vertiefend -->> Friedhelm Hengsbach: #Hartz IV - ein #Bürgerkrieg der #politischen #Klasse gg. #arm #Gemachten
Friedhelm Hengsbach: Hartz IV
ein Bürgerkrieg der politischen Klasse
gegen die arm Gemachten
gegen die arm Gemachten
(Nachdenkseiten)
Auf GEGENBLENDE geht der wohl
profilierteste Hartz IV-Kritiker Friedhelm Hengsbach in die Substanz dieser
Reform, die jetzt schon den Ausgrenzungsdiskurs (s. Sarrazin, Sloterdijk u. a.)
unserer Gesellschaft nachhaltig geprägt hat
profilierteste Hartz IV-Kritiker Friedhelm Hengsbach in die Substanz dieser
Reform, die jetzt schon den Ausgrenzungsdiskurs (s. Sarrazin, Sloterdijk u. a.)
unserer Gesellschaft nachhaltig geprägt hat
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Ein grober Denkfehler besteht in der
Individualisierung gesellschaftlicher Risiken. Massenarbeitslosigkeit, schwere
Krankheit, Altersarmut und in einer patriarchalen Gesellschaft die
Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht sind gesellschaftliche Risiken, deren
Eintritt nicht den davon betroffenen Individuen angelastet werden darf. Der
Appell an die Eigenverantwortung ist methodisch ein Fehlschluss, weil
individuelle Erklärungsmuster an die Stelle gesamtwirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Analysen treten. Appelle an tugendsame, arbeitsorientierte
Einstellungen laufen ins Leere angesichts von fünf Millionen registrierten und
versteckten Arbeitslosen und weniger als einer Million offener Stellen.
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Der zweite Denkfehler besteht darin,
dass zum einen die Güter- und Finanzmärkte als logische Orte individueller
Akteure mit extrem selektiven, ausschließlich monetären Interessen konstruiert
werden, die dazu noch von der ursprünglichen Verteilung der Kaufkraft und vom
angeblich individuellen Leistungsvermögen abhängen, und dass zum andern auf
den Arbeitsmärkten unter atomistischen Wettbewerbsbedingungen ein Tausch
individueller Akteure, nämlich des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zustande
kommt. Beide Prämissen sind idealtypisch, aber wirklichkeitsfremd. Denn
tatsächlich werden die Arbeitsverhältnisse von zwei kollektiven
Verhandlungspartnern vereinbart. Und vor allem ist das Arbeitsvermögen keine
Ware wie ein Gebrauchtauto. Sie ist für die abhängig Beschäftigten etwas
Notwendiges, weil sie darauf angewiesen sind, durch die Überlassung ihres
Arbeitsvermögens an einen fremden Kapitaleigner ihren Lebensunterhalt zu
gewinnen. Gleichzeitig ist sie etwas ganz Persönliches, weil das
Arbeitsvermögen nicht vom Subjekt der Arbeit getrennt werden kann, weil
diejenigen, die ihr Arbeitsvermögen auf dem angeblichen Arbeitsmarkt anbieten,
sich selbst einem fremden Willen unterwerfen müssen. -
Der dritte Denkfehler besteht in der
selektiven Deutung rein monetärer Bestimmungsgrößen des Arbeitsangebots. An
den physischen und vor allem sozialpsychischen Folgen der Arbeitslosigkeit
kann abgelesen werden, dass ein ganzes Bündel materieller, mentaler und
gesellschaftlicher Motive die Arbeitslosen dazu anleitet, sich an der
gesellschaftlich organisierten Arbeit zu beteiligen. Der Wunsch nach einer
guten Arbeit, die ein angemessenes Einkommen bietet, die sicher ist und eine
Lebensplanung in gelingender Partnerschaft erleichtert, die gesellschaftliche
Anerkennung vermittelt und zur Entfaltung der eigenen Kompetenzen beiträgt,
hat etwas mit der persönlichen Würde derer zu tun, die arbeiten. Es ist
einzusehen, dass ein arbeitsloser ausgebildeter Ingenieur eine
Arbeitsgelegenheit beispielsweise als Hausmeister eines Krankenhauses
akzeptiert, nicht jedoch als Garten- und Blumenpfleger in derselben
Einrichtung. -
Der vierte Denkfehler liegt in dem
höchst fragwürdigen Maßstab der Produktivität, dem gemäß das wirtschaftliche
Leistungsvermögen eines Arbeit suchenden Arbeitslosen, aber auch der meisten
Erwerbstätigen ermittelt wird. Die gesellschaftlich höchst bedeutsame Leistung
einer Person, die privat Kinder erzieht, den Haushalt besorgt und Kranke
pflegt, gilt nicht als wirtschaftliche Leistung, wohl aber das Zählen von
Banknoten eines Sparkassenangestellten. Wirtschaftliche Leistung wird
definiert durch die Kaufkraft derer und ihre ursprüngliche Verteilung unter
denjenigen, die eine solche Leistung nachfragen. In einem gemeinsamen
Produktionsprozess kann der Anteil der einzelnen Erwerbstätigen an dem
Endergebnis ihrer Arbeit eh nichtpräzise zugerechnet werden. Deshalb sind
manche Formen der Entlohnung, die unter Druck einer Seite zustande kommen,
rechtswidrig. Das gilt in der Regel für die 1 Euro-Jobs.
