Und täglich grüßt das Konsumindexmurmeltier - Warum ignorieren die Medien nicht endlich die GfK? [via NDS]


Und täglich grüßt das Konsumindexmurmeltier Warum ignorieren
die Medien nicht endlich die GfK?
Jeden Monat aufs Neue beglücken uns die
Medien mit dem Konsumklimaindex der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).
Dieser Index ist ein echtes Mysterium. Eine Korrelation zwischen dem von der GfK
gemessenen Konsumklima und der tatsächlichen Einzelhandelsumsätze ist nur in
Ausnahmefällen zu erkennen. Doch einen Zweck scheint der Konsumklimaindex zu
haben: Monat für Monat dient er den Medien als Steilvorlage, ihr Märchen vom
Konsumwunderland Deutschland weiterzuspinnen.
Da sich dieses Märchen jedoch nicht durch
Daten untermauern lässt, liegt hier der Verdacht nahe, dass bei der
Berichterstattung zum Konsumklimaindex die Grenzen zwischen journalistischer
Sorgfaltspflicht und Meinungsmache überschritten werden.
Von Jens Berger.
Am 29. Januar meldete
SPIEGEL Online, dass die Verbraucher optimistisch ins Jahr 2013 starteten.
Im Artikel heißt es dann, die GfK habe für Januar ein kräftiges Plus von 15,2
Punkten beim Indikator für die Anschaffungsneigung gemessen. Nach der Systematik
des Konsumgüterindex heißt dies, dass die GfK eine Steigerung des privaten
Verbrauchs um 1,52 Prozentpunkte für den Monat Februar vorhersagt. Der
GfK-Konsumklimaindex wird stets am vorletzten Tag des Monats veröffentlich und
bezieht sich prognostisch auf den Folgemonat. Basis des Index ist eine Befragung
von 2.000 repräsentativ ausgewählten Personen, denen am Telefon drei Fragen zu
ihrer Anschaffungsneigung und zu ihrer Erwartung bezüglich der
gesamtwirtschaftlichen Situation gestellt werden.
Aus den Rohdaten wird dann nach einem ausgeklügelten Verfahren mit
Algorithmen, die nur der GfK bekannt sind, der bekannte Index errechnet. Doch
welchen Wert hat dieser Index?
Im Februar sind die Einzelhandelsumsätze nicht wie von der GfK vorhergesagt
um 1,52% gestiegen, sondern um 2,2% gesunken, wie Ende März das Statistische
Bundesamt meldete.
Derartige Diskrepanzen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Für den April
dieses Jahres sagte die GfK eine Steigerung der Konsumausgaben um 0,6% voraus,
was SPIEGEL ONLINE damals zur kühnen Überschrift Verbraucher bleiben trotz
Rückkehr der Eurokrise in Kauflaune anregte.
Wie das Statistische Bundesamt heute vermeldete,
sanken die Einzelhandelsumsätze jedoch gegenüber dem März kalender- und
saisonbereinigt um nominal und real 0,4%. Anstatt sich mit der nunmehr mehrfach
belegten Diskrepanz zwischen dem GfK-Konsumklimaindex und der Realität zu
beschäftigen, fabulieren die Medien jedoch stets aufs Neue die Mär vom
Konsumwunder. Erst letzte Woche meldete
SPIEGEL ONLINE unter Berufung auf die GfK Deutsche kaufen gegen die Krise an
und das zum SPIEGEL-Verlag gehörende Manager Magazin machte daraus sogar die Meldung
Konsumenten retten Deutschland vor der Rezession.
