Hartz 5 - Ein Hartz IV-Roman [die Leseanempfehlung via scharf-links.de]
IV-Roman
von Peter Hetzler
[via scharf-links.de]
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So einen Hartz IV-Roman gab
es noch nie. Hier lernt man nicht nur die kafkaesk anmutenden und teilweise
entwürdigenden Bedingungen kennen, denen Hartz IV-Bezieher unterworfen sind.
Hier gibt es auch die Erwerbsloseninitiative Hartz 5, deren
Mitglieder die Jobcenterbürokratie mit unkonventionellen Methoden und
anarchischem Witz aufmischen.
Ein informativer,
authentischer und unterhaltsamer Roman über eines der großen sozialen Probleme
unserer Zeit und ein diebisches Lesevergnügen. Der 1955 geborene Autor ist
Journalist (Schwerpunkt Sozialpolitik) und Mitarbeiter einer Erwerbslosengruppe.
Viele der geschilderten Situationen haben sich so oder ähnlich tatsächlich
zugetragen.
Leseprobe Peter Hetzler |
Hartz 5 Ein Hartz IV-Roman | Kapitel 1 1 Sie kamen am frühen Morgen und
klingelten sich in ihren Schlaf. SanSan drehte sich um, aber sie klingelten
weiter. Es nervte. Es drängte. Es klingelte Sturm. Wer konnte das sein? Um diese
Uhrzeit??? Gefühlsmäßig schätzte sie die Zeit auf fünf. Maximal. Aber die Zeiger
des Weckers, den sie anblinzelte, standen auf zehn nach sieben. Es klingelte
wieder. Scheiße, dachte sie, als sie in Pulli und Jeans krabbelte: Wer,
verdammt, konnte das sein?
Ihren Anblick im Spiegel
ignorierte sie. Mit ihren schulterlangen braunen Haaren, die ihr ungekämmt ins
Gesicht fielen, sah sie ziemlich verwuselt aus. Kaum hatte sie geöffnet, standen
sie in der Wohnung. Guten Tag, sind Sie Frau Sanders Sandra Sanders? fragte
der Mann. SanSan blinzelte. Müde. Steht an der Klingel, oder? Da steht
SanSan. Ist die Abkürzung. Schön, Frau Sanders. Mein Name ist Winter,
Bernhard Winter, und das, er zeigte auf das schüchterne kleine Ding, das
irgendwie neben ihm zu verschwinden schien, ist Frau Maiwald. Wir kommen vom
Jobcenter und wollten sehen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist.
Er wedelte mit einem
Ausweis, auf dem SanSan ohne Brille nichts erkennen konnte. Sie war noch halb in
ihrem Traum. Da hatte sie gerade ein ziemlich gut aussehender Typ angegraben.
Anscheinend stand er auf braunhaarige Frauen Anfang vierzig, die ein bisschen
molliger um die Hüften waren, denn er hatte seine warmen Hände gerade mit
sanftem Lächeln
Ja, dann wollen wir mal. Winter war in der Küche, bevor
SanSan in der Gegenwart angekommen war. Er sah nicht aus wie der feingliedrige
Lover aus ihrem Traum. Mehr wie Masse ohne Profil. Was soll das? SanSan
schlurfte unentschlossen hinter ihm und Maiwald her. Wissen Sie eigentlich, wie
spät es ist? Es ist schon nach sieben, und Sie sollten auf Arbeitssuche sein,
statt untätig im Bett zu liegen. Winter hielt ein Glas mit Nussnougatcreme in
der einen und ein Honigglas in der anderen Hand. Nutella und Langnese-Honig.
Können Sie sich von Ihrem Arbeitslosengeld Markenprodukte leisten, Frau
Sanders? SanSan lehnte sich gegen den Rahmen der Küchentür. Sie schüttelte den
Kopf.
Das war nicht wahr, oder?
