22
Sep
2013

Rettet die Neugier!Gegen die Akademisierung der Kindheit gleich um 11:04 Uhr in "Fragen an d. Autor" auf #sr2 [Radio]

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Fragen an den
Autor
 
 
Sonntag, 22.09.2013
11:04 bis 12:00
Uhr
 
[via
sr2.de]
 

 

Dr. Salman Ansari: Rettet die Neugier!

Gegen die Akademisierung der Kindheit

Salman Ansari - Rettet die Neugier (Buchcover) (Foto: Buchverlag) 
Buchcover: Krüger Verlag

Fakt ist, dass Kleinkinder im Wortsinne neu-gierig sind.

Fakt ist auch, daß diese Neugier im Schulalltag kaum zu finden
ist,

besonders in naturwissenschaftlichen Fächern.

Was läuft da falsch in Sachen Frühförderung?

Stülpen wir den Kindern unsere Denkweise über?

Nehmen wir die „naive“ Herangehensweise und die Lernfähigkeit
des Körpers nicht ernst genug?

Müssen wir deutlich machen, was gerade die MINT-Fächer
(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)

mit der Bewältigung von Alltagsproblemen zu tun haben?

Moderation: Jürgen Albers




20
Sep
2013

die Exportüberschüsse + d. Rekordgewinne exportorientierter Unternehmen weiter auf Kosten d. Arbeitnehmerentgelte gehen

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Sie haben es in der Hand

 
[via Nachdenkseiten]
 
 

Lassen Sie sich nicht durch Plakate
verführen und vergessen Sie die schönen Wahlversprechen der Politiker/innen und
in den Wahlkampfspots der Parteien im Fernsehen!
Werfen Sie einfach einen
Blick auf die Wirklichkeit und fragen sich einmal an Hand von Fakten, ob es so
weitergehen kann und soll wie bisher!

Damit Sie sich ein tatsächliches Bild
machen können, schauen Sie doch einfach die folgenden Abbildungen der
Wirklichkeit an.

Es muss Ihnen ja nicht schlecht gehen,
wenn Sie wollen, dass es allen besser geht. Die Wahl ist eine der wenigen
Möglichkeiten in unserer Demokratie, wo es im Wortsinne in Ihrer Hand liegt, ein
politisches Signal für eine andere Politik zu setzen. Ich möchte Ihnen dazu
einen „Wahl-O-Mat“ anbieten, der sich nicht an Wahlversprechen, sondern an den
Ergebnissen der Politik der letzten Jahre orientiert, damit Sie besser erkennen
können, wo politischer Veränderungsbedarf besteht.

Von Wolfgang Lieb

Wenn Sie damit
einverstanden sind

- dass der von der jetzigen Regierung durchgesetzte
Austeritäts- und Verarmungskurs für Europa weiter fortgesetzt
wird und so die Arbeitslosigkeit mit derzeit fast 20 Millionen arbeitslosen
Menschen weiter steigt oder über lange Jahre kaum abnehmen wird,

Austeritäts- und Verarmungskurs

Quelle: de.statista.com

- dass Deutschland, statt die Löhne zu erhöhen, um die
Binnennachfrage anzukurbeln, statt unsere Exportabhängigkeit,
mit der wir Arbeitsplätze bei unseren Nachbarn vernichten, noch weiter
voranzutreiben,

Exportabhängigkeit

Quelle: bdex.de [PDF - 25 KB]

- dass die Exportüberschüsse und die
Rekordgewinne exportorientierter Unternehmen weiter auf Kosten der
Arbeitnehmerentgelte
und damit auf Kosten des Konsums, d.h. des
allgemeinen Wohlstandes der Bevölkerung gehen,

Exportüberschüsse auf Kosten der Arbeitnehmerentgelte

Quelle: querschuesse.de

- dass durch niedrige Löhne und prekäre Beschäftigung die
Inlandsnachfrage, also vor allem die Nachfrage bei nicht
exportierenden kleinen und regional gebundenen Unternehmen und Selbstständigen
weiter sinkt,

Inlandsnachfrage sinkt

Quelle: FTD

- dass wir unsere
Leistungsbilanzüberschüsse weiter nach oben treiben, so dass
sich auch andere Länder außer Griechenland, Portugal, Spanien, Italien,
Frankreich durch die Waren die sie aus Deutschland abkaufen, so weit Verschulden
(müssen), dass auch sie ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können,

Leistungsbilanzüberschüsse

Quelle: Bundeszentrale
für politische Bildung

Merke: Die Forderungen Deutschlands aus den
Leistungsbilanzüberschüssen sind immer gleich hoch wie die Schulden der
anderen

Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau

- dass wir unsere Europäischen Nachbarn aufgrund geringerer
Lohnstückkosten weiter niederkonkurrieren,

Lohnstückkosten

Quelle: NachDenkSeiten
[PDF - 80 KB]

- dass, wenn die Lohnstückkosten der anderen europäischen
Länder den deutschen angepasst und um 20 oder gar 30 Prozent gesenkt werden, es
allen Europäer schlechter geht und uns nicht besser ginge, ja, dass im Gegenteil
zur Verteidigung der „Wettbewerbsfähigkeit“ in Deutschland weiterer Druck
entstünde, die Löhne noch weiter zu senken,

- dass sich bei unseren Nachbarn in Europa das Bild vom übermächtigen
„hässlichen Deutschen“ immer weiter verfestigt

der hässliche Deutsche

und Europa wieder auseinandergetrieben wird, bis wir auch mit unserem
„Wirtschaftsstandort“ wieder alleine stehen und durch den dabei sofort
entstehenden Aufwertungsdruck auf den „deutschen Euro“ über Nacht ein
verheerender Einbruch passieren könnte,

- dass unsere künftigen Export-„Erfolge“ mit einem weiteren
Anstieg des Niedriglohnsektors mit inzwischen schon knapp 8
Millionen Menschen erkauft werden,

Niedriglohnsektor

Quelle: IAQ [PDF - 1
MB]

- dass unsere Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit mit
unsicherer und niedrig bezahlter Leiharbeit (und inzwischen
sogar auch Werkverträgen) weiter erhöhen,

Leiharbeit

Quelle: Bundesagentur
für Arbeit [PDF - 345 KB]

- dass immer mehr Erwerbstätige, die mehr arbeiten wollen,
in (teilweise mehrfache) Teilzeitarbeit abgedrängt werden,

Teilzeitarbeit

Quelle: DGB
[PDF - 615 KB]

- dass der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt nicht mit einem
höheren Arbeitsvolumen und damit mehr Beschäftigung, sondern überwiegend mit der
Verteilung der Arbeit auf mehr Köpfe mit weniger Arbeit
einhergeht,

Verteilung der Arbeit auf mehr Köpfe mit weniger Arbeit

Quelle: DIW
[PDF - 340 KB]

- dass immer mehr Erwerbstätige ALG II Empfänger
„aufstocken“ müssen, um mit ihrer Arbeit auch nur das
Existenzminimum zu erwirtschaften und der Staat allein von 2007 bis 2011 53
Milliarden
für Aufstocker an Lohnsubventionen für Arbeitgeber bezahlt hat,
statt einen Mindestlohn einzuführen,

Erwerbstätige ALG II Empfänger

Quelle: Sozialpolitik
aktuell [PDF - 130 KB]

- dass die Mietpreise immer weiter steigen
und sogar schon Familien aus der Mittelschicht
unter Armutsdruck
setzen,

Mietpreisexplosion

Quelle: DGB

- dass der „Steuersenkungswahn“ weitergeht
und die Öffentlichen Hände ausbluten, die Straßen, Brücken, Krankenhäuser,
Schulen usw. immer mehr verrotten, weil der Staat vor allem die Steuern für
Unternehmen, Kapitalerträge und für die besonders Wohlhabenden gesenkt hat,

Steuersenkungswahn

Quelle: boeckler.de

- dass hohe Einkommen und Vermögen immer weniger zum
Steueraufkommen
beitragen,

Vermögen wird immer weniger besteuert

Quelle: annotazioni.de

- dass deshalb öffentliche Investitionen und
Finanzmittel zur Erhaltung des Sozialstaats
bei uns immer weiter
absinken,

öffentliche Investitionen

Quelle: Gegenblende

- dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher
werden und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung immer unstabiler wird,

Arme immer ärmer und die Reichen immer reicher

Quelle: IMK

- dass das Armutsrisiko immer weiter
steigt, wo doch schon mehr als jeder
Sechste
der Bevölkerung Deutschlands und dabei vor allem Kinder und
Jugendliche armutsgefährdet sind,

Armutsrisiko

Quelle: DIW
[PDF - 90 KB]

- oder dass es so bleibt, dass in keinem anderen Land die
Bildungschancen so sehr vom Status ihrer Eltern abhängen,

Bildungschancen

Quelle: 20. Sozialerhebung
des Deutschen Studentenwerks

Wenn Sie sich mit allen diesen Tatsachen abfinden und wollen, dass
alles so weiter geht wie bisher, dann, aber wirklich nur dann können Sie am
Sonntag Angela Merkel, die CDU/CSU und die FDP wiederwählen!

Das gleiche gilt übrigens auch für die Landtagswahl in
Hessen!

Wenn Sie wollen, dass wir in Deutschland auf einem noch strammeren
wirtschaftsliberalen Kurs noch schneller kentern, dann mögen Sie die
„Alternative für Deutschland“ (AfD) wählen!

Wenn Sie wollen, dass sich an einigen Stellen vielleicht ein klein
wenig verbessert, sich aber im Wesentlichen nichts ändert, dann mögen Sie auf
eine Große Koalition von CDU/CSU und SPD oder auf Schwarz-Grün setzen!

Wenn Sie aber wollen, dass wenigstens die Chance auf eine Alternative
zu den „Uns-geht-es gut“-Schönredner/innen erhalten bleibt, dann sollten Sie
zumindest auf eine linke Mehrheit jenseits der sog. „Mitte“ bauen und mit Ihrem
Kreuz auf dem Stimmzettel ein Signal setzen, dass Sie sich als Bürgerin oder
Bürger gegen das selbsternannte „bürgerlichen Lager“ wehren und anmahnen, was
Sie von einer neuen Regierung Anderes erwarten.

Ein deutlicher Fingerzeig wäre, wenn Sie für Rot-Rot-Grün stimmten
und sich gerade deshalb überwinden könnten, tatsächlich auch Links zu votieren,
damit wenigstens ein Stachel im Fleisch der Selbstzufriedenen und der
wirtschaftlich Mächtigen und Einflussreichen stecken bleibt und in der
„Volksvertretung“ auch Millionen derjenigen eine Stimme behielten, die aufgrund
ihrer Lebenswirklichkeit schon längst resigniert haben und gar nicht mehr zur
Wahl gehen. Möglicherweise ließe sich damit eine weitere Spaltung unserer
Gesellschaft aufhalten.



Lobbyorganisation "Die Familien Unternehmer" Stimmung gegen die Vermögenssteuer macht [die allwissend qua BGB Gebenden]

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WAHL-BILD und Co. – Endspurt der
Pro-Merkel-PR

 
[via Nachdenkseiten]
 
 
 

Morgen verteil die
Bild-Zeitung gratis an 41 Millionen Haushalte eine „WAHL-BILD“: „Damit GANZ
Deutschland wieder Lust auf Demokratie und Politik bekommt.“ Gesponsert offenbar
auch von der Deutschen Bank soll unter der Balkenüberschrift „Prost Wahlzeit!“
und mit mehr oder weniger platten Spaßparolen („Ab ins (Wahl)Lokal“, „Ran an die
Urne“, „Je mehr Prozent, desto besser!“) und dazu noch mit einem Gewinnspiel
vordergründig parteipolitisch neutral Lust aufs Wählengehen gemacht werden.
Exklusiv sollen dann aber die Altkanzler Helmut Kohl & Gerhard Schröder
erklären „Warum diese Wahl so wichtig ist…“

Doch Kohl und Schröder sind
eine eindeutige Botschaft für das Weiter-so in der deutschen Politik. Auch die
tägliche Bild-Zeitung erklärt sich selbst als „unabhängig“ und „überparteilich“
und täglich kann man nachlesen, für welche Interessen dieses Kampagnenblatt
Meinung macht und wie offen parteiisch dort für Merkel und die FDP geworben
wird.

Von Jens Berger und Wolfgang
Lieb


Damit aber nicht genug,
auch das „Große Geld“ macht mal wieder Wahlkampf für Merkel.
In einer
ganzseitigen Anzeige macht die Tengelmann Unternehmensgruppe (u.a. Kik,
Kaiser`s, Obi) Werbung für die „Raute“:

Im Zweifel für die Raute

Plumper geht es kaum. Und die Tengelmann Unternehmensgruppe weiß, was sie an
Merkel hat: Nichts gegen Ausbeutung und unmenschliche Arbeitsbedingungen bei den
Lieferanten für KiK in Asien, nichts gegen Teilzeit-Jobs, nichts gegen
Niedriglöhne, nichts gegen Ausschnüffeleien von Mitarbeitern.

Nachdem Merkel mit einem „Postwurfspezial“ schon einmal die Post beanspruchte
an alle Haushalte einen Wahlwerbebrief Angela Merkels zu verteilen, wurde heute
noch einmal nachgelegt. In der eingeschweißten unadressierten Postwurfsendung
der Deutschen Post AG, „Einkauf aktuell“, wurde heute das Gratis-TV-Programm mit
einer Originalwerbeanzeige der CDU an „6
Millionen konsumstarke Haushalte“
verteilt, dazu noch mit einem ganzseitigen
Interview der Kanzlerin auf der dritten Seite.

Damit Deutschland weiter gut regiert wird

Verleger und Herausgeber dieser Reklameschrift ist die Deutsche Post AG,
deren größte Einzelaktionärin mit einer Sperrminorität die staatseigene
KfW-Bankengruppe ist. Es wäre interessant zu wissen, zu welchen
Sonderkonditionen sich die CDU bei der Post für ihre Werbung „eingekauft“ hat.

Mit harten Bandagen geht auch die Lobbyorganisation „Die Familien
Unternehmer“ vor, die in zahlreichen regionalen und überregionalen Zeitungen auf
gewohnt platte Art Stimmung gegen die Vermögenssteuer macht. SPD, Grüne und
Linke werden dabei als Bedrohung für den Standort Deutschland präsentiert.

Die Familien Unternehmer
[Zur
Vergrößerung auf das Bild klicken]

Etwas subtiler geht da ein anderer klassischer Freund schwarz-gelber Politik
vor – die Zahnärzte. Der Verband Freier Zahnärzte hat im öffentlichen Nahverkehr
zahlreiche Werbeflächen für ein Plakat gebucht, dass Unterstützern der
Bürgerversicherung pauschal unterstellt, sie würden lügen. Auch hier ist die
Schlagrichtung klar, auch hier kommen die Pro-Merkel-Meinungsmacher ohne
Argumente aus.

Bürgerversicherung

Wenn auch Sie in ihrem Umfeld auf derlei plumpe Last-Minute-Kampagnen
privater Unternehmen und Verbände stoßen, die sich aktiv in die Politik
einmischen, schicken Sie uns doch bitte Beweisbilder. Wir werden die Bilder in
unseren Hinweisen des Tages in den kommenden Wochen veröffentlichen.

Sagen Sie nein zur WAHL-Bild

Wie bereits zur „BILD für
Alle“
haben die NachDenkSeiten auch dieses mal eigene Aufkleber entworfen,
mit denen Sie ihrem Briefträger signalisieren können, dass Sie die kostenlose PR
aus dem Hause Springer nicht wünschen.

Bitte kein WAHL-BILD einwerfen
[Zur
Vergrößerung auf das Bild klicken]

Bitte kein WAHL-BILD einwerfen
[Zur
Vergrößerung auf das Bild klicken]



19
Sep
2013

--->>> Warum ich am Sonntag die #Linke #wähle [via Nachdenkseiten]

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Warum ich am Sonntag die Linke wähle

 
[via Nachdenkseiten]
 
 

In Deutschland gelten Wahlempfehlungen
immer noch als Tabubruch. Es soll ja hierzulande sogar Ehepaare geben, bei denen
der eine Partner nicht weiß, was der andere wählt. Selbst unter politisch
interessierten und engagierten Menschen wird das Wahlgeheimnis meist so
ausgelegt, dass man seine Wahlentscheidung unter allen Umständen geheim halten
muss. Warum eigentlich?

Während hierzulande selbst politische
Journalisten aus ihrer persönlichen Wahlentscheidung ein großes Geheimnis
machen, gehört es in den USA zum guten Ton, dass Journalisten und politische
Kommentatoren nicht nur um den heißen Brei herumreden, sondern ihre Leser auch
an der elementarsten Frage in einer Demokratie teilhaben lassen. Diesem Beispiel
möchte ich gerne folgen[
*].

Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

http://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/130918_Warum_ich_Linke_waehle_NDS.mp3

 

CDU und FDP?

Die Regierungsparteien CDU und FDP spielen bei meiner persönlichen
Wahlentscheidung für den, der meine Artikel kennt, keine Rolle. Die FDP wirkt
immer mehr wie eine (schlechte) Parodie ihrer selbst und Angela Merkels Politik
ist nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa eine einzige Katastrophe.
Die Frage, warum Angela Merkel derart populär ist, zermartert wohl den meisten
ihrer Kritiker den Kopf. Auch ich habe keine Antwort auf diese Frage. Der bloße
Umstand, dass Angela Merkel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
Deutschland vier weitere Jahre „marktkonform“ regieren wird, ist sicher nicht
unbedingt motivationsstiftend für den Gang zur Urne. Das ist jedoch kein Grund,
den Kopf hängen zu lassen und die Flinte ins Korn zu werfen. Im Gegenteil – je
größer die politische Unvernunft der Mehrheit scheint, desto wichtiger ist es,
als (subjektiv) vernünftige Minderheit „nein“ zu sagen. Doch wen kann man
wählen, wenn man der Politik Merkels die rote Karte zeigen will?

SPD und Grüne

Wenn man sich die SPD im Wahlkampfendspurt anschaut, könnte man ja fast
glauben, dass die Genossen aus ihren Fehlern gelernt haben. Doch diese
Beobachtung wäre zu oberflächlich. Dass die SPD im Wahlkampf gerne links blinkt
und nach den Wahlen rechts abbiegt, ist nicht unbedingt neu. Und es gibt keinen
Grund, anzunehmen, dass sich daran in diesem Wahlkampf etwas geändert haben
könnte. Im Gegenteil. Mit der Wahl Peer Steinbrücks zum Spitzenkandidaten hat
die SPD sich bereits vor Beginn des eigentlichen Wahlkampfs weitestgehend auf
die Fortsetzung von Schröders Agaenda-Kurs festgelegt. Wir haben auf den
NachDenkSeiten unzählige Male die Politik Steinbrücks thematisiert und sind
mehrfach darauf eingegangen, dass es unglaubwürdig ist, dem Agenda-Freund und
Finanzmarktderegulierer Steinbrück das soziale Mäntelchen überzuwerfen.
Unabhängig von dieser Personalie muss man jedoch auch in Frage stellen, wie
ernst es der SPD überhaupt mit ihrem neuen Programm sein kann, wenn sie ohne
große Not die Umsetzung dieses Programms, was nach aller Voraussicht nur in
einer rot-rot-grünen Koalition möglich wäre, kategorisch auszuschließt. So lange
die SPD sich nicht glaubhaft von der Agenda 2010 distanziert und signalisiert,
dass für sie Themen wichtiger als Koalitionen sind, bleibt sie für mich
unwählbar.