Jeder unbedarfte Leser wird bei diesen Überschriften nun denken, dass die
Deutschen tatsächlich mehr Geld an den Ladenkassen ausgeben. Diese
Interpretation ist jedoch auf Basis des GfK-Konsumklimaindex überhaupt nicht
möglich vollkommen unabhängig davon, ob die Zahlen nun stimmen oder nicht. Aus
der Frage Glauben Sie, dass es zurzeit ratsam ist, größere Anschaffungen zu
tätigen?, die den telefonisch Interviewten gestellt wird, Schlussfolgerungen
über die Konsumausgaben zu ziehen, ist sagen wir es einmal freundlich
gewagt. Aus diesen gewagten Prognosen eine Geschichte zu machen, die suggeriert,
dass die auf dürrer Basis aufgestellten Prognosen die Realität widerspiegeln,
ist manipulative Meinungsmache.
Wer sich primär über Medien wie SPIEGEL Online informiert, muss glatt denken,
dass die Konsumausgaben permanent steigen und Eurokrise, Rezession und negativer
Lohnentwicklung trotzen. Ein Blick auf die langfristige Datenreihe des
Statistischen Bundesamtes spricht da jedoch eine gänzlich andere Sprache.
Quelle: Querschuesse
Die real gemessenen Einzelhandelsumsätze (inkl. Versandhandel und Internet)
sind heute sogar niedriger als zu Beginn der Messreihe im Jahre 1994. Die
Konsumausgaben steigen nicht, sie stagnieren noch nicht einmal, sondern gehen
sogar im Trend zurück. Noch aussagekräftiger ist die lange Reihe der Bundesbank,
die bis zum Jahr 1994 zurückreicht.
Wie man hier deutlich erkennen kann, sind die Einzelhandelsumsätze
inflationsbereinigt bis zum Jahr 1990 steil gestiegen. Seitdem stagnieren sie
mit einem leicht abnehmenden Trend. Es ist natürlich kein Zufall, dass die
Konsumausgaben exakt seit dem Zeitpunkt stagnieren, ab dem es keine
Reallohnsteigerungen mehr gab. Mit welchem Geld sollen die Menschen auch den
Konsum steigern? Ohne Reallohnsteigerungen werden auch auf absehbare Zeit die
Konsumausgaben nicht steigen. Man muss kein Wirtschaftsprofessor sein, um diesen
simplen Zusammenhang zu begreifen.
Wenn nun der GfK-Konsumklimaindex selbst wohlwollend betrachtet nicht
mehr als nichtssagende Kaffeesatzleserei ist, stellt sich natürlich die Frage,
warum er Monat für Monat als Grundlage für Artikel genommen wird, deren
inhaltlicher Wert gegen Null tendiert? Hat es sich noch mit bis in die
Redaktionen herumgesprochen, dass das Konsumwundermärchen der GfK jeglicher
Datengrundlage entbehrt? Oder dient der Index lediglich als Vorlage, um einmal
mehr das geliebte Märchen zu erzählen, wie gut es uns doch gehe, wie wunderbar
wir regiert werden und wie tapfer wir der Krise trotzen? Wenn man einmal einen
Moment davon ausgeht, dass die Redaktionen nicht nur mit Denkabstinenzlern
besetzt sind, muss man wohl davon ausgehen, dass der Konsumklimaindex wider
besseren Wissens zu Propagandazwecken instrumentalisiert wird.
Für die GfK ist dies natürlich ein wunderbares Geschäft. Die GfK-Gruppe ist
eine Aktiengesellschaft, die mit mehr als 12.000 Mitarbeitern einen Umsatz von
1,5 Mrd. Euro und einen Jahresgewinn von fast 200 Millionen Euro erwirtschaftet.
Größter Einzelaktionär der GfK ist die Fondsgesellschaft Fidelity Investment,
die nach einer Studie
der ETH Zürich das dritteinflussreichste Unternehmen der Welt ist. Auftraggeber
des GfK-Konsumklimaindex ist übrigens die EU-Kommission. Die Zahlen der GfK sind
Grundlage der deutschen Komponente zur Messung des EU-Verbrauchervertrauens.
Muss man sich da noch wundern, dass die EU-Kommission den Wald vor lauter Bäumen
nicht sieht?