5
Jun
2013

Begründung der Verfassungswidrigkeit von Einschränkungen des Existenzminimums-->> Warum Hartz IV Verfassungswidrig ist

Warum Hartz IV Verfassungswidrig ist

Begründung der Verfassungswidrigkeit von
Einschränkungen des Existenzminimums
durch das Zweite Sozialgesetzbuch (Sanktionen nach §
31 SGB-II)
auf Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts
von Dipl.-Ing. Ulrich Engelke
 
[via gegen-hartz.de]
 
 
 

Vorbemerkungen: Für die Richtigkeit und für Folgen aus der Anwendung
dieses Manuskripts wird keinerlei Gewährleistung bzw. Haftung übernommen. Die
Verwendung erfolgt ausschließlich auf eigene Verantwortung. Der Verfasser
beansprucht ausdrücklich keine Urheberrechte.

Im ersten Leitsatz
des Urteils des BVerfG wird ein Grundrecht auf ein Existenzminimum definiert.
Man muss jedoch feststellen, dass diese neue Grundrechtsdefinition bisher nur
sehr selten wahrgenommen wird. In der Gesellschaft ist sie längst noch nicht
angekommen. Von den herrschen politischen Kräften wird sie nicht nur ignoriert,
sondern gezielt hintertrieben. Vor allen Dingen wird durch die massive
Verhetzung von Hilfebedürftigen ein breiter gesellschaftlicher Konsens gegen die
Umsetzung in die Sozialgesetzgebung erzeugt. Beispiele für Verhetzungskampagnen
sind Westerwelles Äußerungen über „spätrömische Dekadenz“ und die perfekt
unterschwellig wirkende und meisterhafte Formulierung der Bundeskanzlerin Frau
Dr. Merkel, die immer mal wieder von „Arbeitsanreizen“ spricht.

Das hat
Methode, denn Sanktionen erzeugen Druck auf den „Arbeitsmarkt“, machen
Lohnabhängige gefügig und schwächen unsere Gewerkschaften. Auch deswegen ist
Deutschland Lohndumpingweltmeister. Die Arbeitnehmer in Deutschland haben Angst
davor selbst in Hartz-IV zu geraten und trotzdem sind viele für Sanktionen. Die
Verhetzung hat die Gesellschaft bereits gespalten und vernichtet das Gefühl
füreinander. Man sieht nicht hin, wenn Mitbürger unter Zwang und Zwangsarbeit
leiden müssen oder wenn etliche die Wohnungen verloren haben und auf der Straße
leben müssen. Dies betrifft vor allen Dingen Jugendliche.

Die
Menschenverächter sind gnadenlos. Es geht um Profit. Vielleicht ist es aber auch
die pure Lust an der Vernichtung von Existenzen - dies alles im Gegensatz zur
Verpflichtung des Staates, für das neu definierte Grundrecht einer materiellen
Existenzsicherung aktiv und vorauseilend zu sorgen. Die
freiheitlich-demokratische Grundordnung wird beschädigt. Das ungehemmte
Aufblühen der Hetzkampagnen nach dem Urteil zeigt, dass Vorsatz besteht. Die
Herrschenden sind sich der
Verfassungswidrigkeit von Sanktionen sehr wohl
bewußt. Sie bilden eine eingeschworene Mafia mit den Profiteuren.

Begründung der Verfassungswidrigkeit von Sanktionen nach
SGB-II:
Mit Beschluss vom 09. Februar 2010 hat das
Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Bemessung der Regelsätze für
Hilfebedürftige nicht den grundgesetzlichen Ansprüchen genügt.