Gleiches gilt auch für die Grünen. Was nutzt das beste Programm – und das
Wahlprogramm der Grünen ist keinesfalls schlecht -, wenn man mittels
„Ausschließeritis“ dafür sorgt, dass das Programm garantiert nicht umgesetzt
werden kann?

Die Linke und die Piraten

Regelmäßige Leser der NachDenkSeiten wird es sicher nicht überraschen, dass
meine Positionen in den Kernthemen, über die ich regelmäßig arbeite und
schreibe, große Überschneidungen zum Programm der Linken haben. Das fängt beim
Steuerkonzept (mit Einschränkungen) an, geht über das klare Bekenntnis zu einer
nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, der weitgehenden Übereinstimmung in
der Analyse der Ursachen der Eurokrise bis zur klaren Ablehnung weiterer
Privatisierungen. Auch wenn ich in Detailfragen und auf einigen Politikfeldern
dezidiert anderer Meinung bin, so überwiegen doch die Gemeinsamkeiten in den
Kernfragen.

Natürlich gibt es auch bei der Linken offene Fragen. So ist es durchaus zu
vermuten, dass einigen Karrieristen in der Partei, die dem sogenannten
„Reformerflügel“ angehören, das nötige Rückgrat fehlt und sie ihre Prinzipien
über Bord werfen, wenn sie erst einmal an den Trögen der Macht angekommen sind.
Diese Frage spielt jedoch für mich im Moment keine Rolle, da keine reale
„Gefahr“ besteht, dass die Prinzipientreue einiger Reformer nach den Wahlen
ernsthaft auf die Probe gestellt wird. Eine ähnlich untergeordnete Rolle spielen
für mich die Flügelkämpfe innerhalb der Partei. Es gehört nun einmal – ob man
das gut findet oder nicht – zu einer linken Partei dazu, dass es bei
inhaltlichen und personellen Fragen auch mal zu offenen Konflikten kommt. Das
mag stellenweise kontraproduktiv sein und ein schlechtes Bild nach außen
abgegeben. Die Alternative, eine Ein-Personen-Partei mit fast bedingungslosen
Kadavergehorsam und Korpsgeist, wie es beispielsweise die CDU ist, wäre für mich
jedoch noch schlimmer. Da ist mir eine streitlustige Linke schon lieber.

Besonders streitlustig waren bekanntlich auch die Piraten. Interessanterweise
ebbte das Interesse der Medien an den Piraten urplötzlich ab, als sie ihre
Personalstreitigkeiten einstellten und sich programmatisch auf der linken Seite
des politischen Spektrums einordneten. Während die Massenmedien die Linke mit
Vorliebe – gerne auch unter der Gürtellinie – attackieren, wurden die Piraten
mit der Höchststrafe des Kampagnenjournalismus belegt: sie werden, so gut es
geht, komplett ignoriert. Dabei lohnt es sich, einmal einen Blick auf das noch
lückenhafte Programm der jungen Partei zu werfen. Für Wähler, für die die Linke
– aus welchen Gründen auch immer – keine Option ist, könnten die Piraten
durchaus eine Überlegung wert sein.

Die entscheidende Frage

Wenn es eine Partei gäbe, die zu einhundert Prozent meine Positionen teilt,
dann hätte diese Partei wohl nur ein einziges Mitglied und wohl auch nur einen
einzigen Wähler – und zwar mich. Es ist vollkommen klar, dass die konkrete
Wahlentscheidung stets eine Abwägung verschiedener Positionen und Argumente ist.
Dies kann man als die Wahl des größten gemeinsamen Nenners oder auch etwas
boshafter als die Wahl des kleinsten Übels bezeichnen. Für mich ist die Linke,
vor allem wegen ihres Programms, kein kleineres Übel, sondern eine gute Wahl.
Daher werde ich meine Stimme in diesem Jahr der Linken geben. Damit steht
freilich fest, dass ich am Sonntag nicht zu den Wahlgewinnern gehören werde. Das
ist mir aber nicht so wichtig. Im Zweifelsfalle ist es besser, eine inhaltlich
überzeugende Opposition zu stärken, als sich zu früh mit den Siegern zu freuen.

P.s.: Auch wenn es eigentlich überflüssig sein sollte, dies zu erwähnen: Eine
Wahlentscheidung ist etwas anderes als ein Glaubensbekenntnis. Regelmäßige Leser
der NachDenkSeiten wissen, dass ich die Linke, dort wo es Not tut, auch ohne
Vorbehalte hart kritisiere. Und sollte sich meine Wahlentscheidung im Nachhinein
als Fehler herausstellen, bin ich auch der Erste, der dies offen eingesteht. Als
ehemaliger SPD- und Grünen-Wähler hat man damit schließlich Erfahrung.

 

[«*]
Dieser Artikel beschreibt meine persönliche Position und nicht unbedingt die
Position der NachDenkSeiten und/oder die Position anderer Personen im Umfeld der
NachDenkSeiten





29
Aug
2013

Vorläufige Thesen zu einem System der Angst --->>> Kapital rennt rund um den Globus auf der Suche nach billigen Löhnen

 

G. M. Tamás: Vorläufige Thesen zu einem System der
Angst

 

[via Grundrisse - Heft 45]

 

http://www.grundrisse.net/grundrisse45/system_der_angst.htm

Kapital rennt rund
um den Globus auf der Suche nach billigen Löhnen. Es rennt auch in die
Gegenrichtung auf der Jagd nach konkurrierender Konsumentennachfrage. Es rennt
Gelegenheiten für lukrative Investitionen nach. Es rennt zu Plätzen mit
niedrigen Steuern. Es rennt, um stabile Regierungen oder Bürgerkriege zu finden,
die nach Waffen und Waren verlangen. Außer es stolpert über nationale Grenzen,
also Gesetze, rennt es mit solcher Geschwindigkeit, dass es ortsungebunden erscheint, unmöglich, lokalisiert zu werden. Es ist
so schnell, dass es überall zu sein scheint, was es nicht ist. Gesetze, also
nationale Grenzen, bringen nicht wirklich seine in alle Richtungen gehende,
multidimensionale Bewegung zum Stillstand, seine Geschwindigkeit verschärft sich
durch die fast völlige Leere des verdünnten Mediums, durch das es lautlos
zischt.

Arbeit versucht, um
den Globus zu wandern auf der Suche nach höheren Löhnen und billigeren Preisen.
Sie taumelt andauernd gegen nationale Grenzen, also Gesetze. Sie kann es sich
nicht leisten, niedrige Steuern zu befürworten, da sie sich dessen bewusst ist,
dass sie den Staat brauchen könnte, also das Arbeitslosengeld. Sie braucht den
Staat, mit seinen Grenzen, also Gesetzen, genau den Staat und die Gesetze, die
sie davon abhalten, mit einer entsprechenden Geschwindigkeit ein würdiger Rivale
des Kapitals zu sein, da Kapital nicht nur ein Gegner und Konkurrent ist,
sondern auch eine Quelle von Überfluss, die gesucht wird. Arbeit wird ihr
Einkommen mit dem Staat teilen müssen, um das Kapital zu bremsen. So wird sie
Geschwindigkeit mehr brauchen als eben zuvor. Aber Arbeit ist langsam, sehr
langsam, aus eigener Schuld. Sie hat sich mit den Gesetzen, also Steuern
verbunden. Kapital, in seiner Geschwindigkeit nun praktisch unbeschränkt,
gleichbedeutend mit Unsichtbarkeit, Abstraktion und Eleganz (und bitte beachtet
einfach nicht die Widersprüche in diesen Ausdrücken), wird jung, elegant und
streng, in seinen formalen Prinzipien ähnlich der minimalistischen, schlanken,
sogar magersüchtigen Architektur der besten Museen für Neue Kunst. Es ist
revolutionär. Es ist klug. Es ist richtungslos. Man hört es nicht. Was man hört,
ist das Klickklack der Highheels auf Fliesen, das modische Gewimmel seiner
abstrakten, schlanken Bewunderer in Schwarz. Arbeit ist furchtbar langsam, sie
ist rückständig. Ihre Intelligenz wird zurückgewiesen, da nur eine Art von
Intelligenz gebraucht wird, die, die nicht gebremst wird. Vor allem nicht nur
Gesetze, die nun ausgerichtet sind, den Verkehr zu fördern, also
Geschwindigkeit. Arbeit ist fett, Arbeit ist Bermudashorts und Hawaiishirts, die
Kleidung des späten Fordismus. Sehr bunt und laut. Sehr sichtbar. Sehr
reaktionär, sehr rückschrittlich. Sesshaft und ängstlich. So ist auch der Staat.
Noch immer gestützt auf physische Gewalt, daher auf körperlichen Kontakt, auf
Nähe. Lärm. Gerüche. Um weiterzukommen, muss man jemanden zur Seite schieben,
der einem auf die Zehen steigen könnte. Der Staat ist nun kein Etwas. Er ist ein
Hindernis für etwas. Daher wird er mit Radaubrüdern ausgestattet.

Wie neu aber das
Medium, der Stil, die Dringlichkeit und die Ausstattung sein mögen, das
Bedürfnis des Kapitals, Produktionskosten zu reduzieren und Profite zu
maximieren, ist ewig.

Die Geschwindigkeit
der Jagd nach vorteilhaften Verwertungen des Werts beschreibt nicht nur etwas im
Raum (also digital oder sonst wie geschrumpfte Zeit), sondern beschreibt es auch
qualitativ durch gesteigerte Produktivität, was natürlich eine andere
Schrumpfung von Zeit, in diesem Fall von Arbeitszeit ist. Der globale Wettlauf
oder Wettbewerb, immer schon ein Wesensmerkmal von Kapitalismus, hat sich jetzt
nur insofern verallgemeinert, als es keine nicht kapitalistischen Nischen mehr
gibt, die den Wettlauf in eine einzige Richtung gelenkt hatten (Kolonialismus).
Die Jagd des Kapitals und der langsamere Fluss der Arbeitskraft (auch sie durch
Technologie beschleunigt) lässt Beobachtern alle Hindernisse, alle Halte als
widerlich und schmerzhaft erscheinen.

Menschen haben aber
solche Halte als
Heim angesehen – zumindest bis jetzt. Das Heim ist, wo
keine Eile ist. Daheim ist, wo äußerlicher Zwang verlangsamt oder zum Halten
gebracht wird. Wo Wert im Marxschen Sinn draußen bleibt. Das Private steht
vorgeblich nicht zum Verkauf, es wird nicht als produziert gedacht, es wird als
einfach vorhanden vorgestellt, wie es immer war, natürlich: unbeweglich wie ein
Baum. Wie uns Christopher Lasch erinnert, wurde Ehe als „Hafen in einer
herzlosen Welt“ betrachtet. Aber der Halt im globalen Rennen, der Heim genannt
wird, war immer von bourgeoiser Doktrin bedrängt worden: Im Gewand der Familie
war es der Ort von Fortpflanzung und Reproduktion, das Zentrum des Konsums und
politisch betrachtet ein Element der Zivilgesellschaft, zusammen mit Markt,
Öffentlichkeit, NGO, Parteien, Sportvereinen, Kirchen und dem ganzen Rest.
Wahlsysteme basieren auf Wohnbezirken, wo Menschen Einwohner von Häusern, so
gesehen private Bürger sind. Wohnungseigentum basiert auf der Differentialrente.
So gesehen ist die Kommodifizierung und die Verdinglichung von Heim (also die
Kolonialisierung des Privaten, die Verdünnung der bourgeoisen Individualität,
die Mobilisierung der Bewohner von
Daheim)
nichts wirklich Neues
[1].

Vermittelt, wie es
ist, durch Miete, Hypothek, Kredit, Verkehr, durch Heizung, Wasser,
Kanalisation, Strom, Telefon, Post, Kabel- und Satelliten-TV, Radio, Internet,
GPS, und andere Netzwerke, durch Bauindustrie, Polizeiüberwachung und
Schulbezirk, ist das Heim dennoch ein Halt, ein Haltepunkt im globalen Rennen,
mitten im Sturm von Produktion, Akkumulation, Zirkulation und Distribution. Denn
es ist, einfach gesagt, das, wo Menschen schlafen. Das, wo auch immer,
Familienmitglieder oder Zimmergenossen zusammenbringt, es ist nicht Produktion.
Nicht Tätigkeit, sondern Untätigkeit. Eher biologische und affektive (wenn man
Erbschaft mit ihrem bioökonomischen Charakter dazu nimmt) als finanzielle
Bindungen. Mahlzeit, Sex, Ruhe, ein Gefühl von Sicherheit und Innerlichkeit und
über allem eine alles umfassende, überspannende Idee von Anhalten. Drinnen sein,
in den vier Wänden sein, zu Hause sein bedeutet hauptsächlich eine Unterbrechung
ewiger Bewegung. In Analogie dazu wurde dann auch die Begrenzung – die Nation,
der Staat, das Recht – als ein Haltepunkt, ein Schutzraum vor dem globalen
Wettlauf, rundherum und rundherum, vor Kapital und Arbeit, vor der
Geschwindigkeit der Verwertung (Produktion, Akkumulation, Zirkulation,
Distribution) und der technologischen Innovation, vor dem „Wandel“ (um die
offizielle, ideologische, bourgeoise Bezeichnung zu verwenden) betrachtet. In
Ausweitung des Begriffes wird sich das politische Analogon von Heim auf Grenze
(Nation, Staat, Recht) übertragen, die auch eine Kontrolle der Geschwindigkeit
ist, daher als Heim erscheint. Diese Analogie ist die Grundlage für
romantisch-reaktionäre Gedanken, vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert,
die sich heute in Nischen einiger linker, populistischer (grüner und anderer)
ideologischer Konstruktionen finden. Die Grenze – also eine politische
Beschränkung für das Kapital – ist, weil sie institutionell und öffentlich ist,
natürlich das genaue Gegenteil von Heim. Aber Grenzen sind ein Ausdruck davon,
was sich in ihrem Inneren befindet. In diesem Fall ist, was innerhalb des
Nationalstaats ist, eine Beschränkung und ein Zwang für das Kapital,
hauptsächlich eine äußerliche Maßgabe für Kauf und Verkauf, für die
Ungleichgewichte von Kapital und Arbeit, Preisen, Löhnen und ähnlichem,
inklusive der Crux des Ganzen, des Arbeitsvertrages. Der Arbeitsvertrag, der,
indem er Kapital und Arbeit zusammenbringt, wesentlich ist für den Beginn der
Verschmelzung von Produzent und Produktionsmitteln, die Produktion und
Zirkulation (von Wert) initiiert, ist notwendigerweise auf Freiheit gegründet
(er findet statt zwischen freien Akteuren, um eine Übereinkunft zu
beiderseitigem Nutzen zu besiegeln). Freiheit ist eine unabdingbare
Voraussetzung für Ausbeutung, vor allem, aber nicht nur, in einem Regime des
Marktes.

Der Nationalstaat
erscheint zuerst als eine Kontrolle des freien Flusses von Kapital und Arbeit,
insofern als Regulierung, ein Bremsen, ein Unterbrechen, ein Anhalten, wenn auch
zeitweilig. Aber der moderne Staat möchte auch regulieren, um Geschwindigkeit zu
garantieren, also die freie Bewegung der Subjekte in der Produktion und im
Tauschprozess ohne Behinderungen durch irreguläre Kräfte ungerechtfertigter
Gewalt oder unvernünftiger Traditionen. Wenn die Grenze (Staat, Nation, Recht)
überhaupt ein Heim ist, ist sie eine Heimstatt für einen Widerspruch: für
Freiheit (sie befreit von der biopolitischen Gebundenheit wie etwa dem Privileg
hoher oder niedriger Geburt, was durch die Zufälligkeiten des Wettbewerbs,
gedämpft durch Hierarchien, die sich Erbschaften und „sozialem“ und 
„kulturellem Kapital“ verdanken) und für soziale Schutzbestimmungen, die sehr
streng die Vertragsfreiheit beschränken (durch Besteuerung und Umverteilung und
durch Arbeiterrechte, Konsumentenrechte, durch affirmative Handlungen, durch
Gendergerechtigkeit und ökologische Gesetzgebung).

Heim im
Spätkapitalismus stellt sich als Freiheit von der Bewegung dar. Heim, das heißt
Familie und ihr gesellschaftlicher Schutz durch Gesetzgebung, verteidigt durch
staatlichen Zwang, scheint standfest, ein Synonym für permanent. Freiheit von
Wandel, begriffen als zwingende, aber willkürliche Wurzellosigkeit. Unnötig zu
sagen, dass das eine Illusion ist, aber eine bemerkenswerte Illusion.
Bemerkenswert vor allem wegen seiner jüngsten Transformation, wobei der
gesellschaftliche Schutz (der Wohlfahrtsstaat und Egalitarismus der Verteilung)
nunmehr schon eine furchterregende Bedrohung für die Sicherheit von Heim
bedeutet.

Eine der wichtigsten
Paradoxien des Zeitalters ist die gleichzeitige Verwandlung des Egalitarismus –
vorgeblich eine Sichtweise im Interesse der Mehrheit – in eine elitäre Doktrin
als einen Minderheitenstandpunkt. Politische Siege (bei Wahlen oder ideologisch)
und Mehrheiten bei Meinungsumfragen, irriger- aber verständlicherweise als
„populistisch“ tituliert, wurden durch Widerstand gegen sogenannte
Sozialgesetzgebung (hauptsächlich verschiedene Formen von Hilfe für Bedürftige)
erreicht, einen Widerstand, der von jenen unterstützt wird, die von dem
profitierten, das abzulehnen sie nun geneigt sind. Menschen, die sich vor der
rücksichtslosen Energie des globalen Wettlaufs fürchten, scheinen bereitwillig
zur Demolierung ihres eigenen (sozialen und nationalen) Heims
beizutragen.

Es handelt sich um
eine große, ideologische Transformation mit schwerwiegenden politischen und
kulturellen Konsequenzen, die dringend genaue Analyse erfordert.

Es ist nicht nur Klassenkampf
von oben (obwohl es das auch ist, und zwar sehr), aber die Analyse muss auch die
Transformation des strukturellen Hauptkonflikts der bürgerlichen Gesellschaft in
Rechnung stellen – das Ergebnis einer mächtigen „passiven Revolution“ –, die ihn
entschieden biopolitisch
[2] macht. Diese biopolitische Wendung ist teilweise
definitiv rückschrittlich – sie rehabilitiert Herkunft und Stand als Grundlage
der Bildung von Schichten, wogegen die bürgerliche Revolution gekämpft hat – und
teilweise fortgeschritten, ultramodern, indem sie die Sistierung oder Aufhebung
des Klassenkampfes vortäuscht und das Zentrum der fundamentalen
Auseinandersetzung vom Eigentum zur Bedingung des Menschseins
verschiebt.

