19
Sep
2013

--->>> Warum ich am Sonntag die #Linke #wähle [via Nachdenkseiten]

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Warum ich am Sonntag die Linke wähle

 
[via Nachdenkseiten]
 
 

In Deutschland gelten Wahlempfehlungen
immer noch als Tabubruch. Es soll ja hierzulande sogar Ehepaare geben, bei denen
der eine Partner nicht weiß, was der andere wählt. Selbst unter politisch
interessierten und engagierten Menschen wird das Wahlgeheimnis meist so
ausgelegt, dass man seine Wahlentscheidung unter allen Umständen geheim halten
muss. Warum eigentlich?

Während hierzulande selbst politische
Journalisten aus ihrer persönlichen Wahlentscheidung ein großes Geheimnis
machen, gehört es in den USA zum guten Ton, dass Journalisten und politische
Kommentatoren nicht nur um den heißen Brei herumreden, sondern ihre Leser auch
an der elementarsten Frage in einer Demokratie teilhaben lassen. Diesem Beispiel
möchte ich gerne folgen[
*].

Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

http://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/130918_Warum_ich_Linke_waehle_NDS.mp3

 

CDU und FDP?

Die Regierungsparteien CDU und FDP spielen bei meiner persönlichen
Wahlentscheidung für den, der meine Artikel kennt, keine Rolle. Die FDP wirkt
immer mehr wie eine (schlechte) Parodie ihrer selbst und Angela Merkels Politik
ist nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa eine einzige Katastrophe.
Die Frage, warum Angela Merkel derart populär ist, zermartert wohl den meisten
ihrer Kritiker den Kopf. Auch ich habe keine Antwort auf diese Frage. Der bloße
Umstand, dass Angela Merkel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
Deutschland vier weitere Jahre „marktkonform“ regieren wird, ist sicher nicht
unbedingt motivationsstiftend für den Gang zur Urne. Das ist jedoch kein Grund,
den Kopf hängen zu lassen und die Flinte ins Korn zu werfen. Im Gegenteil – je
größer die politische Unvernunft der Mehrheit scheint, desto wichtiger ist es,
als (subjektiv) vernünftige Minderheit „nein“ zu sagen. Doch wen kann man
wählen, wenn man der Politik Merkels die rote Karte zeigen will?

SPD und Grüne

Wenn man sich die SPD im Wahlkampfendspurt anschaut, könnte man ja fast
glauben, dass die Genossen aus ihren Fehlern gelernt haben. Doch diese
Beobachtung wäre zu oberflächlich. Dass die SPD im Wahlkampf gerne links blinkt
und nach den Wahlen rechts abbiegt, ist nicht unbedingt neu. Und es gibt keinen
Grund, anzunehmen, dass sich daran in diesem Wahlkampf etwas geändert haben
könnte. Im Gegenteil. Mit der Wahl Peer Steinbrücks zum Spitzenkandidaten hat
die SPD sich bereits vor Beginn des eigentlichen Wahlkampfs weitestgehend auf
die Fortsetzung von Schröders Agaenda-Kurs festgelegt. Wir haben auf den
NachDenkSeiten unzählige Male die Politik Steinbrücks thematisiert und sind
mehrfach darauf eingegangen, dass es unglaubwürdig ist, dem Agenda-Freund und
Finanzmarktderegulierer Steinbrück das soziale Mäntelchen überzuwerfen.
Unabhängig von dieser Personalie muss man jedoch auch in Frage stellen, wie
ernst es der SPD überhaupt mit ihrem neuen Programm sein kann, wenn sie ohne
große Not die Umsetzung dieses Programms, was nach aller Voraussicht nur in
einer rot-rot-grünen Koalition möglich wäre, kategorisch auszuschließt. So lange
die SPD sich nicht glaubhaft von der Agenda 2010 distanziert und signalisiert,
dass für sie Themen wichtiger als Koalitionen sind, bleibt sie für mich
unwählbar.

Gleiches gilt auch für die Grünen. Was nutzt das beste Programm – und das
Wahlprogramm der Grünen ist keinesfalls schlecht -, wenn man mittels
„Ausschließeritis“ dafür sorgt, dass das Programm garantiert nicht umgesetzt
werden kann?