Zitat
aus dem Urteilsspruch:

1. § 20 Absatz 2 1. Halbsatz und Absatz 3 Satz
1, § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alternative, jeweils in Verbindung mit § 20
Absatz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch in der Fassung des Vierten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003
(Bundesgesetzblatt I Seite 2954), § 20 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3
Sozialgesetzbuch Zweites Buch in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006
(Bundesgesetzblatt I Seite 558), § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alternative in
Verbindung mit § 74 Sozialgesetzbuch Zweites Buch in der Fassung des Gesetzes
zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009
(Bundesgesetzblatt I Seite 416), jeweils in Verbindung mit § 20 Absatz 1
Sozialgesetzbuch Zweites Buch in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung
der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt I
Seite 1706), sowie die Bekanntmachungen über die Höhe der Regelleistung nach §
20 Absatz 2 und § 20 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch vom 1.
September 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 2718), vom 20. Juli 2006
(Bundesgesetzblatt I Seite 1702), vom 18. Juni 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite
1139), vom 26. Juni 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1102) und vom 17. Juni 2009
(Bundesgesetzblatt I Seite 1342) sind mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in
Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz
unvereinbar.

Das BVerfG hat weiterhin festgelegt, wie die
Ansprüche Hilfebedürftiger zu ermitteln sind.
Zitat des dritten
Leitsatzes:


Zur Ermittlung
des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in
einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie
nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger
Berechnungsverfahren zu bemessen.

Im weitgehender gesellschaftlicher
Übereinstimmung wird das Urteil des BVerfG vorwiegend so aufgefaßt, als wäre
ausschließlich über die Höhe des Regelsatzes für Hilfebedürftige entschieden
worden. Dem steht jedoch gegenüber, dass die Festlegung der Höhe grundsätzlich
nur dann durch das BVerfG möglich ist, wenn grundgesetzliche Ansprüche auf die
Hilfe bestehen. Denn ohne eine Verpflichtung zur Existenzsicherung würde es sich
um eine freiwillige Leistung der Bundesrepublik Deutschland für seine
hilfebedürftigen Bürger handeln. Darüber hätte das Bundesverfassungsgericht
jedoch nicht zu befinden. Das Bundesverfassungsgericht hat den grundgesetzlichen
Anspruch auf das Existenzminimum in seinem Urteil umfänglich begründet. Er wird
in den vier Leitsätzen des Urteils den Bemessungskriterien vorangestellt. Zuerst
der Anspruch, dann die Festlegung der Höhe. Das ist die Konsistenz des
Urteils.

Der erste Leitsatz beschreibt den allgemeinen Anspruch
(auf ein menschenwürdiges Existenzminimum) und formuliert ein Grundrecht.
Die Ausführungen des BVerfG beim ersten Leitsatz sind eindeutig und bedürfen
keiner Kommentierung

Zitat 1. Leitsatz:

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs.
1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu,
die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am
gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich
sind.

Im zweiten Leitsatz werden Spezifikationen der Ausgestaltung
des Existenzminimums aufgeführt.

Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1
GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben
dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes
Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss
eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung
durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen
Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen
auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.

Die
Spezifikationen des zweiten Leitsatzes zum Grundrecht sind im Einzelnen
auflösbar:

1. Auf das Grundrecht besteht ein absoluter Anspruch. Es ist
daher nicht einschränkbar. Sanktionen, durch § 31 im SGB-II formuliert, werden
durch den absoluten Anspruch ausgeschlossen und praktisch verboten.

2.
Der Anspruch wird nochmals bekräftigt. Er ist „unverfügbar und muss eingelöst
werden“. Er ist daher nicht einschränkbar und die Existenzsicherung muss
gewährleistet sein. Ausnahmen sind grundsätzlich ausgeschlossen.

3. Das
Grundrecht wird vom Gesetzgeber konkretisiert. Er hat es gemäß der im dritten
Leitsatz genannten und oben bereits aufgeführten Spezifikationen transparent zu
bestimmen.

4. Es ist stetig zu aktualisieren. Gründe könnten
Preiserhöhungen oder sich allgemein höhere Lebensstandards in der Gesellschaft
auch mit neueren technischen und allgemein „breit" verwendeten Entwicklungen
(bestehende Lebensbedingungen) sein. Dann wäre der Regelsatz in der Höhe
entsprechend anzupassen.