Zählen wir erst
diese Veränderungen, wie sie in den doxa des Zeitalters erscheinen, auf und
machen dann ein paar verstreute kritische Anmerkungen:

1) Technologische
Veränderungen – von der Automatisierung und Robotik über Digitalisierung und
Nanotechnologie bis zu den Wundern der Biochemie – haben zum ersten Mal in der
Geschichte die menschliche physische (körperliche) Anstrengung in der Produktion
von Gütern unbedeutend gemacht. Das wurde von einem noch nie da gewesenen
Wachstum von Produktivität und Arbeitsintensität begleitet, was die Mehrheit der
globalen Arbeitskraft
für immer überflüssig macht. Strukturelle Arbeitslosigkeit ist
nicht länger ein Problem, wenn auch allgemein, verderblich und notwendig,
sondern wesentliche Bedingung des Menschseins. Die Mehrheit der Menschheit wird
nie wieder wertproduktiv sein.

2) Arbeit – als das
hauptsächliche Sozialisationsmodell im Kapitalismus – hört zu bestehen auf. Die
Institutionen im Kapitalismus wurden eingerichtet, um die Mobilisierung des
durchschnittlich begabten Menschen zur Teilnahme an entfremdeter Arbeit
sicherzustellen, also an Tätigkeiten, die von den individuellen Absichten
getrennt, aber das einzige Mittel zum Überleben für die Habenichtse sind.
Mobilisierung und Zwang haben diesen Zweck unter legal und juristisch gleichen
Bürgern bedient, wobei sie Nischen von Subsistenz, Handwerk, unabhängigen Höfen
und so weiter zerstörten. In der klassischen bürgerlichen Gesellschaft haben die
Leute ihr Leben in Institutionen verbracht: Schule, Armee, Kirche, Verein,
Gewerkschaft, Massenpartei, Sportklubs, organisierte Freizeitaktivitäten,
kommerzielle Popkultur, Boulevardpresse und Radio, Fangruppen, Nationen,
Familien und so weiter. Kollektive Mitgliedschaft in staatlichen und
zivilgesellschaftlichen Institutionen war vorrangig. Dieser institutionelle
Charakter des fordistischen Kapitalismus wurde weggefegt, in Stücke geschlagen
durch die schwindende Nachfrage nach Beschäftigten.

3) Trotz dieser
Veränderungen ist eine fundamentale Gegebenheit dieser Gesellschaften
gleichgeblieben: Es gibt weiterhin nur zwei anerkannte Quellen für Einkünfte,
nämlich Kapital und Arbeit. Beide werden immer marginaler, werden
Minderheitsphänomene.

4) Was immer auch
durch gesteigerte Produktivität und Abbau der Beschäftigung, was zu einem
drastischen Rückgang der globalen Reallöhne führt, also durch die radikale
Kürzung der globalen Produktionskosten gewonnen wird, befrachtet die Ressourcen,
die für den Konsum gebraucht werden (konkurrierende Nachfrage), mit
Unsicherheit. Verbrauchermärkte brauchen noch immer die Teilnahme der Massen,
die für immer vom Einkommen in der Lohnform abgeschnitten sind. Damit Produktion
und Handel weitergehen können, wird die Verbrauchernachfrage irgendwie
finanziert werden müssen. Die erste panische Lösung – daraus auch die aktuelle
Schuldenkrise – war die immense Kreditfinanzierung auf der Grundlage fiktiven
Kapitals gewesen. Arbeit als eine legitime Quelle des Konsums, also des
Unterhaltes, wurde weitgehend durch Kredit ersetzt, eine Vergesellschaftung von
Zirkulation und Nachfrage auf zweiter Ebene. Ähnliche Fragen wurden früher durch
eine staatliche Version (Wohlfahrtsstaat) dieses Angebots von Anreizen für
Akkumulation, Investition und Reinvestition in einer geordneten, regulierten Art
gelöst. Dieser gesellschaftliche Kreditvorschuss wurde durch souveräne
Staatsmacht und territoriale Expansion (Kolonialismus) garantiert, die
unproduktive Löhne in den fortgeschrittenen Ökonomien (sprich weißen Nationen)
hautsächlich im Staatssektor finanzieren sollten, was Frieden und Ordnung im
Inneren möglich machte, während das zunehmend imaginäre Modell von
Vergesellschaftung durch Arbeit intakt gehalten wurde. Der Abbau solcher
staatlicher Ressourcen und sozialdemokratischer politischer Maßnahmen zur
Finanzierung von Konsum (inklusive Wohnung, öffentlicher Verkehr, Erziehung,
etc.) durch die neokonservative Konterrevolution (von den 1970ern bis jetzt)
ließ ein noch nie dagewesenes Rätsel auftauchen.

5) Die
gesellschaftlichen und ökonomischen Kräfte der Staaten wurden genau zu dem
Zeitpunkt radikal beschnitten, da es keine andere Macht gab, an die sich die
neue nicht produktive Mehrheit wenden konnte, um zu fordern, dass ihr Überleben
(Lebensstandard, Aufstiegsmöglichkeit, materielle Verbesserung) als Bedingung
menschlicher Existenz in organisierter Gesellschaft (Zivilisation) aufrecht
erhalten bliebe. Dies also war der Moment, in dem die mächtige herrschende
Ideologie ernsthaft damit begonnen hat, zwischen bürgerlicher und sozialer
Gleichheit zu unterscheiden, deren Synthese von der nun vergessenen Katharsis
von 1945 versprochen worden war (man denke an die Reihe sozialer Verfassungen,
die von antifaschistischen Wählermehrheiten in Italien, Österreich, Frankreich,
Deutschland, etc. in den 1940ern und 1950ern angenommen wurden, vom Sowjetblock
ganz zu schweigen). Das war die Zeit, da der alte Konflikt zwischen Freiheit und
Gleichheit (vorgetragen von einem altertümlich aristokratischen Liberalismus,
eine Reaktion auf die Französische Revolution) wiederbelebt wurde, da,
Gleichheit wieder als Neid und Missgunst definiert wurden, was von gerissener
totalitärer List in Anschlag gebracht wurde. Das war ein recht erfolgreicher
Kniff, um den Forderungen nicht produktiver, aber empirisch schwer arbeitender
Mehrheiten nach unbegrenztem Kredit zuvorzukommen, da Löhne für unproduktive
Arbeit nichts als (vermummter) Kredit und Lohnerhöhungen nicht als erweiterter
Kredit sind. Neokonservative Regierungen (und alle gegenwärtigen Regierungen der
entwickelten Länder sind neokonservativ) sind nicht in der Lage, dies zu
gewährleisten. Zeit, die mit fremder Tätigkeit verbracht wird, wie in der
Verwaltung, im Staatssektor, ist keine Arbeitszeit irgendeiner „natürlicher“
Art, sie kann es sein und dann wieder nicht.

6) Der Verfall
sozialer und ökonomischer Macht des Staates bedeutet nicht den Verfall all
seiner Mächte, also der Fähigkeit des Staates, gesetzlichen Zwang der einen oder
anderen Art auszuüben. In diesem Fall ganz im Gegenteil. Der Staat findet sich
in einer Lage, wo er entscheidet, gezwungen ist, zu entscheiden, wer staatliche
Mittel zum Überleben erhält und wer nicht, was in der gegenwärtigen Gesellschaft
bedeutet, dass er die Pflicht und das Vorrecht hat, über Leben und Tod zu
entscheiden.

7) Denn es ist ein
Gebot der Stunde, dass gegenwärtige Staaten – in einer Situation, wo Produktion
und Akkumulation sich schnell steigern und die Masse der Produzenten sich ebenso
schnell verringert – die Kriterien finden, nach denen manche Gruppen zu
staatlichen Mitteln (jenseits von Kapital und Arbeit) durch gesetzliche und
gerichtliche Bescheide legitimerweise berechtigt sind und manche
nicht.

8) Die Legitimation
zu gesellschaftlichem Leben und zu gesellschaftlichem Tod, die den Betroffenen
zugeteilt wird, ist den Regierungen aufgezwungen. Ein typischer Fall ist die
Subprime-Hypothekenkrise in den Vereinigten Staaten. Da die Finanzierung der
nicht produktiven niedrigen Mittelschicht durch Lohnerhöhungen und direkte
Unterstützungen durch die Regierung kulturell unmöglich war, hat die
US-Regierung durch staatliche Institutionen wie Fanny Mae und indirekt
unterstützte Banken und Versicherungen für diese sozialen Gruppierungen Wohnraum
durch Hypothekarkredite finanziert. Als das Kapital dazu nein sagte (die
Verluste waren beträchtlich), wurde die Klassenherrschaft durch das
Fälligstellen der Kredite und den Zusammenbruch der Kreditinstitute, die den
Staatszielen diente, die Mittelschicht über Wasser zu halten, wieder
bestätigt. Die Krise – ein Instrument
kapitalistischer Disziplinierung – hat gezeigt, dass es vor den rigiden
Entscheidungen, denen der Staat gegenübersteht, kein Entkommen gibt. Die
Entscheidungen
sind bedrückend. Entweder würden sie den Kredit
zerschlagen und Hunderte Millionen zu erbärmlicher Armut verurteilen und so den
Konsum beschränken, was die Nachfrage reduzieren und die Produktion und Profite
und Vermögen zerstören wird, oder sie würden den Kredit finanzieren durch
Schaffung und Neuschaffung von fiktivem Kapital, was die Erhöhung von Steuern
erforderlich macht mit Kapitalflucht und folgendem Zurückfahren der Produktion,
also im Wesentlichem demselben Ergebnis.

9) Die einzige
Möglichkeit ist, die Anzahl der Leute, die von staatlich garantiertem Kredit
abhängen, zu reduzieren und die Verbrauchernachfrage durch verschärfte
Ungleichheit auf einem akzeptablen Niveau zu halten – indem
produktive Löhne in den neu industrialisierten Ländern
(wie China, Indien, Vietnam, etc.) extrem niedrig gehalten werden.

10) Aber wie können
die Regierungen entscheiden, welche Gruppen sozialer Rechte beraubt werden, das
heißt nicht marktgebundener Mittel für nicht produktive Bevölkerung (der im
öffentlichen Dienst, in den Dienstleistungsindustrien, die in keiner Weise
Industrien sind, in den Pflegeberufen, in Erziehung, Forschung und Kunst und
anderen, weiter unten beschrieben)?

11) Die Antwort ist
zweifach: moralisch und biopolitisch. In einer der größten Wenden in der
westlichen (oder europäischen) Geschichte  wurde eine gründliche
Neuformulierung der politischen Legitimität vorgenommen, ohne dass die
gewöhnlichen Beobachter und Auguren davon eine Ahnung hätten – wie
üblich.

12) Zuerst wurde der
gute alte Unterschied zwischen Besitzenden und Besitzlosen ideologisch zum
Verschwinden gebracht, wobei die mit legitimem Einkommen (Kapital
und
Arbeit) auf der einen und die ohne legitimes Einkommen auf der anderen Seite
sich fanden. In Kontinentaleuropa wird von tätiger und untätiger Bevölkerung
gesprochen. Die untätige Bevölkerung – Arbeitslose, Alte und Pensionisten,
Studenten, Kranke, die, die sich um Kinder oder alte Verwandte kümmern
(vornehmlich natürlich alleinerziehende Mütter), Marginalisierte,
Unvermittelbare, körperlich oder geistig Behinderte, Obdachlose, fahrendes Volk,
urbane Nomaden, manchmal unnütze Künstler, Forscher, Lehrer – wird, manchmal
unter Einschluss des Prekariats, für wertlos, parasitär, unwürdig erklärt. Die
Maßnahmen von Inklusion, positiver Diskriminierung, sozialer Unterstützung sind
– vielleicht mit den Ausnahmen von ineffizienter Umschulung und lebenslangem
Lernen – gründlich kompromittiert. Diese Teile der Bevölkerung werden bestraft,
diskriminiert, verfolgt und drangsaliert, vorsätzlich dem Hunger ausgesetzt,
ermuntert, bald zu sterben. In einer Gesellschaft, in der Arbeit als
Sozialisationsmodell schon längst nicht mehr funktioniert, wird Arbeit als
Kardinaltugend hochgepriesen, ohne Eudämonismus und Hedonismus (oder die
demotische subbourgeoise Variante des Konsumismus) zu verleugnen. Frühere
Versionen des Liberalismus anerkannten die Rolle von Glück, von zufälliger
Verteilung von Verdiensten als Nebenprodukt von Freiheit, aber sie nahmen
üblicherweise Abstand davon, Glück für eine Tugend zu halten – sonst hätten sie
keinen Anlass gehabt, es zu verteidigen. Heutige Regierungen meinen, Unglück
bestrafen zu müssen und sind bereit, in reinster Nietzscheanischer Manier zu
erklären, dass die gesellschaftliche Stellung (mit jedweder Position innerhalb
der gesellschaftlichen Arbeitsteilung) ein Ausdruck von innerer Energie und
Verdienst ist. Aber wo Nietzsche Sklaverei vorschlug und pries, haben es
zeitgenössische Regierungen mit Nichtarbeitern zu tun. Worum es geht, ist nicht
die Repression untergeordneter, niedriger Arbeiter, sondern die Rechtfertigung
des gesellschaftlichen und in der Folge biologischen Todes derer, die nicht
arbeiten können, da ihre Arbeit von Maschinen vollbracht wird.

13) Die Selektion –
ich bin mir der nicht Darwin’schen Konnotationen des Begriffs wohl bewusst, da
wir hier nicht von natürlicher Selektion sprechen – derer, die entsprechend
ihrer körperlichen Merkmale und ihres instinktiven Verhaltens (Gesundheit,
Alter, manchmal Geschlecht und sexuelle Ausrichtung) und entsprechend ihrer
kulturellen Stigmata zu gesellschaftlichem Tod verurteilt sind, ist rein
biopolitisch. So sind es auch die Bestrafungen – Reduktion von körperlichem
Wohlbefinden, Wohnung, Heizung, Licht, Nahrung, frischer Luft, medizinischer
Versorgung, Hygiene, Bewegung, wärmender Kleidung, psycho-physiologischer
Genüsse durch Alkohol und Drogen, etc. Moralisch schneiden der Entzug von
gleicher Würde, die stigmatisierenden Vorurteile, die offene, öffentliche und
offizielle Geringschätzung für die Unglücklichen (die in diesen
Konkurrenzgesellschaften umso heftiger ausfällt) die Gesellschaft entzwei. Hier
erscheint das ausgebeutete Proletariat als eine privilegierte Klasse, da es im
Gegensatz zu den Neuen Müßiggängern als solid und achtbar angesehen wird. Wenn
auch unterdrückt wird es als Vollmitglied des Kapital-Arbeit-Kontinuums
betrachtet. Es ist nicht unbezahlt.

14) All dem würde
natürlich die Überzeugungskraft fehlen, wenn es nicht mit Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit, Spielarten des Ethnizismus, einherginge. Ethnizismus ist
nicht einfach eine politische Meinung oder Ideologie. (Dazu gleich mehr in einer
Minute.) Ethnizismus ist zumindest zu diesem Zeitpunkt eine symbolische
Strategie, die das zufällig ausgewählte Ziel biopolitischer Selektion als fremd,
das heißt als Nichtmitglied der politischen Gemeinschaft auszeichnet. Da die
typischen Empfänger sozialer Zuwendungen, immer als Schnorrer, kriminell,
„welfare queen“, Sozialschmarotzer, illegal eingereist, „sans-papier“
dargestellt, symbolisch fremd sind, ist seine oder ihre wirkliche Herkunft ohne
Bedeutung. So werden Egalitaristen – in der offiziellen Ideologie – zu
Vertretern von kleinen bevorzugten Gruppen, weil sie als Verteidiger der
Abgeschiedenen, der Atypischen, der Minderheiten gegen „uns“ dargestellt werden,
was Unsinn ist, aber Egalitaristen und Progressive werden provoziert, sich als
gegen den ethnizistischen Mainstream eingestellt aufzuführen, der keine
Mehrheit, sondern eine Meinung ist (obwohl nicht nur schlicht eine Meinung). Das
Problem ist, dass die nicht produktiven Schichten zusammengenommen die Mehrheit
sind, nur die Sündenböcke darunter sind eine Minderheit. So also wird „unsere
Gemeinschaft“ geschützt. Eine spezifische, aber recht wichtige Form der
Delegitimation von Gleichheit und Egalitarismus ist Antikommunismus. Das Schema
ist dasselbe: eine sinistre, gefährliche, doktrinäre Elite mit
Heilsversprechungen, weit weg von den realen, diesseitigen Beschäftigungen der
einfachen Menschen. Just wie die verachteten Menschenrechtsaktivisten, die
„Berufsantifaschisten“ oder, in Anders Behrens Breiviks Mundart, „die
Kulturmarxisten“ (er hat geradewegs recht, das ist es, was wir sind), die sich
der neuen biopolitischen Aufteilung entgegenstellen. Die Funktion des
Antikommunismus in Abwesenheit einer kommunistischen Weltbewegung ist jedoch
etwas Komplexeres als eine entlegitimisierende Ideologie. Er erledigt die
Aufgabe, die Grenzen neu zu bezeichnen, vornehmlich den Staat (oder die
Regierung) als die Alternative oder den Gegner des Kapitalismus, dargestellt als
schiere Marktwirtschaft – was er nicht ist und niemals war –, vorzuführen, also
Repression und Regulierung (in ihrer legalen Form: Recht) mit Kommunismus zu
identifizieren und den Staat als Gefahrenquelle für Freiheit zu malen und so
beide zu kastrieren. So wird Befreiung wieder als eine Vorstellung von
Unterjochung eingeführt, als Gegenspieler von Spontaneität (Kreativität,
Initiative, kreatürlichem Geist und ähnlichem). Die Macht, zu beschränken, zu
unterdrücken und zu beherrschen, auch auf wohlwollende Art, (also den Staat)
erfolgreich mit der Macht, das weltliche und körperliche Wesen von der
unpersönlichen Gewalt abstrakter Arbeit zu befreien, (also dem Kommunismus) zu
identifizieren, heißt, vor allem jene, die aus dem Kapital-Arbeit-Kontinuum
herausgezwungen werden, ihr Verlassensein verehren zu lassen als ihren Eintritt
in wirkliche, keinem Zwang ausgesetzte Menschheit.

15) Krise und
Mainstreampolitik (beide sind des anderen Schöpfer und Schöpfung) haben es
geschafft, eine doppelte Gesellschaft zu entwerfen: die von mangelhafter
Körperlichkeit und Moralität und den gesunden Kern von Gesellschaft. Die Aufgabe
ist, die ersteren auszuschließen und ihre Inferiorität akzeptieren zu lassen –
und das übrige Proletariat zu veranlassen, den Gendarm biopolitischer Macht zu
spielen.