Die Linke und die Piraten

Regelmäßige Leser der NachDenkSeiten wird es sicher nicht überraschen, dass
meine Positionen in den Kernthemen, über die ich regelmäßig arbeite und
schreibe, große Überschneidungen zum Programm der Linken haben. Das fängt beim
Steuerkonzept (mit Einschränkungen) an, geht über das klare Bekenntnis zu einer
nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, der weitgehenden Übereinstimmung in
der Analyse der Ursachen der Eurokrise bis zur klaren Ablehnung weiterer
Privatisierungen. Auch wenn ich in Detailfragen und auf einigen Politikfeldern
dezidiert anderer Meinung bin, so überwiegen doch die Gemeinsamkeiten in den
Kernfragen.

Natürlich gibt es auch bei der Linken offene Fragen. So ist es durchaus zu
vermuten, dass einigen Karrieristen in der Partei, die dem sogenannten
„Reformerflügel“ angehören, das nötige Rückgrat fehlt und sie ihre Prinzipien
über Bord werfen, wenn sie erst einmal an den Trögen der Macht angekommen sind.
Diese Frage spielt jedoch für mich im Moment keine Rolle, da keine reale
„Gefahr“ besteht, dass die Prinzipientreue einiger Reformer nach den Wahlen
ernsthaft auf die Probe gestellt wird. Eine ähnlich untergeordnete Rolle spielen
für mich die Flügelkämpfe innerhalb der Partei. Es gehört nun einmal – ob man
das gut findet oder nicht – zu einer linken Partei dazu, dass es bei
inhaltlichen und personellen Fragen auch mal zu offenen Konflikten kommt. Das
mag stellenweise kontraproduktiv sein und ein schlechtes Bild nach außen
abgegeben. Die Alternative, eine Ein-Personen-Partei mit fast bedingungslosen
Kadavergehorsam und Korpsgeist, wie es beispielsweise die CDU ist, wäre für mich
jedoch noch schlimmer. Da ist mir eine streitlustige Linke schon lieber.

Besonders streitlustig waren bekanntlich auch die Piraten. Interessanterweise
ebbte das Interesse der Medien an den Piraten urplötzlich ab, als sie ihre
Personalstreitigkeiten einstellten und sich programmatisch auf der linken Seite
des politischen Spektrums einordneten. Während die Massenmedien die Linke mit
Vorliebe – gerne auch unter der Gürtellinie – attackieren, wurden die Piraten
mit der Höchststrafe des Kampagnenjournalismus belegt: sie werden, so gut es
geht, komplett ignoriert. Dabei lohnt es sich, einmal einen Blick auf das noch
lückenhafte Programm der jungen Partei zu werfen. Für Wähler, für die die Linke
– aus welchen Gründen auch immer – keine Option ist, könnten die Piraten
durchaus eine Überlegung wert sein.

Die entscheidende Frage

Wenn es eine Partei gäbe, die zu einhundert Prozent meine Positionen teilt,
dann hätte diese Partei wohl nur ein einziges Mitglied und wohl auch nur einen
einzigen Wähler – und zwar mich. Es ist vollkommen klar, dass die konkrete
Wahlentscheidung stets eine Abwägung verschiedener Positionen und Argumente ist.
Dies kann man als die Wahl des größten gemeinsamen Nenners oder auch etwas
boshafter als die Wahl des kleinsten Übels bezeichnen. Für mich ist die Linke,
vor allem wegen ihres Programms, kein kleineres Übel, sondern eine gute Wahl.
Daher werde ich meine Stimme in diesem Jahr der Linken geben. Damit steht
freilich fest, dass ich am Sonntag nicht zu den Wahlgewinnern gehören werde. Das
ist mir aber nicht so wichtig. Im Zweifelsfalle ist es besser, eine inhaltlich
überzeugende Opposition zu stärken, als sich zu früh mit den Siegern zu freuen.

P.s.: Auch wenn es eigentlich überflüssig sein sollte, dies zu erwähnen: Eine
Wahlentscheidung ist etwas anderes als ein Glaubensbekenntnis. Regelmäßige Leser
der NachDenkSeiten wissen, dass ich die Linke, dort wo es Not tut, auch ohne
Vorbehalte hart kritisiere. Und sollte sich meine Wahlentscheidung im Nachhinein
als Fehler herausstellen, bin ich auch der Erste, der dies offen eingesteht. Als
ehemaliger SPD- und Grünen-Wähler hat man damit schließlich Erfahrung.

 

[«*]
Dieser Artikel beschreibt meine persönliche Position und nicht unbedingt die
Position der NachDenkSeiten und/oder die Position anderer Personen im Umfeld der
NachDenkSeiten





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