Ich habe Ihnen eine Frage gestellt, Frau Sanders. Winter sah sie fordernd an.
Und ich habe Ihnen keine Antwort gegeben. SanSan wollte es nicht glauben. Es
geht Sie doch wohl nichts an, was ich mir morgens aufs Brot schmiere, oder? Da
irren Sie sich, Frau Sanders. Winter öffnete den Kühlschrank. Eier von
freilaufenden Hühnern. Wovon bezahlen Sie das, Frau Sanders? Sie wissen, dass
Sie jeden Verdienst angeben müssen? Ich weiß vor allem, dass ich diese Nummer
hier gerade ziemlich widerlich finde. Langsam kroch Wut in ihr hoch. Was soll
das? Wie ich schon sagte, Frau Sanders. Winter schloss die Kühlschranktür.
Wir sind Sozial-Detektive und besuchen im Auftrag des Jobcenters Hartz
IV-Empfänger, um Sozialbetrug aufzudecken. Ach und wieso kommen Sie da zu
mir? Routine, Frau Sanders, reine Routine. Wir schauen überall mal rein. Er
deutete auf Litschi-und Pitahayafrüchte in der Obstschale. Die sehen auch nicht
billig aus. Wo haben Sie die denn her? Die wachsen bei mir im Garten. Die
wachsen in Ihrem Garten? echote Winter. Diese Früchte?
Er hielt eine Pitahaya hoch
und drehte sie prüfend hin und her. Wie heißen die denn? Die heißen
Werdummfragtkriegtdummeantworten, und ich habe sie geschenkt bekommen. Und jetzt
möchte ich Sie bitten, meine Wohnung zu verlassen. Das ist mir echt zu blöd,
hier. So geht das nicht, Frau Sanders. Winter legte die Pitahaya in die
Schale zurück. Wenn Sie Nebeneinkünfte haben, muss das angegeben werden. Frau
Maiwald, er drehte sich zu seiner Kollegin, notieren Sie: Frau Sanders wird
aufgefordert, Ihrem Fallmanager eine Liste mit allen im vergangenen Monat
geschenkt bekommenen Lebensmittel aufzustellen.
Und wir, wandte er sich
wieder an SanSan, sind noch nicht fertig. Wir müssen auch die anderen Räume
ansehen. Aber ich bin mit Ihnen fertig. SanSan war jetzt wach. Also raus,
oder ich erstatte Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Winter war schon auf dem Weg
zu ihrem Schlafzimmer. Wir haben das Recht, Ihre Wohnung zu inspizieren, Frau
Sanders, das können Sie uns nicht verbieten, tönte er aus dem Flur. SanSan war
schneller. Sie drückte sich an ihm vorbei, zog die Schlafzimmertür, die er
öffnete, so schnell wieder zu, dass sie Winter, der den Kopf bereits halb im
Zimmer hatte, gegen die Stirn knallte.
Er schrie. Maiwald starrte
SanSan erschrocken an. Und jetzt raus hier. Alle beide. Sofort. SanSan hatte
den Flur durchquert und hielt die Wohnungstür auf.
Einen Moment lang passierte
nichts. Maiwald starrte Winter an. Winter starrte SanSan an.
Dann schob sich Winter, mit
der linken Hand die Stirn reibend, in den Flur, Maiwald folgte, und als SanSan
die Tür hinter ihnen ins Schloss fallen ließ, hörte sie Winter im Hausflur
krakeelen: Das wird Ihnen noch leid tun, Frau Sanders. Das wird Ihnen noch sehr
leid tun.
Copyright: © Peter Hetzler
2013 Weiterlesen in: Peter Hetzler: Hartz 5 Ein Hartz IV-Roman Printausgabe:
153 Seiten, Paperback, 9,90 Euro, ISBN 978-3-7322-3790-6, Books on Demand
E-Book: 5,49 Euro, ISBN 9783848282784
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VON: PETER HETZLER