16) Die Synthese von
Produzenten und Nichtproduzenten sollte dem entgegentreten, was das Konzept der
Ausbeutung verdoppelt und zur gleichen Zeit relativiert, das in seiner direkten
und augenscheinlichen Form innerhalb der engen Grenzen dessen, was man als den
privilegierten Mikrokosmos des Kaptal-Arbeit-Kontinuums verstehen kann,
verbleibt. Der Ausgang der marxistischen Debatte, ob es „das Kapital“ ist, das
das wirkliche Subjekt der Geschichte der Moderne ist, oder „der proletarische
Klassenkampf“ (das erstere wohl der Standpunkt der Kritischen Theorie und
letzteres der von Mario Tronti und des operaismo), wird, wenn sie fortgesetzt
wird, von einer neuen Definition von Entfremdung abhängen, die Ausschluss von
Produktion und somit von gesunder und gewürdigter Körperlichkeit, vom Kapital
vorgetragen und vom Staat sanktioniert, mit einschließt. Die betrügerische
Unterscheidung von Lohn und Transferzahlung – zu beobachten in der gegenwärtigen
Auseinandersetzung gewerkschaftlich orientierter Alter Linker und humanitärer,
auf Umverteilung abzielender neuer sozialer Demokratie, die sich der
„Diskriminierung“ und „Grausamkeit“ entgegenstellt (beide verfehlen das Thema) –
und das daraus resultierende Schisma unter den Intellektuellen führt zu einer
doppelten, nicht zugegebenen und manchmal nicht einmal bewussten Akzeptanz eines
postfaschistischen staatlichen Kommandos über biologisierte und ethnisierte
Energien, die von der Krise ausgelöst wurden. Wenn sich die Kräfte der Befreiung
dazu bereitfinden, die postfaschistische Betonung von „Arbeit“ (oder „entlohnter
Beschäftigung“) hinzunehmen, die die echte menschliche Spezies dem
untermenschlichen Abfall derer, die untätig sind, eine üble Widerspiegelung der
tatsächlichen nazistischen Identifikation von Kapitalismus mit parasitärer
„Finanz“ oder, einfacher, „den Banken“ (nicht ohne Einfluss auf die naive und
populistische Linke), entgegenstellt, dann wird es keine theoretische und
politische Darstellung einer Unterdrückung geben, die wieder einmal die höchste
Leistung vollbringt, die Klasse gegen sich selbst in Stellung zu bringen. Das
richtige Verständnis von Löhnen ist entscheidend für eine Synthese, die gegen
die neue Dynamik des Kapital-Arbeit-Kontinuums gesetzt werden kann, die das
beklagenswert einfache Geheimnis des Postfaschismus ist.

Der Ausnahmezustand,
der Freund und Feind nun
innerhalb nationaler Gesellschaften und Nationalstaaten neu
definiert, bleibt das fundamentale Wesensmerkmal des Postfaschismus, wie ich ihn
in einem Aufsatz vor zehn Jahren definiert habe. (In dieser Ausgabe der
Grundrisse ebenfalls abgedruckt – Anm. die Red.) Sein Vorbild ist die
Annullierung der jüdischen Emanzipation durch das Dritte Reich. Die Verwandlung
von Nichtstaatsbürgern in
homines sacri ist gleichwohl unverändert. Die Errichtung hoher
Deiche gegen die Migration, selbst um den Preis der Verlangsamung des
kapitalistischen Flusses, ist noch immer sein Hauptinstrument. Aber die
Verwandlung von Staatsbürgern in Nichtstaatsbürger aus moralischen und
biopolitischen Gründen – in dieser Wildheit – ist eher neu. Solange es keine
Synthese zwischen der transzendentalen Identität von Arbeitenden und nicht
Arbeitenden gibt, sondern nur zwischen den produktiven Gruppen und den
nichtproduktiven als dem Kapital als solchem entgegengestellt, wird etwas dem
Faschismus sehr Ähnliches überwiegen. Die Einberufung der ausgebeuteten und
unterdrückten Produzenten als Vollstrecker der Kapitalherrschaft bleibt wie in
den 1920ern und 1930ern die Hauptgefahr. Es ist die weithin akzeptierte,
scheinbare Einheit zwischen berechtigten Verdienern – Kapitalisten und
Produzenten –, politisch vereinigt gegen die Untätigen und Fremden, die alle
bedroht.

Um diese
erschwindelte Einheit zu zerschlagen, brauchen wir Menschen, die den Mut zur
Uneinigkeit haben und Streit lieben, einen Streit, der sich aus der Opposition
gegen moralisierende Biopolitik erklärt.


[1] Die geografischen Dimensionen
der “home”-Frage wird am besten beschrieben von David Harvey, Justice, Nature
and the Geography of Difference, Oxford: Oxford University Press, 1996 und
ders., Spaces of Hope, Berkeley: University of California Press, 2000,  pp.
73-96 & passim.

„Home‟ im englischen Orignaltext
umfasst hier ein anderes Begriffsfeld als das deutsche „Heim‟. Es ist hier nicht
nur Wohnung im Sinne von „Das ist mein Heim‟ gemeint, das den Bereich des
Privaten recht abstrakt umfasst zuzüglich zu einer konkreten Komponente, es
reicht auch über Wohnungen bis zum Eigenheim und den Hervorbringungen der
Häuslbauer.

[2] im Sinne Foucaults und Agambens




18
Jun
2013

Verschämtes Verschweigen ... größte Widerstand ...den Mitgliedern der Gewerkschaften oder ihnen Nahestehenden kommt.

Verschämtes Verschweigen
von Werner Schulten



[via scharf-links.de]



http://scharf-links.de/90.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=36224&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=bd2e8e8895



Parteivorstand weigert sich, Parteitagsbeschluss umzusetzen

Gründungskonsens von PDS und WASG war beim gemeinsamen Wahlantritt zur Bundestagswahl 2005 die Forderung „Weg mit Hartz IV“. Diese war auch maßgeblich für den Erfolg, wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen, ausschlaggebend.

So, wie der Widerstand auf der Straße durch die Montagsdemos immer weiter abbröckelte, wurde im Laufe der Zeit auch in der LINKEN diese Forderung immer leiser erhoben und letztlich nur noch zu Sonntagsreden hervorgeholt.

Ein Grund hierfür war sicher, dass DIE LINKE auf die Frage, die sich oft hieraus ergab: „Und was stattdessen?“ keine Antwort hatte. Zunächst war von einer nicht näher be- schriebenen Grund- oder Mindestsicherung die Rede. 2008 versuchte Katja Kipping, die Sanktionsfreiheit in den Mindestsicherungsforderungen der LINKEN festzuschreiben, gegen größte Widerstände in der Bundestagsfraktion.

Der Eine oder Andere erinnert sich bestimmt noch an die damalige Debatte um „Hartz IV light“. Süddeutsche, Spiegel und andere Printmedien berichteten über den internen Streit.


Hier der Artikel in der TAZ:
www.taz.de/!31650/ .

Wie hieraus hervorgeht, war dieses Ernst-Papier der Gründungsanlass für die BAG Hartz IV, die schnell innerparteilich sehr erfolgreich war. So standen im Wahlprogramm 2009 nicht nur die Sanktionsfreiheit, sondern auf Drängen der BAG Hartz IV auch die von außerparlamentarischen Bewegungen geforderten 500 – 30 – 10. Womit Regelsatz, Wochenarbeitszeit und Mindestlohn gemeint sind.

Wie schwer sich die Bundestagsfraktion mit diesen Passagen des Wahlprogramms tat, zeigte sich in den Folgejahren. Noch Anfang 2011 kündigte Dagmar Enkelmann an, mit einer Forderung von 420 Euro Regelsatzhöhe in den Vermittlungsausschuss ziehen zu wollen.
http://scharf-links.de/90.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=13948&cHash=876759448c

Hauptproblem blieb aber nach wie vor, dass DIE LINKE keinem Wähler die Frage richtig beantworten konnte, was wir denn statt Hartz IV wollten. Mit einer nicht bezifferten Mindestsicherung können die Betroffenen nichts anfangen.

Zum Leben braucht man nun mal Geld, also:
Was jetzt?
Hartz IV und 500 Euro Regelsatz?
Oder Mindestsicherung in unbekannter Größe?

Im März 2011 brachte ich deshalb eine Vorlage im Parteivorstand ein:

„Der Parteivorstand beauftragt die für Sozialpo-litik zuständigen Mitglieder, gemeinsam mit den Bundesarbeitsgemeinschaften Hartz IV und Be- trieb & Gewerkschaft, ein umfassendes Konzept zur Sozialen Sicherung dem Parteivor- stand spätestens auf der letzten Sitz- ung vor dem Bundesparteitag im Oktober 2011 zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.“

Für Sozialpolitik zuständige Mitglieder waren Katja Kipping und ich. Diese Vorlage kam nicht zur Abstimmung, weil vorher Beschlussunfähigkeit bewusst herbeigeführt wurde. Darauf änderte ich die Vorlage- von einer Beschluss- zu einer Informationsvorlage, will heißen: Wir machen es, auch ohne Auftrag des PV. Nach mehreren Terminen war ein Konzept zur umfassenden sozialen Mindestsicherung so gut wie fertig, als aus der Bun- destagsfraktion im Oktober 2011 unmittelbar vor einer PV-Sitzung ein Papier vorgelegt wurde, in dem die Höhe einer Mindestrente mit 900 Euro im Hauruckverfahren durchgeprügelt wurde.

Meine anschließend abgegebene Persönliche Erklärung zu den Vorgängen ist auf der Webseite der Partei nachzulesen. Fakt war jedenfalls, dass das Konzept damit hinfällig war, da natürlich auch die Mindestrente in diesem errechnet und anders beziffert war. Folglich wurden die Ergebnisse des Konzeptes, individuelle und sanktionsfreie Mindest- rente und Mindestsicherung in Höhe von jeweils 1.050 Euro netto im Juni 2012 auf dem Göttinger Parteitag dem Souverän, dem Bundesparteitag zur Entscheidung vorgelegt. Und dieser nahm diese auch mit großer Mehrheit in den Leitantrag auf.

Wer nun, wie ich, gedacht hatte, nun sei klar, dass wir im nächsten Wahlprogramm endlich den Wählern sagen können, was wir statt Hartz IV fordern, musste sich beim ersten Entwurf verwundert die Augen reiben. Da war zwar die Mindestrente in dieser Höhe enthalten, sogar mit der Begründung, dass unter 1.050 Euro Armut droht, bei der Mindestsicherung drohte diese dann plötzlich nicht mehr.

Kein klares Bekenntnis zum Beschluss von Göttingen, stattdessen die widersprüchlichen Aussagen, dass Hartz IV weg müsse, aber gleichzeitig mit der Forderung von 2009, den Regelsatz auf 500 Euro zu erhöhen, wiederum erhalten bleiben solle. In den detaillierten Passagen, die natürlich die wenigsten Wähler zu lesen bekommen, ist zwar von der Ab- sicht zu lesen, mal ein Konzept einbringen zu wollen, das zu einer solchen Mindest- sicherung führen soll. Aber das ist nichts als ein Feigenblatt.

Auch der Leitantrag wurde mit diesen Passagen so beschlossen, und am letzten Wochenende haben nur eine Handvoll oder zwei für die Übernahme des von mir und Anderen (u.a. LV Sachsen, Elke Reinke, Ulla Jelpke, KV Gießen, mehrere Bezirksverbände aus Berlin usw.) eingerechten Änderungsantrages, der wörtlich dem Göttinger Beschluss entspricht, gestimmt.

Aus Erfahrung weiß man, dass letztlich von den Medien nur die Kernforderungen transportiert werden. Das waren 2009 neben „Raus aus Afghanistan“ „500 Euro Regelsatz“ und „10 Euro Mindestlohn“. Vier Jahre später mit den gleichen, also unterm Strich heute praktisch niedrigeren Forderungen anzutreten, heißt letztlich, Unterschiede zwischen den Parteien nicht kenntlich zu machen oder nicht kenntlich machen zu wollen. Einen Mindestlohn fordern inzwischen, zumindest vordergründig, fast alle Parteien und auch SPD und Grüne geben vor, dass Hartz IV überarbeitet werden solle.

Die Grünen fordern auch einen höheren Regelsatz. Soziale Gerechtigkeit ist nach Mein- ung aller das entscheidende Wahlkampfthema. DIE LINKE hat die Möglichkeit, sich deut- lich von den anderen Parteien zu unterscheiden, indem sie ihren Göttinger Beschluss den Wählern zur Kenntnis bringt. Und was macht der Parteivorstand? Er weigert sich mit großer Mehrheit und verschweigt verschämt, dass DIE LINKE etwas Besseres als Hartz IV hat. Ich hoffe, dass der Dresdner Parteitag dem Parteivorstand zeigt, was er von einem solch undemokratischen Umgang seitens des PV mit BPT - Beschlüssen hält.

Abschließend ist noch anzumerken, dass der größte Widerstand gegen die beschlossene Mindestsicherung ausgerechnet von den Mitgliedern der Gewerkschaften oder ihnen Nahestehenden kommt. Ich möchte ihnen entgegenrufen: Ja, habt ihr denn immer noch nicht verstanden, gegen wen sich das Drangsalierungssystem Hartz IV richtet?


Es wurde nicht geschaffen, um Erwerbslose zu ärgern, die sind nur Kollateralschäden. Es richtet sich gegen die (Noch) Erwerbstätigen. Je drohender der Absturz, umso handzah- mer werden die Arbeiter/innen und Angestellten.



VON: WERNER SCHULTEN


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Zu Dienstagsbusiness --->>> Einkommen in Deutschland - "Problematisches Maß an Ungleichheit" [lesenswert!!!!]

Einkommen in Deutschland – “Problematisches Maß an Ungleichheit”

[via Nachdenkseiten]


http://www.nachdenkseiten.de/?p=17544#h03

Trotz guter Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Lage der Geringverdiener hierzulande seit 2005 nicht wesentlich verbessert. Einer aktuellen Studie zufolge liegt Deutschlands Niedriglohnsektor im EU-Vergleich auf Platz sieben – “sowohl sozial als auch wirtschaftlich hochproblematisch”, wie die Verantwortlichen der Untersuchung sagen.

“Der deutsche Niedriglohnsektor ist einer der größten in der EU. Ein substanzieller Mindestlohn und die Stabilisierung des Tarifsystems könnten das ändern.” Was das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung auf ihrer Homepage als Quintessenz einer neuen Studie angibt, ist besorgniserregend.

22,2 Prozent aller Beschäftigten mussten nach der aktuellsten europäischen Lohnstrukturerhebung im Jahr 2010 mit einem Niedriglohn auskommen, berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.

Sie verdienten weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns, also im Westen knapp 11 Euro und im Osten 8,30 Euro. Damit hat die Bundesrepublik den siebtgrößten Niedriglohnsektor in der EU, zwischen sechs und acht Millionen Menschen sind betroffen.

Höher war der Anteil der niedrig bezahlten Arbeitnehmer nur in den drei baltischen Staaten, in Rumänien, Polen und Zypern.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

9
Jun
2013

3. Im Kapitalismus geht alle Macht von den Privatbesitzern der Produk­tionsmittel und nicht vom Volke aus!

 


 
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3. Im Kapitalismus geht alle Macht von den Privatbesitzern der
Produk­tionsmittel und nicht vom Volke aus!
 

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[via Junge Welt]
 
 


"[...] die Zuversicht, niemals zum Prekariat zu gehören, verleite die Mittelschicht, sich mental mit den Unternehmern zu verbünden."

 

 

 

 
[...] die Zuversicht,
niemals zum Prekariat zu gehören, verleite die Mittelschicht, sich mental mit
den Unternehmern zu verbünden.
 
[Ulrike Herrmann - Hurra, wir dürfen zahlen - DER SELBSTBETRUG DER
MITTELSCHICHT (2010)]
 


15. Nicht die Armen in der Welt leben über ihre Verhältnisse, sondern ihre reichen Ausbeuter!

 

 
 

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15. Nicht die Armen in der Welt leben über ihre Verhältnisse, sondern ihre
reichen Ausbeuter!
 

Unsere 95 Thesen

 
[via Junge Welt]
 
 



8
Jun
2013

Das (un)heimliche Treiben der Ratingagenturen mehr am 09.06. um 11:05 Uhr auf #wdr5 in "Dok5 - Das Feature]


Dok5 Das Feature
 
Sendung vom 09.06.2013,
 
11:05 bis 12:00 Uhr
 
 

 

 So
mächtig und so umstritten

„Raten“ oder Raten?

[via wdr5.de]
 
 

Das (un)heimliche Treiben der
Ratingagenturen

Ob sie wollen oder nicht: Viele Institutionen und
Privatunternehmen folgen den Ratings der Agenturen, weil ihnen das so in
Gesetzen und Statuten vorgeschrieben wird. Die Rating-Agenturen lassen sich ihre
Bewertungen fürstlich bezahlen – oft ohne zu verraten, wie sie genau zustande
kommen.

In diesem Feature berichten Insider, wie es hinter den Kulissen
zugeht: Da werden einer zufälligen Café-Bekanntschaft wichtige Ratings
anvertraut. Ein Banker bedauert das Ende des realen Sozialismus und die
Auswüchse des entfesselten Kapitalismus. Bei einem Geschäftsessen stehen
plötzlich Gold-Kisten auf dem Tisch, als kleine Bewertungshilfe. Vertreter
unterschiedlicher Schulen - "Quants" und "Fundis" - ringen miteinander um
Rechen-Modelle und Ratings. Am Schluss ist klar, warum viele Ratings daneben
liegen müssen – und warum es dagegen kein einfaches Patentrezept gibt für eine
Kontrolle der Macht der wenigen Agenturen gibt. Aber wie könnte eine
demokratischere, politisch legitimierte Lösung aussehen?

Angaben zur Produktion

Autor: Achim Nuhr
Produktion: WDR/DLF/SWR 2013
Redaktion: Frank Christian Starke



gleich 15:05 Uhr auf #wdr5 "Unterhalung am Wochenende" u. a. mit Helmut Schleich und Max Uthoff [d. Radioanempfehlung]



 
Unterhaltung am Wochenende
 

Sendung vom 08.06.2013,
 
15:05 bis 16:55 Uhr
 
[via
wdr5.de]
 
 

Unterhaltung am Wochenende

WDR-Kabarettfest aus Bonn mit Martin Zingsheim, Max Uthoff, Helmut
Schleich und pro:c-dur

Die Mischung macht's: hochpolitisches Kabarett, satirische
Höhenflüge, große Bühnenkunst und ultramoderne Klassiker präsentiert das
WDR-Kabarettfest aus dem Bonner Pantheon, wie immer moderiert von Tobias Mann.

Mit dabei in der Juni-Ausgabe sind aus Bayern die
Kabarettisten Helmut Schleich und Max Uthoff, zwei Spitzenkräfte ihrer Zunft. Für
die Musik sorgen Martin Zingsheim mit
bösen Liedern am Flügel sowie das Duo pro:c-dur
mit Timm Beckmann und Tobias Janssen, am Geflügel und an der Gitarre, die
mal eben die gesamte klassische Musik neu erklären: ob E oder U - ihre
Inszenierungen machen einfach nur Spaß - auch im Radio.