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Ein fünfter Denkfehler besteht in dem
Ausblenden von Marktmacht. Die moderne Arbeitsgesellschaft hat das Erbe der
Feudalgesellschaft nicht abgestreift. Die Bauernbefreiung hat den Leibeigenen
die freie Wahl des Wohnorts, der Partnerin und des Arbeitgebers beschert, aber
auch den Verlust ihrer Existenzgrundlage. Die Feudalherren wurden jedoch nicht
von ihrem Grund-, Sach- und Geldvermögen befreit. So gehören bis heutzutage
einer Minderheit der Bevölkerung die Produktionsmittel, so dass diese die
Wirtschaft in ihrem Interesse steuert, während die Mehrheit über kein anderes
Vermögen als über das Arbeitsvermögen verfügt. Folglich ist eine strukturell
ungleiche Verhandlungsposition beim Abschluss des angeblich freien
Arbeitsvertrags geblieben. Der Arbeitgeber ist zwar auf fremde Arbeit
angewiesen, um sein Vermögen rentabel verwerten zu können. Aber die
Vereinbarung zwischen ihm und dem Arbeitnehmer erfolgt nicht auf gleicher
Augenhöhe, sondern unter ungleichen Bedingungen. Der Arbeitgeber kann warten,
der Arbeitnehmer steht unter Zeitdruck. Ungleiche Verträge sind in der Regel
Zwangsverhältnisse und ungerecht. Dies gilt für den regulären Arbeitsvertrag,
der nichtsolidarisch abgesichert ist. Und dies gilt erst recht für die
Eingliederungsvereinbarungen, die den Arbeit suchenden erwerbslosen
Bürgerinnen und Bürgern eines demokratischen Staates das Recht verweigern,
eine Arbeitsgelegenheit, die ihnen angeboten wird, sanktionsfrei abzulehnen.
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In der Phase des Finanzkapitalismus
spitzt sich das Ausblenden dieser Schieflage wirtschaftlicher Macht zu einem
sechsten Denkfehler zu. Die Unternehmen werden nicht mehr als Personenverband,
sondern als Kapitalanlage in den Händen der Aktionäre gesehen. Die
Finanzmärkte, die von Großbanken, Versicherungskonzernen und
Kapitalbeteiligungsgesellschaften dominiert sind, kontrollieren die
Unternehmen über eine reine Finanzkennziffer, denshareholder value, und die
Aktienkurse. Die Manager bedienen ausschließlich die Interessen der
Anteilseigner, die Interessen derer, die sich im und für das Unternehmen
engagieren, nämlich Belegschaften, die Verbraucher und die öffentliche Hand
spielen eine nachrangige Rolle. Gemäß der finanzkapitalistischen Logik werden
die Anteile der Belegschaft, der natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen
an der gemeinsam erarbeiteten Wertschöpfung als Kosten definiert und mit einem
möglichst niedrigen Entgelt abgefunden, die Anteile der monetären Ressourcen
an der Wertschöpfung nämlich das Fremd- und Eigenkapital werden mit dem
Unternehmenszweck identifiziert und möglichst hoch entgolten. Wie sehr die
Finanzmärkte die nationalen Regierungen zu erpressen imstande sind, ist an der
rigiden Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die zu den Hartz IV Regelungen
geführt hat, ablesbar.
Quelle: Gegenblende http://www.gegenblende.de/05-2010/++co++6f6f8f10-cbbb-11df-60c5-001ec9b03e44
leviathan0712 - 1. Okt, 11:51