5. Der Gesetzgeber besitzt einen
Gestaltungsspielraum. Dieser Spielraum darf aber nicht so verstanden werden,
dass dadurch eine rechtliche Öffnung für Sanktionsmöglichkeiten erfolgt. Dagegen
sprechen zwei Gründe. Erstens setzt der erste Leitsatz eine (absolute)
Haltelinie dagegen und zweitens wird unter Randziffer 133 explizit zum
Gestaltungsspielraum klargestellt, dass er sich ausschließlich auf eine
allgemeine Spezifikation bezieht, vergl. Kommentierung von Randziffer 133 weiter
unten. Anm.: Ohne weitere Erläuterungen ist die Formulierung jedoch
mißverständlich.

Die Leitsätze stellen das Grundrecht auf ein
Existenzminimum zusammenfassend an den Anfang. In der Begründung des Urteils
wird zum Anspruch dann rechtlich umfassender ausgeführt. Die Texte der ersten
beiden Leitsätze sind erkennbar (zusammenfassend verkürzter) Bestandteil der
Begründungen unter Randziffer 133.

Zitat Randziffer 133
Das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt
sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 40,
121 <133>; 45, 187 <228>; 82, 60 <85>; 113, 88 <108 f.>;
Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u.a. -, juris, Rn. 259). Art. 1 Abs. 1 GG
begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum
erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum
zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den
unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des
Existenzminimums verbunden sind (vgl. BVerfGE 35, 202 <236>; 45, 376
<387>; 100, 271 <284>). Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat
als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem
absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes
Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss
eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung
durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen
Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen
auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.

Unter
Randziffer 133 wird direkt ausgeführt, dass der Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers sich auf die unausweichlichen Wertungen bezieht, die mit der
Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind und allgemeingültig für
sämtliche Hilfebedürftige gelten.

Zitat aus Randziffer 133 zum
Gestaltungsspielraum:
Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum
erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum
zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den
unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des
Existenzminimums verbunden sind.

Diese Festlegung schließt damit eine
willkürlich auf den Einzelnen bezogene Unterdeckung aus und bestätigt die oben
vorgetragene Kommentierung der Leitsätze, dass der freie Gestaltungsraum für
Sanktionen nicht nutzbar ist. Wertungen sind beispielsweise die genaue
Festlegung der Teilhabemöglichkeiten, die Ausstattung der Wohnung, Anspruch auf
übliche technische Geräte usw.. Anm.: Das Bundesverfassungsgericht hat keinen
Katalog aller Mindestansprüche aufgestellt. Auch wenn der Gesetzgeber einen
freien Gestaltungsspielraum besitzt, bleibt er doch an die Gewährleistung des
Existenzminimums (Grundrecht) gebunden. Dies schließt beispielsweise auch eine
Teilhabe am kulturellen Leben usw. ein und beschränkt sich nicht auf das
ausschließlich Physische.

In der vorliegenden Berechnung des Regelsatzes
ist eine freiwillige Leistung jedoch nicht zu erkennen. Die Leistungen sind so
niedrig angesetzt, dass man annehmen kann, dass höchstens das grundgesetzliche
Mindestmaß erfüllt ist. Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht - denn einige
Sozialgerichte sind der Auffassung, die Regelsätze seien zu niedrig bemessen -
sind anhängig. Im übrigen müßte zur Ausschöpfung eines eventuellen
Sanktionsspielraumes eine freiwillige Leistung des Gesetzgebers in der
Berechnung des Regelsatzes
ausgewiesen sein. Ein Sanktionsspielraum ist jedoch durch das Fehlen der
Definition der freiwilligen Leistung nicht bestimmt. Mit der Begründung des
Gestaltungspielraumes zu sanktionieren, wäre deshalb verfassungsrechtlich nicht
möglich. Gegebenenfalls wäre es verfassungsrechtlich zu überprüfen.

Das
Bundesverfassungsgericht stellt an die Zahlung von Leistungen an Hilfebedürftige
bestimmte Bedingungen. Sie besitzen dann unabweisliche Ansprüche, wenn keine
Mittel aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen vorhanden sind und keine Zuwendungen
Dritter erfolgen.