Aufnahme vom 03. Juni 2013 aus dem Pantheon in Bonn

Redaktion:

Anja Iven



Erster niedersächsischer Ministerpräsident...Kopf profitierte von dem Vermögen ermordeter Juden [via Nordwestradio]


Nordwestradio Journal

Hinrich Wilhelm Kopf und die Nazis

 
[via Nordwestradio]
 
 

Erster niedersächsischer Ministerpräsident mit dunkler
Vergangenheit

Er war der erste Ministerpräsident Niedersachsens und eine
Identifikationsfigur der Sozialdemokratie: Hinrich Wilhelm Kopf. Jetzt hat eine
Historikerin sein Leben vor 1945 genauer beleuchtet und Erschreckendes gefunden.
Kopf hatte an Enteignungen während der Nazi-Zeit mitgewirkt und dabei gut
verdient. Die niedersächsische SPD möchte sein Leben nun neu
bewerten.

 

Nach der Vorstellung der Biografie "Hinrich Wilhelm Kopf – ein konservativer
Sozialdemokrat“ der Historikerin Teresa Nentwig schlussfolgerte die
Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages Gabriele Andretta: "Man wird das
Leben von Hinrich Wilhelm Kopf neu bewerten müssen". Es bestehe kein Zweifel
mehr daran, dass Kopf sich in den Diensten des verbrecherischen NS-Regimes
schuldig gemacht habe.

Kopf profitierte von dem Vermögen ermordeter Juden

Nentwig hatte recherchiert, dass Hinrich Wilhelm Kopf während der deutschen
Besatzung Polens von 1939 bis 1944 als Mitarbeiter der nationalsozialistischen
Behörde "Haupttreuhandstelle Ost" an der Verwertung des Vermögens der verfolgten
und ermordeten jüdischen Bevölkerung Polens beteiligt war und von dieser Arbeit
auch persönlich profitiert hat.

Dunkle Vergangenheit, [2:02] http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/nordwestradio_journal/audio112840-popup.html


Biografie beleuchtet Hinrich Wilhelm Kopf und sein Leben vor 1945

Modder: "Kopfs Leben neu bewerten"

Die Fraktionsvorsitzende der SPD im niedersächsischen Landtag, Hanne
Modder.

"Mitläufer wie Hinrich Wilhelm Kopf haben dazu beigetragen, dass das
nationalsozialistische Unrechtsregime alle Bereiche des Lebens durchdringen und
in den besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkrieges eine brutal-effiziente
Verwaltung aufbauen konnte", sagt Johanne Modder, SPD-Fraktions-vorsitzende im
niedersächsischen Landtag. Kopf habe über seine enge Verstrickung in die
NS-Verwaltung nach dem Krieg die Unwahrheit gesagt.

Die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftlerin Teresa Nentwig müssten dazu
führen, dass sich die historische Kommission für Niedersachsen und Bremen jetzt
ausführlich mit der Bewertung der Person Kopf und seines Lebens
auseinandersetzt. Nordwestradio-Moderator Tom Grote sprach mit Johanne
Modder.

Gespräch Johanne Modder, [5:27]  http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/nordwestradio_journal/audio112838-popup.html
Muss
die Biografie Hinrich-Wilhelm Kopfs neu bewertet werden?





7
Jun
2013

Wie Großkonzerne politische Entscheidungen attackieren - mehr um 20:15 Uhr in #MONITOR auf #tagesschau24

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Geheimes Parallelrecht

Wie Großkonzerne politische Entscheidungen attackieren

 
Bericht: Stephan Stuchlik, Frauke Steffens
 
Monitor Nr. 648 vom 06.06.2013
 
Wiederholung am 07.06.2013 um 20:15 Uhr auf
tagesschau24
 
[via wdr.de]
 
 

Georg Restle: "Und jetzt zu einer Geschichte, die
sich wortwörtlich im Verborgenen abspielt. Es geht um den Einfluss großer
multinationaler Konzerne, die Entmachtung der Politik und um geheime Verfahren,
die uns Steuerzahler sehr viel Geld kosten können. Klingt wie eine
Verschwörungstheorie, ist aber politische Realität. Die Rede ist von so
genannten „Investitionsschutzabkommen“. Internationale Verträge, mit denen
Großkonzerne ihre Interessen gegenüber Staaten, an Gerichten vorbei, durchsetzen
können. Oft geht es dabei um Milliardenbeträge, um die hinter verschlossenen
Türen verhandelt wird. Die Öffentlichkeit bekommt davon meist nichts mit. Und
selbst Politiker staunen, wie ihnen hier die Macht des Handelns aus der Hand
genommen wird. Stefan Stuchlik und Frauke Steffens bringen Licht ins
Dunkel.“

Prozesse im Hinterzimmer. Firmen gegen Staaten. Großkonzerne wie Chevron,
Philip Morris und Vattenfall. Es geht um Milliarden und um große Politik. Kaum
jemand weiß von diesen geheimen Verfahren, zu denen die Öffentlichkeit keinen
Zugang hat. Die Verhandlungsgrundlage: So genannte Investitionsschutzabkommen.
Sie weiß, was sich dahinter verbirgt: Pia Eberhardt forscht seit Jahren über
solche internationalen Verträge. Auch Deutschland hat diese Verträge
abgeschlossen, eigentlich um deutsche Firmen im Ausland vor Enteignung zu
schützen.


Pia Eberhardt, Corporate Europe Observatory
(CEO):
„Um solche Diskriminierung oder direkte Enteignung, also die
Wegnahme von einer Fabrik, was man sich das vorstellt, geht es heute überhaupt
nicht mehr in diesem Verfahren. Das war vielleicht mal früher die Idee, aber was
wir haben, ist ein völlig mutiertes Rechtssystem, das sich heute eben nutzen
lässt, richtig zur Bekämpfung von demokratischer Politik im öffentlichen
Interesse. Darum geht's.“


Ein mutiertes Rechtssystem, die Folgen mussten die Bürger der Stadt
Hamburg erleben. 2009 - die halbe Stadt geht gegen das Kohlekraftwerk Moorburg
auf die Straße. Die Grünen machen Wahlkampf gegen das Kraftwerk und kommen in
die Regierung. Jetzt haben sie das Umweltressort und wollen strenge
Umweltauflagen erlassen. Vattenfall zieht die Karte mit dem Geheimverfahren,
drei Anwälte treffen sich in Paris, der Anwalt von Vattenfall fordert 1,2
Milliarden Euro Schadensersatz, Deutschland gibt nach, das Kraftwerk Moorburg
geht mit weniger Umweltauflagen ans Netz. Die Regierung in Hamburg wird über die
Pariser Entscheidung nur in Kenntnis gesetzt. Auch der Staatssekretär ist
vollständig überrumpelt. Die politischen Entscheidungen des Senats:
wertlos.

Christian Maaß, ehemaliger Staatsrat Umweltbehörde Hamburg Rechte: WDR 

Christian Maaß, ehemaliger Staatsrat Umweltbehörde Hamburg

Christian Maaß, ehemaliger Staatsrat Umweltbehörde
Hamburg:
„Es ist eine ziemlich absurde Situation. Wenn man wie ich über
Jahre Umweltrecht studiert hat und angewendet hat, die Rechtsprechung kennt,
denkt man eigentlich, man weiß so ziemlich genau, um was es geht und was man
machen kann und was man nicht machen kann. Und dann kommen Sie auf einmal…, dann
werden Sie vor ein Schiedsgericht gezerrt, wo drei Leute - von denen einer
jeweils auch von den Parteien benannt wird - auf einmal darüber entscheiden
sollen, ob das, was Sie gemacht haben, rechtmäßig ist oder nicht."


Und deshalb ist das möglich: Vattenfall genießt als ausländisches
Unternehmen Sonderschutz und kann vor ein Schiedsgericht mit drei Anwälten
ziehen. Ein paralleles Recht. Ein deutsches Unternehmen müsste parlamentarische
Entscheidungen über reguläre Gerichte anfechten. Ein ausländisches Unternehmen
kann mithilfe der Investitionsschutzabkommen eine Abkürzung nehmen.


Im Parallelrecht entscheidet ein drei-Personen-Schiedsgericht,
Widerspruch nicht mehr möglich. Und so sehen die Schutzverträge aus: drei Seiten
DIN A4, alles dehnbare Paragraphen. Die Bundesrepublik Deutschland etwa
garantiert anderen Ländern, dass ihre Firmen, etwa Vattenfall, „vollen Schutz"
bekommen und „gerecht und billig" behandelt werden. Mit solchen Paragraphen
versuchen Firmen weltweit, politische Entscheidungen anzufechten.

Pia Eberhardt, Corporate Europe Observatory (CEO) Rechte: WDR 

Pia Eberhardt, Corporate Europe Observatory (CEO)

Pia Eberhardt, Corporate Europe Observatory
(CEO):
„Man hat im Investitionsschutzabkommen sehr viel weitgehenderen
Eigentumsschutz. Man hat auch keinen Verweis auf so was wie ein öffentliches
Interesse, was deutsche Gerichte durchaus berücksichtigen in ihrer
Rechtsprechung. Also die Rechtsgrundlage ist anders. Dann haben wir ja in
nationalen Gerichten zum Beispiel öffentliche Anhörungen im Gerichtsverfahren.
Die sind in der Regel nicht öffentlich in Investor-Staat-Verfahren, sondern
finden hinter verschlossenen Türen in irgend einem Hotelzimmer in London,
Washington oder Paris statt.“

Und es werden ständig mehr.

1995 gab
es weltweit nur drei dieser Milliardenverfahren, im Jahr 2012 schon 50,
insgesamt 419. Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Winfried Hassemer hat
massive Bedenken gegen die Praxis dieser Schiedsverfahren.

Prof. Winfried Hassemer, ehemaliger Verfassungsrichter:
„Es geht darum, dass der Verdacht nicht abzuweisen ist, dass es nur eine ganz
kleine Gruppe von Leuten gibt, die das eigentlich entscheiden und die dann das
Ganze auch nicht öffentlich machen. Und es geht halt darum, dass man den
Verdacht nicht los wird, dass hier Leute am Werk sind, die befangen sind. Also,
die ein bestimmtes Interesse daran haben, dass ein bestimmtes Verfahren so und
nicht anders verläuft."

Firmen greifen politische Entscheidungen in
Hinterzimmern an, ein Riesengeschäft für Anwaltskanzleien. Die neue Studie
zeigt, wie klein der Kreis derer ist, die überhaupt in diesen
Milliardenverfahren mitwirken: Nur 15 Schiedsrichter weltweit entscheiden 55
Prozent aller Verfahren. Und sie wechseln dabei noch ständig die Seiten. In
einem Verfahren vertritt ein Anwalt noch den beklagten Staat, im nächsten ist er
Schiedsrichter, im dritten Verfahren vertritt er das klagende Unternehmen.
Zumeist siegen die Firmen.

Die jüngste UN-Statistik zeigt, im Jahr 2012
wurden 70 Prozent aller Fälle für die Unternehmen entschieden. Jetzt soll auch
die große politische Richtungsentscheidung, der Atomausstieg, vor einem geheimen
Schiedsgericht verhandelt werden. Eine Entscheidung, hinter der die Mehrheit der
Bevölkerung steht, eine politisch getroffene Entscheidung, vom Parlament
beschlossen, von der Kanzlerin verkündet. Dagegen ist wieder der ausländische
Konzern Vattenfall, er kann seine Atomkraftwerke nicht weiter betreiben.
Vattenfall fordert eine

Zitat: „Entschädigung für die
Schließung der deutschen Kraftwerke und Einrichtung eines
Schiedsgerichts."

Eines dieser geheimen Schiedsgerichte also.

Zwei
alte Meiler betreibt Vattenfall, Krümel und Brunsbüttel, beide haben sich schon
lange amortisiert, Technik aus den 70er Jahren, jetzt will Vattenfall mindestens
3,7 Milliarden Euro Schadensersatz, in einem Hinterzimmer-Verfahren. Vattenfall
wählt also den schnelleren und aussichtsreicheren Weg über das Schiedsverfahren,
während deutsche Energieversorger wie E.on oder RWE vor dem Verfassungsgericht
klagen müssen. Vattenfalls Anwalt Richard Happ will nicht vor deutsche
Gerichte.

Richard Happ, Rechtsanwalt Kanzlei
Luther:
„Sie müssen erst einmal vors Verfassungsgericht ziehen, Sie
müssen Recht bekommen. Und dann müssen Sie hoffen, dass das Verfassungsgericht
eine Entschädigungsregel anordnet und dann muss das Parlament eine
Entschädigungsregel verabschieden und erst wenn das verabschiedet worden ist,
kriegen Sie vielleicht irgendwann Geld."

Franziska Keller, B‘90/Die Grünen, MdEP Rechte: WDR 

Franziska Keller, B‘90/Die Grünen, MdEP

Franziska Keller, B‘90/Die Grünen, MdEP, Ausschuss für
internationalen Handel:
„Für mich ist es das Schockierende, dass es eine
breite gesellschaftliche Mehrheit gibt und gab für den Atomausstieg und es gab
eine parlamentarische Mehrheit dafür. Es gibt ein Gesetz zum Atomausstieg und
jetzt kommt Vattenfall daher und sagt, nee, das wollen wir so nicht und wir
verklagen Deutschland auf einem völlig intransparenten Weg. Die meisten
Bürgerinnen und Bürger in Deutschland haben sicher davon noch nicht mal was
mitbekommen und können unglaublich viel Geld verlangen von
Deutschland."

Sie versucht, in Brüssel die Geheimverfahren abzuschaffen:
Franziska Keller vom Ausschuss für internationalen Handel. Ihrer Erfahrung nach
spricht sich bei den EU-Verhandlungen aber eine Nation eindeutig und immer für
das parallele Recht aus: die Bundesrepublik Deutschland.

Franziska Keller, B‘90/Die Grünen, MdEP, Ausschuss für
internationalen Handel:
„Die Bundesregierung sieht sich anscheinend als
Vertreterin der großen industriellen Interessen Deutschlands, wie sie das
verstehen. Es geht hier nicht um die Bürgerinnen und Bürger Europas, es geht
nicht um kleine Unternehmen, es geht hier nur um die großen Unternehmen, ohne zu
beachten, dass ihnen diese Investitionsschutzabkommen auch ganz leicht selbst
auf die Füße fallen können."

Die Firmen bedanken sich für die deutsche
Politik. Amerikanische Unternehmen denken schon darüber nach, in Europa gegen
Fracking-Verbote vorzugehen. Natürlich mit geheimem Schiedsverfahren.

Georg Restle: "Ein Grundpfeiler der Demokratie ist
die Transparenz politischer Entscheidungen; ein Grundsatz des Rechtsstaats die
Öffentlichkeit des Verfahrens. Solche Abkommen und solche Hinterzimmer-Deals
haben damit nichts mehr zu tun. Vielleicht denken unsere Bundesminister mal
daran, auf was sie da eigentlich ihren Amtseid geschworen haben, wenn sie
künftig ein solches Abkommen unterzeichnen."




um 20:15 Uhr in #MONITOR auf #tagesschau24 "Ausgebeutet ... Ausländische Pflegekräfte in deutschen Haushalten"

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Ausgebeutet und allein gelassen:

Ausländische Pflegekräfte in deutschen Haushalten

 
Bericht: Ralph Hötte, Achim Pollmeier,
Peter Onneken, Olga Sviridenko
 
Monitor Nr. 648 vom 06.06.2013
 
Wiederholung am 07.06.2013 um 20:15 Uhr auf
tagesschau24
 
[via wdr.de]
 
 
 

Georg Restle: "Guten Abend - ein bisschen später
als sonst - willkommen bei MONITOR. Lassen Sie uns mit einem Thema beginnen,
dass uns fast alle betrifft. Wenn Angehörige alt und pflegebedürftig werden,
dann wissen wir oft nicht mehr weiter. Emotional, aber auch finanziell ist ein
Pflegefall eine riesige Belastung für die Familien. Wie gut, wenn es dann
jemanden gibt, der sich kümmert: Um den Haushalt, die Einkäufe, die tägliche
Pflege. Seit einigen Jahren schon kommen viele dieser Helferinnen aus Osteuropa.
Es sind vor allem Frauen aus Polen, die oft rund um die Uhr all das machen,
wofür uns die Zeit und die Geduld fehlt. Dafür nehmen diese Frauen vieles auf
sich: Die Trennung von ihren Familien, Verzicht auf Freunde, Freizeit und
Heimat. Was viele nicht wissen, rund um diese Helferinnen hat sich ein
Millionengeschäft entwickelt, an dem auch dubiose Agenturen mitverdienen, und
das viele Frauen ausbeutet und alleine lässt. Unsere Autoren Ralph Hötte, Peter
Onneken und Achim Pollmeier über gnadenlose Geschäfte mit selbstlosen
Helferinnen."

Wie gut, dass sie da sind - jeden Tag, 24 Stunden. Frauen aus Polen,
Rumänien, Bulgarien.

Alicja Dawid: „Durch den
ganzen Tag und Nacht. Also es war so ... ich war immer 24 Stunden in
Bereitschaft.“

Sie sorgen dafür, dass sich unsere Welt weiterdreht, auch
wenn die Angehörigen plötzlich Hilfe brauchen.

SylwiaTimm, DGB Beratungsstelle Berlin: „Die Frauen werden
ausgebeutet.“

150.000 Pflegerinnen aus dem Ausland leben hinter unseren
Haustüren, und bekämpfen unseren Pflegenotstand. Bei Eberhard Hasper war es wie
bei vielen vor ihm. Er wollte seine alte Tante nicht ins Heim abschieben, suchte
eine Betreuung bei ihr zu Hause, rund um die Uhr. Es gibt hunderte Anbieter.
Hasper landete bei einer der größten Vermittlungsagenturen - Seniocare24. Sie
versprachen alles, was ihm wichtig war. Alles ganz legal. Dafür zahlte er eine
einmalige Vermittlungsgebühr von 850,- Euro an seniocare und fortan 1.800,- Euro
pro Monat an deren polnischen Partner.

Eberhard
Hasper:
„Was mir wichtig war ist eben, dass das eine legale Beschäftigung
ist, dass ich da nicht was so was wie Schwarzarbeit machen und dass das auch
abgesichert ist für diese Mitarbeiter. Dass die auch abgesichert
sind.“

Das Geschäft mit den Helferinnen boomt. Immer mehr Agenturen
werben um Kunden, versprechen 24-Stunden-Pflege. Ein Millionengeschäft. Ohne
Schwarzarbeit, ohne Schein-Selbständigkeit – und doch bezahlbar? Sie ist die
wohl bekannteste Vermittlerin in Deutschland. Renata Föry hatte schon etliche
Fernsehauftritte, sie ist seniocare24 - jene Agentur, die auch Eberhard Hasper
half. Sie beschreibt das Modell.

