümmert und jeden Streik
vermeiden will. Gleichzeitig kann man den Gegenüber in einen Streik
hineintreiben
, nach dem SNI-Motto „Warum ein Streik nicht vermieden
werden sollte“
.

Die Spezialisten beraten einen Konzernvorstand auch darin, wie man den
Gegenüber in ein Wechselbad der
Gefühle
taucht. Im SNI-Seminar zur Ausbildung als „Zertifizierter
Verhandler“
wird gelernt, wie man „stressverschärfende“ mit
„stressvermindernden Elementen“ abwechselt. Der
Erziehungswissenschaftler und Kriminologe Professor Jens
Weidner
ist Experte dafür, wie man Aggressivität in Verhandlungen
einsetzt. Stefan Spies hat Opernsänger ausgebildet und Opern
inszeniert. Er trainiert die Verhandlungsführer beim Einsatz der richtigen
Körpersprache.

Überläufer als Top-Verhandler

Bayreuther war Richter für
Arbeitsrecht
. Er verließ diese neutrale Position. Er baute für den
privatisierten Bahn-Konzern den eigenen Arbeitgeberverband auf, in dem die
zahlreichen Tochter-Holdings Mitglied sind: DB Schenker, DB Regio, DB Netz usw.
Auf der SNI–Website wird er mit der Fähigkeit angepriesen: „Nutzen von irrationalen
Forderungen“
der Gegenseite
. Dazu kann auch gehören, Forderungen der
Gegenseite erstmal als irrational zu bezeichnen und dann als solche zu
behandeln.

Wie Bayreuther gehört auch Stefan Schneider zum SNI-Team.
Schneider war lange Jahre Betriebsrat bei Daimler und
Verhandlungsführer der IG Metall. Danach wechselte er die Seite
und stieg zum Personalleiter auf. Jetzt ist er als selbständiger Manager-Berater
tätig. Seine Qualifikation: Er „kennt die Motivlage von Betriebsräten und
Gewerkschaften“
.
Zusammen bestreiten Bayreuther und Schneider Seminare,
wie die Arbeitgeberseite am besten mit „ideologisch geprägten
Betriebsräten“
umgeht.

- – – – -

Der Beitrag erschien in ursprünglich in: streik-zeitung, Nr. 4 Februar/März
2015, S. 4. (hier
als pdf
)



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