Zitat Randziffer 134:
a) Art. 1 Abs. 1 GG erklärt die Würde des
Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche
Gewalt, sie zu
achten und zu schützen (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 115, 118 <152>).
Als Grundrecht ist die Norm nicht nur Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates.
Der Staat muss die Menschenwürde auch positiv schützen (vgl. BVerfGE 107, 275
<284>; 109, 279 <310>). Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung
eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er
sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch
Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum
Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen
Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen
Voraussetzungen dafür dem Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Dieser
objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein
Leistungsanspruch des Grundrechtsträgers, da das Grundrecht die Würde jedes
individuellen Menschen schützt (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>) und sie in
solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden
kann.


Kommentierung von Randziffer 134:

1.
Allgemeines
In der Begründung wird ausgeführt, dass der Gesetzgeber die
Menschenwürde „positiv“ zu
schützen hat. Er ist verpflichtet, dafür zu
sorgen, dass Hilfebedürftige über die materiellen Existenzgrundlagen verfügen.
Dieser Verpflichtung ist die Bundesrepublik Deutschland bisher nicht
nachgekommen, denn die Sanktionsmöglichkeiten hätten weitestgehend aufgehoben
werden müssen. Sanktionen sind nur in den Fällen möglich, bei denen das
Existenzminimum überschritten ist, vergl. nachfolgende Kommentierung in den
Punkten 2. bis 4..

2. Erwerbstätigkeit
Einkommen aus Erwerbstätigkeit
werden bis auf die Freibeträge auf die Leistungen angerechnet. Sanktionierbar
wären Freibeträge bei Erwerbstätigkeit, da sie über das Existenzminimum
hinausgehen.

3. Vermögen
Vermögen über den geschützten Bereich hinaus
werden bereits mit Leistungszahlungen verrechnet. Es bliebe ein Zugriff auf das
Restvermögen. Es wäre jedoch verfassungsrechtlich zu prüfen, ob dann
Gleichheitsgrundsätze verletzt würden. Eine bestimmte, individuell
beispielsweise durch Wohneigentum noch weiter differenzierbare Menge, ist zur
Sicherung persönlicher Lebensumstände jedoch erforderlich. Es ist niemandem
zumutbar, mit dem „Damoklesschwert“ eines finanziellen unvorhersehbaren Bedarfs
zu leben. Es entspricht der Natur des Menschen, Sicherheiten aufzubauen. Die
Wegnahme dieser Sicherheiten beeinträchtigt die grundgesetzlich geschützte Würde
des Menschen und bedürfte der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Im
übrigen ist dieser Fall im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nicht bestimmt. Eine
Sanktion mit dem Verweis auf Vermögen wäre wegen der Unbestimmtheit bereits
daher verfassungsrechtlich bedenklich.

4. Zuwendungen
Dritter
Zuwendungen Dritter können nicht verfügt werden. Nur tatsächliche
freiwillige Leistungen Dritter zum Lebensunterhalt könnten verrechnet werden.
Unter Randziffer 135 werden die Ansprüche blockmäßig aufgeschlüsselt Dies
bezieht sich auf die Ermittlung der Höhe des Regelsatzes und nicht auf den
Anspruch. Auf ein Zitat und einen Kommentar kann daher verzichtet
werden.

Unter Randziffer 136 wird klargestellt, dass die Leistungen durch
einen gesetzlichen Anspruch zu sichern sind. Auf freiwillige Leistungen des
Staates oder Dritter darf nicht verwiesen werden. Auch hier wird bestimmt, dass
der Staat zur Sicherung des Existenzminimums verpflichtet ist.

Zitat
Randziffer 136:
c) Die Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies
verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Ein
Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter
verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des
Hilfebedürftigen gewährleistet ist. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz
erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem
zuständigen Leistungsträger enthält. Dies findet auch in weiteren
verfassungsrechtlichen Grundsätzen seine Stütze. Schon aus dem Rechtsstaats- und
Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die
Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen (vgl.
BVerfGE 108, 282 <311> m.w.N.). Dies gilt in besonderem Maße, wenn und
soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz geht
(vgl. BVerfGE 33, 303 <337>; 40, 237 <249>). Zudem kann sich der von
Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen
eines Gesetzes entfalten und konkretisieren (vgl. BVerfGE 59, 231 <263>).
Schließlich ist die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen
finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden. Derartige
Entscheidungen sind aber dem Gesetzgeber vorbehalten. Dafür reicht das
Haushaltsgesetz nicht aus, weil der Bürger aus ihm keine unmittelbaren Ansprüche
herleiten kann (vgl. BVerfGE 38, 121 <126>).