Renata Föry:
„Eine entsendete Betreuung ist eine Ersatztochter ... Eine legale Betreuung im
eigenen Zuhause ... Für die Deutschen noch günstiger wie eine deutsche
Kraft.“

Eine legale Ersatztochter. So klingen die Versprechen der
deutschen Vermittlungsagenturen. Raus aus der Schmuddelecke - sie haben die
Lösung des Pflegenotstands. Alicja David war mehrfach in Deutschland, vermittelt
von einer anderen Agentur. Sie hat gepflegt, sich gekümmert. Ihre Arbeitszeiten
sind im Vertrag erst gar nicht festgeschrieben. Der Alltag ist eine
Dauerbelastung, Tag und Nacht, Arbeit oder Bereitschaft. Pro Stunde kam sie so
auf 2,50 Euro, sagt sie. Das machte gut 1.000,- Euro im Monat. Viele sagen, in
Polen sei das viel Geld.

Alicja Dawid Rechte: WDR 

Alicja Dawid

Alicja Dawid: „Ich bin hinter dieser Tür, und ich
habe sie mit eurem Leben, nicht mit meinem. Ich sehe meine Familie nicht mehr,
meine Freude. Ich bin ganz weg von meinem Leben. Also ist es viel, 1.000 Euro?
Es ist nicht viel. Ich arbeite 24 Stunden, egal ob ich geschlafen habe oder
nicht geschlafen habe. Das fragt mich niemand.“

Agnieszka hat es genauso
erlebt, letztes Jahr in Süddeutschland. 800,- Euro im Monat sollte sie bekommen,
sagt sie. Für ihren Einsatz bei einem schwerst pflegebedürftigen Mann,
mutterseelenalleingelassen von ihrer Agentur, sagt sie.

Agnieszka Kozloswka (Übersetzung MONITOR): „Ich war
psychisch völlig am Ende - aber von der Agentur hab ich keine Hilfe bekommen.
Dann habe ich gesagt, dass ich meine Sachen packe und weggehe. Sie haben gesagt,
das darf ich nicht, dann würden sie mir kündigen. Also musste ich bleiben. Erst
als mein Mann gedroht hat, die Polizei zu holen, haben sie mich endlich abholen
lassen.“

Schilderungen, die sie hier beim DGB immer öfter hören. Sylwia
Timm berät speziell Pflegerinnen aus Osteuropa. Grazina zum Beispiel weiß nicht
mal, ob sie überhaupt krankenversichert ist. Ihren Nachnamen dürfen wir nicht
nennen. Das hat einen Grund.

Sylwia Timm, DGB Beratungsstelle Berlin Rechte: WDR 

Sylwia Timm, DGB Beratungsstelle Berlin

Sylwia Timm, DGB Beratungsstelle Berlin: „Die
Verträge sind so konstruiert, dass die Frauen nicht reden dürfen über ihre
Situation. Sie dürfen die Verträge auch niemandem zeigen. Sie haben Angst,
darüber zu reden.“

Warum sie alles geheim halten müssen, haben bisher nur
wenige herausgefunden - wie Alicja David. Sie stellte fest, dass die Familien
für sie bis zu 2.500,- Euro im Monat bezahlen - aber bei ihr kamen aber nur gut
1.000,- Euro an. Das meiste aber kassieren offenbar still und heimlich die
Arbeitsvermittler - und keiner sollte es mitbekommen.

Alicja Dawid: „Einen Moment ist das Blut gekommen hoch,
und ich war so sauer. Ich sagte nein, das kann ich nicht lassen, das geht nicht
so. Ich bin auf der Stelle in mein Haus, und ich rufe zum Beispiel bei der Firma
an, da habe ich ein Problem. Und dier Firma antwortet mir nicht oder will nicht
antworten. Und ich bleibe alleine mit allem. Nur für was nehmen die dieses Geld?
Diese Firma, für was?“

Ein typischer Fall - und auch bei Eberhard Hasper
war das so. Auch bei ihm Geheimklauseln in den Verträgen und auch er fand
heraus, wie wenig die Pflegerin von seinem Geld bekommt.

Eberhard Hasper: „Was mir am meisten aufgestoßen ist, ist
die Tatsache, dass die Agenturen wahrscheinlich, also so nach meinem Wissen,
dass die mehr verdienen durch Bürotätigkeit als die Pflegerinnen selber. Das ist
ne Ausnutzung der Situation, auch von den Leuten, Das ist fast wie ... Na, fast
wie eine Sklaverei.“

Helferinnen aus Polen - wir profitieren von der
Armut und den niedrigen Löhnen im Nachbarland. Und das ist legal? So
funktioniert das Modell. Der Pflegebedürftige oder seine Familie treten an eine
Vermittlung in Deutschland. Die reicht die Anfrage weiter an eine Agentur in
Polen und die schickt die Frau dann zur deutschen Familie, die für die Frauen
bezahlt. Doch ein großer Teil des Geldes bleibt bei den Agenturen hängen, viel
mehr als Betreuung der Frauen, Abgaben oder Versicherungen rechtfertigen.
Offenbar ein lukratives Geschäft. Wir fahren nach Warschau. Beim größten
polnischen Vermittler Promedica24 ist ein amerikanischer Finanzinvestor
eingestiegen, mächtig und renditehungrig. Aber alles legal und seriös? Wir
besuchen die Zentrale in der polnischen Hauptstadt, hier sitzen gleich mehrere
Firmen der Promedica-Gruppe. Die Unternehmens-Sprecherin sei leider nicht da,
sagt man uns. Auf unsere schriftlichen Fragen zum Vertragsmodell heißt es dann:
Das Modell funktioniere „in legaler Weise“. Die Betreuungskräfte seien „durch
die polnische Sozialversicherung abgesichert“, ihr Verdienst stehe im Einklang
mit jeweils geltendem Recht. Und die Verschwiegenheitsklauseln dienten nur „dem
Schutz der Privatsphäre“. Wir treffen einen Insider aus der Branche. Er kennt
viele große polnische Agenturen und einige große deutsche
Vermittler.

Vermittler (nachgesprochen): Das
ist ein Millionengeschäft und die Frauen werden hemmungslos ausgebeutet. Das
meiste Geld bleibt bei den Agenturen in Polen hängen, aber sie zahlen den
deutschen Vermittlern zum Teil richtig hohe Provisionen.“

Und dann
erklärt er uns noch, wie einige Agenturen ihre Gewinne noch weiter erhöhen,
nennen wir es den Spesen-Trick. Alicia zum Beispiel bekam zuletzt pro Einsatztag
27,- Euro an Spesen, steuerfrei. Das macht im Monat 800,- Euro. Und nur der
kleine Rest wird als echter Lohn gezahlt, mit Steuern und Sozialversicherung.
Für Alicja heißt das zum Beispiel: Kaum Einzahlungen in die Rentenkasse. Aber
die Agenturen machen dank geringerer Abgaben noch mehr Gewinn. Wir treffen
Renata Föry, die fernsehbekannte Vermittlerin. Sie hat dieses Modell tausendfach
vermittelt und durch Provisionen daran kräftig mitverdient.

Reporter: „Nur von dem geringen Teil werden überhaupt
Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bezahlt. Was sagen Sie dazu?

Renata Föry, Seniocare24 Rechte: WDR 

Renata Föry, Seniocare24

Renata Föry, Seniocare24: „Mein Wunsch wäre
jetzt, diese Lohnabrechnung live zu sehen, also von Ihnen zu bekommen, damit ich
mir Urteil machen kann.“ Reporter: „Ja, aber Pardon, Sie machen doch mit diesen
Geschäftspartnern seit Jahren Geschäfte. Wissen Sie denn nicht, wie die
arbeiten?“<br><br>

Renata Föry,
Seniocare24:
„Nein, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass die entsenden, ich
weiß, dass die Frauen angestellt sind. Aber ich weiß nicht, wie viel die netto
verdienen.“

Reporter: „Wenn Sie nicht wissen,
wie Ihre Geschäftspartner arbeiten und wie dieses Modell funktioniert, wie
können Sie dann guten Gewissens deutschen Familien dieses Modell als gut und
seriös anpreisen?“

Renata Föry, Seniocare24:
„Weil wir Kontakte mit unseren Betreuerinnen haben. Und die berichten, dass die
zufrieden sind. Das Ganze basiert auf den Entsendungsgesetzen, die polnische
Betreuerin ist in Polen fest angestellt.“

Wirklich fest angestellt?
Eigenartig, ihr Partner Promedica24 sagt auf unsere
Nachfrage:

Zitat: „Die Betreuungskräfte sind nicht
Partei eines Arbeitsvertrages.“

Also doch nicht fest angestellt?
Christiane Brors hält das Modell in jedem Fall für eine illegale
Arbeitnehmerüberlassung. Sie untersucht in einem Forschungsprojekt die
rechtliche Situation der polnischen Pflegekräfte. Die Frauen haben fast keine
Chance, ihre wenigen Rechte überhaupt durchzusetzen, sagt sie.

Prof. Christiane Brors, Universität Oldenburg: „Letztlich
ist das eine Ausbeutung, die passiert. Den es werden Beschäftigtengruppen aus
anderen Ländern zu sehr niedrigen Löhnen eingesetzt, und damit schlechter
gestellt als die hiesigen Arbeitskräfte. Das kann man sich insbesondere in einem
zusammenwachsenden Europa nicht leisten. Und das ist auch in einem Rechtsstaat
untragbar, Arbeitskräfte auf eine derartige Weise auszubeuten.“

Wie gut,
dass sie da sind - die billigen Pflegehilfen aus Osteuropa. Aber zu welchem
Preis?

Georg Restle: "Natürlich haben wir auch bei
Bundesarbeitsministerin Von der Leyen angefragt, was sie gegen solche Agenturen
unternehmen will. Die Antwort: Nichts. Die Frauen könnten ja vor Gericht gegen
diese Verträge klagen."

Mehr zum Thema





Die 7 Standardmythen der Neoliberalen -> D. Reichen + Topmanager sind d. eigentlichen Leistungsträger, ihre Einkünfte sind zu gering

 

Zbigniew Menschinski

Die 7
Standardmythen der Neoliberalen
 
[via Tante Jolesch]
 



“Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr
beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus
diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr
wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten,
bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich
vorzustellen vermag.”

An dieses Zitat vom größten “Experten” für
Kriegspropaganda, Volksverhetzung und Lüge fühlt man sich erinnert, wenn man die
Vorgehensweise der neoliberalen Drückerkolonnen in Politik und Medien in den
letzten 25 Jahren betrachtet.

Sieben Glaubenssätze werden seit den
Achtziger Jahren von den einschlägigen Meinungseliten im Dunstkreis des großen
Geldes unermüdlich wiederholt:

Erstens.
Der Staat und seine
Schulden sind unser größtes Problem.

Zweitens.
Privatisierungen
sind ein Allheilmittel und Segen für die
Menschen.

Drittens.
Die Deregulierung der Arbeits- und
Finanzmärkte führt zu Wohlstand für alle.

Viertens.
Zu hohe
Steuern treiben die Reichen und ihr Geld aus dem
Land.

Fünftens.
Die Reichen und Topmanager sind die
eigentlichen Leistungsträger, ihre Einkünfte sind zu
gering.

Sechstens.
Die Unterschicht ist dumm und faul und neigt
zu “spätrömischer Dekadenz”.

Siebtens.
Es gibt eine
demographische Lücke; sie lässt sich nur durch Erhöhung der Lebensarbeitszeit
schliessen.


Schauen wir uns die sieben neoliberalen Dogmen näher
an.

Dogma Nummer 1:
Der Staat und seine Schulden sind unser
größtes Problem.

Die Fakten:
Nicht die Staatsschulden haben die
Finanzkrise ausgelöst, sondern die exorbitante Privatverschuldung, vor allem in
Großbritannien und den USA. In diesen Ländern wurden die Menschen durch
Niedrigzins und den Abbau sozialer Netze in die Privatverschuldung gelockt und
getrieben. In den USA beträgt die Staatsverschuldung rund 80% des BIP, die
Privatverschuldung jedoch ca. 130%. In Großbritannien liegt die
Staatsverschuldung bei ca. 60% des BIP, die Privatverschuldung bei sage und
schreibe 180%. Zum Vergleich: In Deutschland und Österreich liegt die
Staatsverschuldung bei ungefähr 75%, die Privatverschuldung bei 10% des BIP.
(vergleiche:
DIE ZEIT Januar 2009
)

Nicht jede Art von Staat ist den Neoliberalen
ein Greuel. Nur der Sozialstaat ist ihnen ein Dorn im Auge. Den Militärstaat
schätzen sie aufs Höchste, schützt und expandiert er doch ihren Einfluss. Der
Militärstaat darf aus Sicht der Neoliberalen (in den USA treffender “Neocons”
genannt) auch exorbitante Staatsschulden auftürmen. Das zeigen die Amtszeiten
von Ronald Reagan und George W. Bush. Die neoliberalen “Chicago Boys” der Milton
Friedman-Schule waren begeisterte Berater und Vollstrecker des Diktators
Pinochet, als es darum ging, die sozialen und demokratischen Rechte der Chilenen
abzuschaffen. Der Durchschnittslohn sank, der Anteil der Bevölkerung unter der
Armutsgrenze stieg von 20 auf 44 Prozent (DER
SPIEGEL
).


Dogma Nummer 2:
Privatisierungen sind ein
Allheilmittel und Segen für die Menschen.

Die
Fakten:

Privatisierungen sind keineswegs eine Garantie für Effizienz und
Qualität. Die Vorgänge beim Bau der Kölner U-Bahn zeigen, wohin der Abbau
staatlicher Kontrollen führt. Auf dem Energiesektor betreibt heute ein Oligopol
von vier Stromriesen (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) eine völlig willkürliche
Preispolitik und erpresst die Regierungen.
(wirtschaft.t-online.de).

Durch
Schröders Steuerreform 2000/1 und Privatisierungs-Konstrukte wie Cross Border
Leasing und Private Public Partnership sind Kommunen wie Gelsenkirchen oder
Duisburg an den Rand des Konkurses geraten.


Dogma Nummer
3:

Die Deregulierung der Arbeits- und Finanzmärkte führt zu Wohlstand für
alle.

Die Fakten:
Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat ein
in der Bundesrepublik bisher nie dagewesenes Lohndumping verursacht. HartzIV und
die Lockerung der Leih- und Zeitarbeitsregelungen, durchgepeitscht von Wolfgang
Clement, hat zu einem Millionenheer von Beschäftigten mit Tagelöhnerstatus
geführt. Bereits 20% aller Beschäftigten erzielen nur noch Minilöhne. Mehr als
zwei Millionen Menschen verdienen weniger als 6 Euro brutto pro Arbeitsstunde.
Die daraus resultierende Schwächung der Binnennachfrage und Massenkaufkraft sind
Gift für die heimische Wirtschaft (meta.tagesschau.de).

Die
Deregulierung der Finanzmärkte hat zum Beinahe-Kollaps und einem
unbeschreiblichen Chaos geführt. Die Deregulierung hat Schwindelpapieren,
Spekulanten und Scharlatanen Tür und Tor geöffnet. Mit Hunderten von Milliarden
musste der “verhasste” Staat, also letztlich der Steuerzahler, einspringen,
damit die Depots und Banken der Reichsten gerettet werden konnten. Vorerst
zumindest.


Dogma Nummer 4:
Zu hohe Steuern treiben die
Reichen und ihr Geld aus dem Land.

Die Fakten:
Wohin sollen die
Vermögensmillionäre denn fliehen? Nach Frankreich, Holland oder Skandinavien?
Nach Großbritannien oder den USA? In all diesen Ländern zahlen sie das Drei- bis
Vierfache an vermögensbezogenen Steuern.

Eine Steuerstudie brachte es ans
Licht des Tages: rund 7.000 Euro an Steuern entrichtet ein
Vermögens-Millonärsehepaar im Schnitt pro Jahr.

Rund 15.000 Euro Steuern
bezahlt ein Arbeitnehmerehepaar mit Durchschnittsverdienst und zwei Kindern.
Rund 0,9 Prozent vom BIP betragen die vermögensbezogenen Steuern in Deutschland
(und Österreich). Hingegen sind es in der Schweiz, in Japan und in Italien 2,5
Prozent, in Frankreich, Kanada, USA rund 3 Prozent und in Großbritannien über 4
Prozent (Quelle: OECD Revenue Statistics 2006).


Dogma Nummer
5:

Die Reichen und Topmanager sind die eigentlichen Leistungsträger, ihre
Einkünfte sind zu gering.

Die Fakten:
Die Mehrzahl der
bestbezahlten Topmanager sind Leistungsvernichter, nicht Leistungsträger.
MÄRKLIN, GROHE, Rosenthal und Dutzende anderer Firmen wurden von sogenannten
“Topberatern” filettiert, abteilungsweise verhökert und schließlich in den
Konkurs getrieben.

Die globalen Wertpapier-, Fonds- und Bankenmanager
haben Abermilliarden in sinnlosen Luxusprojekten verbrannt: Yachthäfen,
Privatjets, Immobilien (mit Golfplatz gleich nebenan). Sie verrotten heute oder
werden weit unter Wert verscherbelt.

Absurd ist die Mär vom armen
deutschen Manager. Deutsche Manager von Großbetrieben erhalten im Schnitt
540.000 Euro pro Jahr, Schweizer Topmanager müssen sich mit 370.000 Euro
“begnügen”. In Holland erzielt ein Top-Manager gerade mal 230.000 Euro.
(Wbl.).

Nach
der Logik der neoliberalen Analysten müssten die Manageretagen in den
Niederlanden völlig verwaist sein, und die Wirtschaft des Landes am Rande des
Ruins stehen. Nun weist aber gerade Holland seit Jahren bessere Wachstumsraten
und eine günstigere Arbeitslosenquote auf als Deutschland.


Dogma
Nummer 6:

Die Unterschicht ist dumm und faul und neigt zu spätrömischer
Dekadenz.

Die Fakten:
Die Unterschicht ist weder dumm noch
faul, sie wird vielmehr seit nunmehr fast dreißig Jahren systematisch um echte
Bildungschancen betrogen. Flächendeckende Vor- und Ganztagsschulen fehlen, die
Streichung von Schüler-Bafög und die Erhebung von Studiengebühren lassen Talente
aus den armen Schichten verkümmern.

Das Selbstwertgefühl der armen
Schichten wird seit langem systematisch von den Seichtmedien (RTL, SAT1, BILD,
etc.) und den einschlägigen Politkern der Sorte Sarrazin(SPD) und Metzger(GRÜNE)
zerredet und erodiert.

Der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien und aus
prekären Familienverhältnissen, die studieren, ist seit 1982 (Abschaffung des
Schüler-Bafögs) stetig zurückgegangen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Kind aus diesen Schichten ein Studium beginnt, ist inzwischen 14 mal geringer
als bei Kindern aus Selbständigen- oder Akademikerfamilien.

