5
Jun
2013

Wer hier aufwachse, müsse sich ständig verteidigen, Klischees widerlegen, beweisen, nicht kriminell und «unzivilisiert» zu sein.

«Die wachsende Kluft ist der
Hauptgrund»
 
[via Nachdenkseiten]
 


Zuerst brannten Autos und Abfallcontainer. Dann ein
Polizeirevier. Und schliesslich eine Schule. Unerwartet kam der Ausbruch im
Stockholmer Aussenbezirk Husby nicht. (…) Zwischen 1965 und 1975, zu
sozialdemokratischer Regierungszeit, waren überall in Schweden die neuen Vororte
hochgezogen worden: eine Million Wohnungen zur Behebung der Wohnungsnot. Viele
Quartiere wie Husby waren als reine Wohnstädte konzipiert. SoziologInnen warnten
damals schon vor einem «riskanten Wohnexperiment» und sprachen von «Menschen als
Versuchskaninchen».
 
Doch warum die Explosion jetzt? «Die Ursachen haben sich über Jahre
aufgetürmt», sagt Khamisi: Wer hier aufwachse, müsse sich ständig verteidigen,
Klischees widerlegen, beweisen, nicht kriminell und «unzivilisiert» zu sein.
Jahrelang habe man friedlich protestiert, Versammlungen abgehalten, Politiker
eingeladen, niemanden habe das interessiert. Erst jetzt, als Steine flogen und
Autos brannten, seien die Medien plötzlich da. (…) Tapio Salonen,
Sozialwissenschaftler an der Universität Malmö, macht eine «dramatische
Veränderung» der Gesellschaft verantwortlich. Die Schere zwischen Arm und Reich
habe sich immer weiter geöffnet, diese Entwicklung sei in den vergangenen fünf
bis sieben Jahren noch beschleunigt worden.
 
Vor einem Jahr veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung OECD einen Bericht, demzufolge in keinem
westlichen Industrieland die Einkommensunterschiede seit den neunziger Jahren so
stark gestiegen sind wie in Schweden. Dazu beigetragen hat Reinfeldts
Mitte-rechts-Regierung, die innerhalb von sechs Jahren viermal die Steuern für
Gutbetuchte senkte, gleichzeitig den öffentlichen Sektor abbaute und umfassende
Privatisierungen vornahm. In Husby wurden das öffentliche Gesundheitszentrum,
ein Jugendtreffpunkt, eine Schule und mehrere Kinderfürsorgeeinrichtungen
geschlossen. «Die wachsende Kluft ist der Hauptgrund, nicht die ethnische
Zusammensetzung der Bevölkerung», sagt Salonen.

Quelle:
WOZ

Anmerkung unseres Lesers G.K.:

Die nach Schweden zweitstärkste Zunahme bei der Einkommensungleichheit
seit den 90er Jahren verzeichnet Deutschland.




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