Unter Randziffer
137 erfolgt ein weiterer und der letzte Bezug auf den Anspruch eines
Grundrechtsträgers
auf die Gewährleistung des Existenzminimums durch den
Staat. Es wird hier betont, dass stets der gesamte existenznotwendige Bedarf
gedeckt sein muss. Zeitweilige Unterschreitungen durch Hartz IV Sanktionen
werden auch durch diese Formulierung nochmals ausgeschlossen.

Zitat
Randziffer 137:
Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet
sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen
Grundrechtsträgers deckt (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 91, 93 <112>;
99, 246 <261>; 120, 125 <155 und 166>). Wenn der Gesetzgeber seiner
verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend
nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung
verfassungswidrig.

Die Begründung unter Randziffer 148 führt aus,
dass das Existenzminimum durch den Regelsatz und weitere Leistungen dargestellt
wird. Das Grundrecht wird materiell konkretisiert. Eine Unterdeckung von
Regelsatz, Kosten der Unterkunft und weiterer zum Existenzminimum gehörender
Leistungen ist in Verbindung mit den obigen Begründungen nicht
zulässig.

Zitat Randziffer 148:
a) Die Regelleistung zur Sicherung
des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F.
beziehungsweise in § 20 Abs. 1 SGB II n.F. sowohl dazu, die physische Seite des
Existenzminimums sicherzustellen, als auch dazu, dessen soziale Seite
abzudecken, denn die Regelleistung umfasst in vertretbarem Umfang auch die
Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Anderen von der
verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums umfassten Bedarfslagen wird
im Sozialgesetzbuch Zweites Buch durch weitere Ansprüche und Leistungen neben
der Regelleistung Rechnung getragen. Die Absicherung gegen die Risiken von
Krankheit und Pflegebedürftigkeit wird durch die Einbeziehung von
Arbeitslosengeld II- und Sozialgeldempfängern in die gesetzliche Kranken- und
Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a und § 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2a und § 25 SGB XI und die Leistungen zur freiwilligen bzw. privaten Kranken-
und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II gewährleistet. Besonderer Mehrbedarf
wird zum Teil nach § 21 SGB II gedeckt. § 22 Abs. 1 SGB II stellt die Übernahme
angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf
sicher.

Zusammenfassung
- Das Bundesverfassungsgericht hat
in seinem Urteil vom 09.02.2010 nicht nur über die Höhe der beklagten Regelsätze
entschieden, sondern hat darüber hinaus als Voraussetzung der Bestimmbarkeit der
Regelsatzhöhe ein neues Grundrecht auf die Gewährleistung des Existenzminimums
definiert.

- Die Bundesrepublik Deutschland hat „positiv“, d. h. aktiv
und vorauseilend in der Gesetzgebung dafür zu sorgen, dass jedem
Hilfebedürftigen die materiellen Voraussetzungen für ein Leben in Würde stets
gegeben sind. Einschränkungen sind absolut ausgeschlossen. Diesem Auftrag ist
der Gesetzgeber bisher nicht nachgekommen. Eine neue Grundrechtsdefinition
erteilt dem Gesetzgeber einen Auftrag auf die gesetzliche Ausformung.

-
Grundrechte dürfen nach Artikel 19 Grundgesetz in ihrem Wesensgehalt nicht
angetastet werden. Die Sanktionsregelungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
steht im völligen Gegensatz dazu. Auch nicht ansatzweise wird dem Grundrecht im
Vollzug des SGB-II entsprochen. Auf eine weitere umfassende Begründung der
Verfassungswidrigkeit von Sanktionen von Isabel Erdem und dem
Bundesgerichtshofrichter a. D. Wolfgang Neskovic vom April 2012 in der
Zeitschrift „Die Sozalgerichtsbarkeit“ wird verwiesen.




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