Dazu tragen
auch die Studiengebühren bei. Studiengebühren halten jedenfalls die Abiturienten
vom Studieren ab. Bis zu 18.000 von ihnen entschieden sich im Jahr 2006 wegen
der Campusmaut gegen ein Studium, belegt eine Untersuchung des HIS.
(Quelle:
www.spiegel.de
).


Dogma Nummer 7:
Die demographische
Lücke lässt sich nur durch Erhöhung der Lebensarbeitszeit
schliessen.

Die Fakten:
Im Jahr 1900 kamen 12,4 Erwerbsfähige
(15-64 Jahre) auf eine alte zu versorgende Person (über 64 Jahre), 50 Jahre
später nur noch 6,9; nach weiteren 50 Jahren (Jahr 2000) waren es 4,1 und für
2050 werden 2,0 prognostiziert. (Vergleiche M. Schlecht et al., Mythos
Demografie)

Man sieht: Bereits seit über 100 Jahren versorgen immer
weniger Beschäftigte immer mehr alte Menschen. Seit 1900 unterliegt die
Gesellschaft diesem rasanten demographischen Wandel, der nun plötzlich seit
einigen Jahren dramatisiert wird, ohne dass auch nur e i n e der heute
vorausgesagten Folgen in den vergangenen 100 Jahren eingetreten
wäre.

Seit über 100 Jahren nimmt die Produktivität pro arbeitender Person
massiv und stetig zu. Der daraus resultierende gravierend zunehmende Output an
Waren und Dienstleistungen sorgt selbst bei zurückgehender Beschäftigung dafür,
dass auch ein Verhältnis von zwei oder 1,5 Beschäftigten zu einer alten Person
sich problemlos meistern lässt, ohne dass bei Beschäftigten oder Ruheständlern
irgendwelche Abstriche beim Lebensstandard nötig wären. Im
Gegenteil.

Fazit:
Der Lebensstandard kann für alle wachsen,
weil Produktivität und Output pro beschäftigter Person seit jeher viel stärker
zunehmen als der Beschäftigungsgrad abnimmt. Das Gerede von der “demographischen
Lücke” ist nichts weiter als Hysterie und Panikmache, um die Kassen der
Privatversicherer zu füllen.


Woher die
Verblendung?


Obwohl all diese Fakten jedem zugänglich sind, glauben
immer noch viele Menschen an die sieben Standardlügen der neoliberalen
Meinungs-Phalanx. Woher kommt das?

Ein Hauptgrund wurde bereits genannt:
Die Massenpropaganda der gleichgetakteten Medien von ARD bis ZDF, von WAZ bis
WELT, von RTL bis SAT1. Ab einem gewissen Zeitpunkt entwickeln zudem ständig
wiederholte Täuschungen aus dem Mund von Meinungsführern eine Eigendynamik. Wird
ein bestimmtes Quantum an Berieselung langfristig verabreicht, glauben
schliesslich große Teile der Bevölkerung ganz ungeprüft, wie selbstverständlich
an die widersprüchlichsten Dinge. Man denke nur an die alle zehn Jahre radikal
wechselnden Diät-Mythen.

Einen zweiten Hauptgrund für die lemminghafte
Gefolgschaft vieler ökonomischer Laien nennt der Wirtschaftsnobelpreisträger
Paul Krugman: “Die jährlichen Gesamtmittel der wirklich unabhängigen
wirtschaftswissenschaftlichen Institute belaufen sich auf ein paar zig Millionen
Dollar… Dies bedeutet, dass bereits ein paar wenige reiche Spinner in der Lage
sind, mit einem von ihnen unterhaltenen Netz von “Denkfabriken”,
“Forschungseinrichtungen”, Stiftungen und so weiter kräftig mitzumischen und
eine Wirtschaftsideologie ihrer Wahl salonfähig zu machen.” (Paul Krugman,
Schmalspurökonomie, Frankfurt/M., 2000).

Die meisten Politiker sind mit
wenig Lebenserfahrung aus dem echten Arbeitsleben, aber mit sehr viel
ökonomischer Naivität gesegnet. Angela Merkel, Franz Müntefering, Cem Özdemir
oder Claudia Roth hingen und hängen mit geradezu gläubiger Inbrunst an den
Lippen der modernen Heizdeckenverkäufer vom Schlage eines Jörg Asmussen, Hans
Tietmeyer oder Josef Ackermann.

Beim Politiker-Typus Schröder, Fischer,
Clement liegen die Dinge etwas anders. Hier lassen sich Narzissmus,
Parvenu-Eifer und das nackte Interesse an skrupelloser Bereicherung als
treibende Motive nicht völlig ausschliessen.

Auch wenn es dazu bisher
keine Studien oder Recherchen gibt: Wer sich im nachhinein ihr Gebaren näher
ansieht, wird das Gefühl nicht los, dass sie ihr Gehirn jahrelang jedes
Wochenende durch eine Scientology-Waschanlage (auch Managerseminare genannt)
gejagt haben. Dass die Erfolgs”ethik” von Scientology und das “Moral”verständnis
der Neoliberalen zu annähernd 100 Prozent deckungsgleich sind, dürfte kein
aufmerksamer Beobachter ernsthaft bestreiten.



zur Vertiefung!! --->>> #neoliberale #Revolution #von #oben [via NACHDENKSEITEN] so tagesaktuell

 

 
 
 
 

 
 

Titel: Die Revolution von oben

 
Verantwortlich: Albrecht Müller
 
[via Nachdenkseiten]
 
 
 

Markus Grill, stern, 17. Dezember 2003

Vor
vier Jahren las Arbeitgeberpräsident Martin Kannegiesser eine Meinungsumfrage,
die ihn ärgerte. Darin stand, dass die Bevölkerungsmehrheit Wirtschaftsbosse für
egoistisch hält, für Leute, die “nur an ihre eigenen Interessen” denken und
“kein Verständnis für die Sorgen der kleinen Leute” haben. Der
Arbeitgeberpräsident raufte sich die verbliebenen Haare und fragte sich: Was
tun? Kannegiesser hoffte damals, dass Kanzler Schröder endlich die von der
Wirtschaft ersehnten Sozialreformen anpackt – und nun diese Umfrage! 67 Prozent
der Befragten verbanden mit dem Wort Reform “Befürchtungen” oder “Skepsis”. Beim
Stichwort soziale Marktwirtschaft fiel den Leuten im Osten vor allem “Egoismus”
und “Ausbeutung” ein. Kannegiessers Fazit: “Das, was die Bevölkerung will, und
das, was die Führungskräfte in der Wirtschaft für notwendig hielten, klaffte
himmelweit auseinander.”

Was sollte der Boss der Metall-Arbeitgeber tun? Aufgeben? Alle Hoffnungen
fahren lassen, dass Rot-Grün einen wirtschaftsfreundlichen Kurs einschlägt? Gar
auswandern, seine Waschmaschinenfirma gleich mit nach Asien verlagern? Oder hier
bleiben und sich ein anderes Volk suchen? Der milde lächelnde Kannegiesser
entschied sich für Letzteres. Weil man 82 Millionen Menschen nicht einfach
auswechseln kann, griff er zu einer List. Er wollte die Leute ein bisschen
umerziehen. “Aufklären” nennt er das. Ihnen mit schlauen Parolen die
Notwendigkeit von radikalen Reformen einhämmern, sie mit Plakaten, Anzeigen und
TV-Spots überschütten, auf dass die Leute die Wünsche der Wirtschaft als ihre
eigenen begreifen. Kannegiesser, 62, und die Bosse von Gesamtmetall waren sich
rasch einig, dass man “viel Geld in die Hand nehmen” müsse, um eine PR-Maschine
für ein wirtschaftsfreundliches Klima zum Laufen zu bringen. Kannegiessers
Argument: “Wir als Metall- und Elektroindustrie sind wie keine andere in die
Weltwirtschaft eingebunden. Wir sind also viel stärker darauf angewiesen, dass
sich die Produktionsbedingungen für Unternehmen verbessern.”

50 Millionen Euro machte Gesamtmetall locker und gründete
damit im Jahr 2000 die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Das war
der Auftakt. Seitdem folgen Reforminitiativen ohne Ende. Sie heißen
Bügerkonvent, Klarheit in die Politik, Marke Deutschland, Deutschland packt’s an
oder, jüngstes Beispiel, Konvent für Deutschland, eine Initiative von Roland
Berger, 66, und Hans-Olaf Henkel, 63, mit Roman Herzog, 69, als Galionsfigur. Es
ist eine außerparlamentarische Opposition von oben. Angeführt von alten Männern
wie dem Ex-Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer, 72, die lange Zeit für die
Entwicklung der Republik verantwortlich waren. Die Old Boys wollen die Köpfe und
Herzen der Bevölkerung verändern und sie zu Wirtschaftsreformen überreden. Dabei
ist die Agenda 2010 für sie erst der Anfang eines viel weiter gehenden Abbaus
staatlicher Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Ihr Einfluss geht
mittlerweile so weit, dass von Sabine Christiansen bis Maybrit Illner keine
Talkshow mehr ohne sie auskommt.

Die Finanziers der Propaganda bleiben dabei gern im Hintergrund. So wollte
auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall bei der INSM nicht selbst die
Reformbotschaften verkünden. Allzu leicht hätte man Einseitigkeit unterstellt.
Deshalb wurde ein Kuratorium gegründet, in dem Edmund Stoiber, Oswald Metzger
oder Tietmeyer vertreten sind. Das Kuratorium traf sich bis heute kein einziges
Mal, aber das ist auch nicht so wichtig.

Wichtig ist dagegen, dass die Propagandamaschine auf Hochtouren läuft. Als
Geschäftsführer fungieren der ehemalige Pressechef des Bundesverbands der
Deutschen Industrie, Dieter Rath, und der Ex-Wirtschaftsjournalist Tasso
Enzweiler. Die beiden legten eine flächendeckende Anzeigenkampagne auf und
warben mit Sprechblasen von Lothar Späth, Uli Hoeneß, Arnulf Baring oder Roland
Berger. “Deutschland kann den Aufstieg schaffen”, stand da. Oder: “Der Fehler
liegt im System.” Das war zwar ein bisschen allgemein gehalten, störte anfangs
aber nicht. Es ging ja nur darum, das Meinungsklima zu ändern. Inzwischen habe
die Initiative konkrete Vorschläge erarbeitet zur Gesundheits-, Renten- und
Arbeitsmarktreform, sagt Kannegiesser. Was er wirklich will, hat er oft genug
deutlich gemacht: Senkung der Lohnkosten, mehr Druck auf Arbeitslose.

Im kommenden Jahr läuft die bisherige Finanzierung der INSM aus, doch
Kannegiesser hat sich in seinem Verband dafür stark gemacht, der
Propagandatruppe weitere 50 Millionen Euro zukommen zu lassen. Außerdem steht
der INSM noch ein warmer Geldregen aus München bevor. Dort residiert im noblen
Vorort Grünwald Dieter Rickert, 63, Deutschlands bekanntester Headhunter. Für
das “Manager Magazin” gehört er zu den 50 einflussreichsten Männern der
deutschen Wirtschaft. Der passionierte Pfeifenraucher kassiert mindestens
100.000 Euro pro Vermittlung.

Rickert sieht die Lage in Deutschland ähnlich mies wie Kannegiesser. “Das
Problem sind aber nicht die Politiker, die wissen nämlich, was man machen muss.
Sie trauen sich nur nicht, weil sie Angst vor den Wählern haben, die keine
Reformen wollen.” Deshalb will auch Rickert die Bevölkerung “aufklären”. “Die
Wähler haben ja letztlich keine Ahnung, was in der Republik passiert, die
benehmen sich wie ein Fanclub, nicht wie ein verständiges Wahlpublikum.” Dabei
sei klar, was passieren müsse: Arbeitskosten runter, mehr private Vorsorge,
längere Arbeitszeiten, weniger Kündigungsschutz, weniger Arbeitslosenhilfe und
so weiter. “Aber die Leute sehen das immer noch nicht ein.” Deshalb müsse man es
ihnen ganz simpel erklären. “Politische Botschaften so wie bei der ‘Sendung mit
der Maus’.” Die Initiative, die Rickert Anfang 2004 gründen will, soll daher
“Klarheit in die Politik” heißen.

Ursprünglich wollte der Headhunter dazu bei Unternehmen eine
Milliarde Euro einsammeln. Dieser Batzen sollte in einer Stiftung geparkt werden
und jährlich mit Zinsen und Spenden 100 Millionen Euro zur Finanzierung der
Kampagnen abwerfen. Im Juli lud Rickert 500 Unternehmer zu einem Treffen in den
Bayerischen Hof in München ein, 100 erschienen. Schnell war aber klar, dass
nicht genug Geld zusammenkommt. Jetzt plant Rickert eine Ministiftung, die
jährlich 100 Millionen Euro Spendengelder einsammeln soll.

Die Geschäftsführung will er der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
überlassen. Sie soll mit Werbeagenturen die “optimale Ansprache für den
typischen ‘Bild’-Leser austüfteln”. “Lichtfiguren” sollen für Glaubwürdigkeit
sorgen. “Meine Traumkombination wäre neben Tietmeyer der Kardinal Lehmann und
Martin Walser.” Vom Kardinal ist Rickert neuerdings ganz begeistert, seit er
eine Rede Lehmanns vor der INSM gelesen hat. “Elektrisiert” hat ihn vor allem
der Satz, dass “die sozialpolitische Unterstützung bei einem steigenden
allgemeinen Wohlstand nicht wachsen kann, sondern eher zurückgenommen werden
muss”. Rickert klatscht in die Hände: “Genau! Bei uns ist es aber exakt
umgekehrt gelaufen: Immer mehr Wohlstand und trotzdem immer höhere
Sozialleistungen.” Die Leute müssten einfach einsehen, dass wir uns das nicht
mehr leisten können. Er hält es deshalb für sinnvoll, die Sozialhilfe für
Arbeitsfähige zu kürzen oder die Zahl der Urlaubstage von 30 auf 21 zu
verringern.

Was die Radikalität seiner Ansichten angeht, kann Rickert es mit einer
weiteren Initiative aufnehmen, dem Bürgerkonvent von Meinhard Miegel, einem aus
Talkshows bekannten Wirtschaftsprofessor. Miegel, 64, ist ein alter Hase im
Politikbetrieb: 1977 gründete er zusammen mit Kurt Biedenkopf das Institut für
Wirtschaft und Gesellschaft Bonn, eine neoliberale Denkfabrik. Seit 20 Jahren
weist der stets in feines Tuch gekleidete Professor darauf hin, dass die
Deutschen immer älter werden und deshalb die Rente in ihrer heutigen Höhe nicht
mehr finanzierbar ist: “Langfristig werden wir uns nur noch eine Rente auf
Sozialhilfeniveau leisten können. Für den Rest muss man selbst vorsorgen.”
Setzen sich Miegels Ansichten durch, nutzt das vor allem den
Versicherungskonzernen – nicht zufällig ist Miegel auch Berater des von dieser
Branche unterhaltenen Instituts für Altersvorsorge.

Miegels Mission ist es, der Bevölkerung klar zu machen, dass “Deutschland vor
einem Umbruch in Größenordnungen steht, die die meisten noch gar nicht
realisiert haben”. Es gehe “beinhart und alternativlos” darum, “dass das
Versorgungsniveau aus den öffentlichen Kassen zurückgeführt werden muss”. Nicht
nur die Rente, auch die Pflegeversicherung und die Krankenversicherung fliege
uns “bald um die Ohren”. Miegel verkündet seine Botschaften am liebsten in
Talkshows – und am allerliebsten in Talkshows, in denen keine Arbeitslosen oder
andere Betroffene sitzen. Als Miegel erfuhr, dass solche Personen in der
SWR-Talkshow “Nachtcafé” auftreten würden, sagte er einen Tag vor Aufzeichnung
der Sendung ab und begründete das damit, dass man “diesen Personenkreis
möglichst unter sich diskutieren lassen sollte”.

Miegel leidet unter “der Uneinsichtigkeit der Bevölkerung”: “Die Leute lehnen
völlig Unvermeidliches als unzumutbar ab”, ruft er. Deshalb will er überall
lokale Bürgerkonvente gründen, die Druck auf örtliche Abgeordnete ausüben
sollen, damit die Politiker nicht nachlassen im Reformeifer. In Stuttgart,
München und Vellmar (Nordhessen) sind schon solche Konvente entstanden.

Für Headhunter Dieter Rickert sind diese lokalen Konvente ein Grauen, keine
klare Linie sei da erkennbar. Rickert erzählt genüsslich, wie er vor kurzem zu
einem Abendessen eingeladen war, bei dem 20 Akademiker zusammensaßen. “Einer
brachte einen Packen Unterlagen des Bürgerkonvents mit. Da hab ich mich dumm
gestellt und gefragt: ‘Erklären Sie doch mal, was wollen Sie eigentlich?’ Da
sagte er: ‘Ja, so geht’s doch nicht weiter in der Politik.’ Weil er nicht
erklären konnte, was er genau wollte, nahm ich das Manifest des Bürgerkonvents
und las es vor. Die Damen gähnten, die Herren hörten zu, am Ende fragte ich, was
nun konkret passieren soll? Es herrschte heillose Verwirrung.”

Auch bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft rümpft
man über Miegels Bürgerkonvent die Nase. Tietmeyer und Kannegiesser stören sich
daran, dass der Bonner Professor die Geldgeber des Konvents verschweigt, der
allein für seine groß angelegte Werbekampagne rund sechs Millionen Euro ausgab.
Nach stern-Recherchen steckt der Düsseldorfer Kaufmann und CDU-Großspender Udo
van Meeteren, 77, als Finanzier hinter dem Bürgerkonvent. Van Meeteren behauptet
aber, nicht der einzige Spender zu sein. Er habe den Bürgerkonvent nur mit 5.000
Euro unterstützt.

Rudolf Speth, Politikwissenschaftler in Berlin und Verfasser einer Studie
über den Bürgerkonvent, kritisiert die “fehlende Transparenz” und “tendenziell
undemokratische Struktur” von Miegels Truppe: “Bei einer Summe von sechs
Millionen Euro ist es für die Öffentlichkeit wichtig, dass sie über die Herkunft
und die damit verbundene Interessenlage informiert wird.” Bemerkenswert findet
Speth am Bürgerkonvent auch den “Widerspruch zwischen der Parteinähe der
Protagonisten und der strikten Anti-Partei-Haltung in den Texten und
öffentlichen Äußerungen.” Miegel gehöre “zum Kern des zentralen Netzwerks der
CDU”.

Kürzlich traf sich erstmals ein weiterer Club von konservativ-liberalen
Systemveränderern unter dem Namen Konvent für Deutschland. Vorzeigefigur ist der
ehemalige Bundespräsident Roman Herzog, hinter dem Verein stecken der ehemalige
BDI-Chef Hans-Olaf Henkel und der Unternehmensberater Roland Berger. Berger
sitzt in seiner Zentrale in München und erläutert mit müder Stimme, “dass unser
politisches System, wie jede Ordnung, die sich nicht anpasst, verkommen ist”,
und wir die “Entscheidungsprozesse effizienter gestalten müssen”. Ihn stört vor
allem, dass der Bundesrat mehr als die Hälfte aller Gesetze des Bundestags
blockieren kann. “Maggie Thatcher hätte als Bundeskanzlerin in Deutschland keine
ihrer Reformen durchgebracht.”

Berger und Henkel wollen mit bekannten Namen für ihre Vorschläge werben.
Neben Herzog haben sie die üblichen Verdächtigen ins Boot geholt: Lambsdorff,
Metzger, Glotz und einige andere. Eine Anschubfinanzierung kam von der Deutschen
Bank. Immer wieder werde man im nächsten Jahr mit Vorschlägen an die Presse
gehen und so die “Reform der Reformfähigkeit” in Deutschland pushen.

Berger findet es klasse, dass überall nun radikal-liberale Konvente und
Initiativen entstehen und die Reformbereitschaft der Bevölkerung anheizen. “Das
zeigt doch auch, dass immer mehr Bürger mit den gegenwärtigen Verhältnissen
unzufrieden sind.” Bürger? Oder sind es eher Eliten, die da eine andere Republik
propagieren? Berger kontert: “Die Tatsache, dass es Eliten sind, die Dinge in
Bewegung bringen, ist doch nicht neu. Es gibt keine Revolution, die nicht von
der Elite ausging. Auch Lenin war Elite.”

Die wichtigsten Trommler für ein anderes Deutschland

Fünf Reforminitiativen hämmern der Bevölkerung mit millionenschweren
Anzeigenkampagnen und prominenten Unterstützern ihre Botschaft ein: Reformen
sind gut – Sozialabbau ist besser!

Bürgerkonvent
These: Meinhard Miegel
(früher CDU-Bundesgeschäftstelle) will den Reformstau in Deutschland “aktiv
überwinden” – durch TV-Spots, öffentliche Auftritte und lokale
Konvente.
Unterstützer: Hans-Olaf Henkel, Roland Berger,
Otto Graf Lambsdorff, Peter Glotz, Rupert
Scholz.
Finanzierung: unklar, nach stern-Informationen u. a.
durch Düsseldorfer CDU-Großspender.

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (auch: Chancen für
alle)

These: Soziale Marktwirtschaft ist durch zu
viel Wohlfahrtsstaat überlastet, er muss gestutzt werden. Haben den “Reformer
des Jahres” wählen lassen, schalten Anzeigen, platzieren Unterstützer in
Talkshows.
Kuratorium: Hans Tietmeyer, Martin Kannegiesser
(Gesamtmetall), Oswald Metzger, Randolf Rodenstock, Edmund Stoiber u.
a.
Unterstützer: Arnulf Baring, Roland Berger, Peter Glotz,
Arend Oetker, Lothar Späth, Florian Gerster, Michael Glos, Dagmar Schipanski u.
a.
Finanzierung: 50 Millionen Euro von Gesamtmetall, weitere
50 Millionen Euro geplant.

Konvent für Deutschland
These: Das
politische System hat sich überlebt, Bundestag und Bundesrat blockieren sich zu
häufig. Deutschland braucht eine Neuordnung.
Konventskreis:
Roman Herzog, Roland Berger, Hans-Olaf Henkel, Klaus v. Dohnanyi, Peter Glotz,
Oswald Metzger, Otto Graf Lambsdorff, Rupert Scholz, Henning Voscherau u.
a.
Finanzierung: Anschub von Deutscher Bank, weitere
Finanziers gesucht.

Initiative Klarheit in die Politik (in
Gründung)

These: Die Bevölkerung kennt die Vorzüge
von Reformen nicht – sie muss aufgeklärt werden.
Gründer:
Dieter Rickert, Headhunter.
Unterstützer: 20 Unternehmer und
Privatpersonen – die Namen sind noch geheim.

Team-Arbeit für Deutschland
Ziel:
Bürgerengagement gegen Arbeitslosigkeit stärken, indem man viele Mitstreiter ins
Boot holt: Manager, Künstler, Journalisten. Geplant: bundesweite Aktionstage,
Werbekampagnen.
Initiator: Wolfgang
Clement.
Unterstützer: Florian Gerster, Peter Hartz, Gunter
Thielen, Hubertus Schmoldt und 500 Unternehmen der “Initiative für
Beschäftigung”.
Finanzierung: 10 Millionen Euro pro Jahr aus
Steuergeldern.

© stern, Markus Grill




Hartz 5 - Ein Hartz IV-Roman [die Leseanempfehlung via scharf-links.de]

Hartz 5 - Ein Hartz
IV-Roman
 

von Peter Hetzler

 

[via scharf-links.de]

 

http://scharf-links.de/41.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=36081&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=2e6a55914e

 

So einen Hartz IV-Roman gab
es noch nie. Hier lernt man nicht nur die kafkaesk anmutenden und teilweise
entwürdigenden Bedingungen kennen, denen Hartz IV-Bezieher unterworfen sind.
Hier gibt es auch die Erwerbsloseninitiative „Hartz 5“, deren
Mitglieder die Jobcenterbürokratie mit unkonventionellen Methoden und
anarchischem Witz aufmischen.

Ein informativer,
authentischer und unterhaltsamer Roman über eines der großen sozialen Probleme
unserer Zeit – und ein diebisches Lesevergnügen. Der 1955 geborene Autor ist
Journalist (Schwerpunkt Sozialpolitik) und Mitarbeiter einer Erwerbslosengruppe.
Viele der geschilderten Situationen haben sich so oder ähnlich tatsächlich
zugetragen.

Leseprobe Peter Hetzler |
Hartz 5 – Ein Hartz IV-Roman | Kapitel 1 1 Sie kamen am frühen Morgen und
klingelten sich in ihren Schlaf. SanSan drehte sich um, aber sie klingelten
weiter. Es nervte. Es drängte. Es klingelte Sturm. Wer konnte das sein? Um diese
Uhrzeit??? Gefühlsmäßig schätzte sie die Zeit auf fünf. Maximal. Aber die Zeiger
des Weckers, den sie anblinzelte, standen auf zehn nach sieben. Es klingelte
wieder. Scheiße, dachte sie, als sie in Pulli und Jeans krabbelte: Wer,
verdammt, konnte das sein?

Ihren Anblick im Spiegel
ignorierte sie. Mit ihren schulterlangen braunen Haaren, die ihr ungekämmt ins
Gesicht fielen, sah sie ziemlich verwuselt aus. Kaum hatte sie geöffnet, standen
sie in der Wohnung. „Guten Tag, sind Sie Frau Sanders – Sandra Sanders?“ fragte
der Mann. SanSan blinzelte. Müde. „Steht an der Klingel, oder?“ „Da steht
SanSan.“ „Ist die Abkürzung.“ „Schön, Frau Sanders. Mein Name ist Winter,
Bernhard Winter, und das“, er zeigte auf das schüchterne kleine Ding, das
irgendwie neben ihm zu verschwinden schien, „ist Frau Maiwald. Wir kommen vom
Jobcenter und wollten sehen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist.“

Er wedelte mit einem
Ausweis, auf dem SanSan ohne Brille nichts erkennen konnte. Sie war noch halb in
ihrem Traum. Da hatte sie gerade ein ziemlich gut aussehender Typ angegraben.
Anscheinend stand er auf braunhaarige Frauen Anfang vierzig, die ein bisschen
molliger um die Hüften waren, denn er hatte seine warmen Hände gerade mit
sanftem Lächeln … „Ja, dann wollen wir mal.“ Winter war in der Küche, bevor
SanSan in der Gegenwart angekommen war. Er sah nicht aus wie der feingliedrige
Lover aus ihrem Traum. Mehr wie Masse ohne Profil. „Was soll das?“ SanSan
schlurfte unentschlossen hinter ihm und Maiwald her. „Wissen Sie eigentlich, wie
spät es ist?“ „Es ist schon nach sieben, und Sie sollten auf Arbeitssuche sein,
statt untätig im Bett zu liegen.“ Winter hielt ein Glas mit Nussnougatcreme in
der einen und ein Honigglas in der anderen Hand. „Nutella und Langnese-Honig.
Können Sie sich von Ihrem Arbeitslosengeld Markenprodukte leisten, Frau
Sanders?“ SanSan lehnte sich gegen den Rahmen der Küchentür. Sie schüttelte den
Kopf.

Das war nicht wahr, oder?
„Ich habe Ihnen eine Frage gestellt, Frau Sanders.“ Winter sah sie fordernd an.
„Und ich habe Ihnen keine Antwort gegeben.“ SanSan wollte es nicht glauben. „Es
geht Sie doch wohl nichts an, was ich mir morgens aufs Brot schmiere, oder?“ „Da
irren Sie sich, Frau Sanders.“ Winter öffnete den Kühlschrank. „Eier von
freilaufenden Hühnern. Wovon bezahlen Sie das, Frau Sanders? Sie wissen, dass
Sie jeden Verdienst angeben müssen?“ „Ich weiß vor allem, dass ich diese Nummer
hier gerade ziemlich widerlich finde.“ Langsam kroch Wut in ihr hoch. „Was soll
das?“ „Wie ich schon sagte, Frau Sanders.“ Winter schloss die Kühlschranktür.
„Wir sind Sozial-Detektive und besuchen im Auftrag des Jobcenters Hartz
IV-Empfänger, um Sozialbetrug aufzudecken.“ „Ach – und wieso kommen Sie da zu
mir?“ „Routine, Frau Sanders, reine Routine. Wir schauen überall mal rein.“ Er
deutete auf Litschi-und Pitahayafrüchte in der Obstschale. „Die sehen auch nicht
billig aus. Wo haben Sie die denn her?“ „Die wachsen bei mir im Garten.“ „Die
wachsen in Ihrem Garten?“ echote Winter. „Diese Früchte?“

Er hielt eine Pitahaya hoch
und drehte sie prüfend hin und her. „Wie heißen die denn?“ „Die heißen
Werdummfragtkriegtdummeantworten, und ich habe sie geschenkt bekommen. Und jetzt
möchte ich Sie bitten, meine Wohnung zu verlassen. Das ist mir echt zu blöd,
hier.“ „So geht das nicht, Frau Sanders.“ Winter legte die Pitahaya in die
Schale zurück. „Wenn Sie Nebeneinkünfte haben, muss das angegeben werden. Frau
Maiwald“, er drehte sich zu seiner Kollegin, „notieren Sie: Frau Sanders wird
aufgefordert, Ihrem Fallmanager eine Liste mit allen im vergangenen Monat
geschenkt bekommenen Lebensmittel aufzustellen.

Und wir“, wandte er sich
wieder an SanSan, „sind noch nicht fertig. Wir müssen auch die anderen Räume
ansehen.“ „Aber ich bin mit Ihnen fertig.“ SanSan war jetzt wach. „Also raus,
oder ich erstatte Anzeige wegen Hausfriedensbruch.“ Winter war schon auf dem Weg
zu ihrem Schlafzimmer. „Wir haben das Recht, Ihre Wohnung zu inspizieren, Frau
Sanders, das können Sie uns nicht verbieten“, tönte er aus dem Flur. SanSan war
schneller. Sie drückte sich an ihm vorbei, zog die Schlafzimmertür, die er
öffnete, so schnell wieder zu, dass sie Winter, der den Kopf bereits halb im
Zimmer hatte, gegen die Stirn knallte.

Er schrie. Maiwald starrte
SanSan erschrocken an. „Und jetzt raus hier. Alle beide. Sofort.“ SanSan hatte
den Flur durchquert und hielt die Wohnungstür auf.

Einen Moment lang passierte
nichts. Maiwald starrte Winter an. Winter starrte SanSan an.

Dann schob sich Winter, mit
der linken Hand die Stirn reibend, in den Flur, Maiwald folgte, und als SanSan
die Tür hinter ihnen ins Schloss fallen ließ, hörte sie Winter im Hausflur
krakeelen: „Das wird Ihnen noch leid tun, Frau Sanders. Das wird Ihnen noch sehr
leid tun.“

Copyright: © Peter Hetzler
2013 Weiterlesen in: Peter Hetzler: Hartz 5 – Ein Hartz IV-Roman Printausgabe:
153 Seiten, Paperback, 9,90 Euro, ISBN 978-3-7322-3790-6, Books on Demand
E-Book: 5,49 Euro, ISBN 9783848282784

Bestellen kann man Buch und E-Book in jedem Buchladen und
Online-Buchshop (Lieferzeit ca. 1 Woche)

Rezensionsexemplare für Journalisten & Blogger:
www.bod.de/index.php?id=3144
Falls es Probleme bei der
Bestellung gibt, bitte direkt beim Autor anfragen.

Lesungen auf Anfrage

Kontakt
www.peter-hetzler.net/hartz5


VON: PETER HETZLER



tatsächliche Arbeitslosenzahl doppelt so hoch wie die offizielle Ziffer --->>> 6 276 000 tatsächliche Arbeitslose

 


Nebelkerzen der
Bundesagentur für Arbeitslose
[RotFuchs -
Ausgabe Juni 2013 - Seite 4]
"So stehen
Behauptungen nachgeordneter BA-Mitarbeiter im Raum,
die tatsächliche
Arbeitslosenzahl sei ungefähr doppelt so hoch wie
die offizielle
Ziffer. Das wären dann allerdings schon etwa
6 276 000 Arbeitslose,
was
einer Quote von 14,8 % entspräche."
Nebelkerzen-Bundesagentur-RotFuchs-Juni-2013-Seite-4-1


Sie wollen Kapitalismus ohne Demokratie, wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus [via scharf-links.de]

Sie wollen Kapitalismus ohne
Demokratie, wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus
 

von Blockupy Koordinierungskreis

 

[via scharf-links.de]

http://scharf-links.de/47.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=36095&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=4306e8582b

 

 

Erklärung des Blockupy Koordinierungskreises vom
5.6.2013


Blockupy 2013 – das waren intensive und kraftvolle
Tage der gemeinsamen Aktion und des gemeinsamen Widerstandes. Wir haben am
Freitag mit mehr als 3000 AktivistInnen die Zugänge zur Europäischen Zentralbank
blockiert und damit – wie angekündigt – den Widerstand in das Herz des
europäischen Krisenregimes getragen.

Wir haben danach in vielfältigen
ungehorsamen Aktionen deutlich gemacht, wie die Krisen- und Verarmungspolitik in
unser Leben und in das Leben von Millionen Menschen auf der Welt
eingreift:
durch die Ausbeutung und die tödlichen Arbeitsbedingungen in der
globalen Textilindustrie, durch prekäre Arbeitsverhältnisse und Armutslöhne in
Europa, durch die schmutzigen Geschäfte der Deutschen Bank mit Rüstung,
Land-Grabbing oder Nahrungsmittelspekulation, durch die Abwälzung von Sorge-,
Pflege- und Reproduktionsarbeit ins Private und die damit verbundene
Verschärfung der Geschlechterungleichheit, durch die Vertreibung von Menschen
aus ihren Wohnungen (mit Zwangsräumungen, Luxussanierung und Privatisierung
öffentlicher Wohnungen) oder durch die gnadenlose und tödliche Migrations- und
Abschiebepolitik der EU.

Wir kamen in einem großartigen Camp zusammen,
das nicht nur Unterkunft bot, sondern zum Ort der Begegnung, des Austauschs und
der Planung von Aktionen von AktivistInnen nicht nur aus Deutschland, sondern
aus Italien, aus Belgien, Dänemark, den Niederlanden, aus Spanien, aus
Griechenland, aus Österreich und aus vielen weiteren Ländern geworden
ist.

Der Angriff der Polizei auf die große internationale Demonstration –
mit über 20.000 AktivistInnen – am Samstag hatte die Absicht, diese Erfolge
wieder zunichte zu machen und das Bündnis zu spalten. Die Verantwortlichen für
diesen Angriff – allen voran der hessische Innenminister und der Frankfurter
Ordnungsdezernent, beide aus der Partei Angela Merkels – konnten nicht ertragen
und zulassen, dass eine große und internationale Demonstration direkt an der EZB
vorbeizieht. Sie wollten dies schon im Vorfeld durch Verbote verhindern, sind
aber vor Gericht gescheitert.

Daraufhin haben sie diese Urteile einfach
unterlaufen und damit deutlich gezeigt, was ihr Gerede von Demokratie und
Rechtsstaat wert ist. Die Gefahr, dass ein paar Farbspritzer die Fassade der EZB
erreichen könnten, war ihnen Anlass genug, die Versammlungsfreiheit auszuhebeln
und mehr als 300 Menschen durch Schläge, Tränengas und vor allem Pfefferspray
zum Teil schwer zu verletzten.

Mit dem Angriff auf unsere Demonstration
sollte die Bewegung demoralisiert und gespalten werden. Sie haben wirklich
gedacht, sie könnten 1000 Aktivist_innen aus dem antikapitalistischen Block an
der Spitze der Demonstration einkesseln und die anderen Blöcke würden einfach
auf jener Route, die die Polizei schon immer gewollt hatte, weiterlaufen. Damit
haben sie die Solidarität und die Einigkeit unter den BündnispartnerInnen und
unter den AktivistInnen völlig unterschätzt. Wenn die Polizei einen Teil unserer
Demonstration angreift, dann greift sie uns alle an.

Niemand ist auf ihr
absurdes Angebot, die Eingekesselten und Angegriffenen im Stich zu lassen,
eingegangen. Tausende sind bis spät in den Abend geblieben und haben sich bis
zum Schluss mutig der Polizei entgegengestellt. Es ist diese gemeinsame
Erfahrung des Mutes und der Solidarität im Angesicht der Polizeigewalt, die
unser Bündnis und unsere Bewegung noch enger zusammengebracht
hat.

Blockupy hat einen wichtigen politischen Erfolg errungen. Der
Angriff auf unsere Demonstration ist zur politischen Niederlage für das
Innenministerium und die VertreterInnen der autoritären Krisenpolitik geworden.
Wir sind entschlossen, weitere Aktionen an der Europäischen Zentralbank
vorzubereiten, diesem frei liegenden Nerv des europäischen Krisenregimes, wo
Proteste so offensichtlich wehtun und unerwünscht sind.

Es ist
überflüssig, dass wir auf die Lügen und Rechtfertigung der Polizei und des
hessischen Innenministeriums im Einzelnen eingehen. Das geschieht in der
Öffentlichkeit und von vielen Seiten bereits. Alle, die am 1. Juni auf der
Straße waren, wissen: Der Angriff der Polizei findet keinerlei Rechtfertigung in
dem Verhalten der DemonstrantInnen. Der Stopp der Demonstration und die
Einkesselung waren politisch gewollt und angeordnet. Es gab niemals die Absicht,
unsere Demonstration auf der gerichtlich bestätigten Route laufen zu
lassen.

Repression und Polizeigewalt sollen Stärke demonstrieren, aber in
Wahrheit decken sie die Nervosität der herrschenden Krisenpolitik auf, die sich
immer weniger demokratisch legitimieren lässt und immer mehr autoritär
durchgesetzt werden muss. Der Widerstand gegen die sozialen Folgen der
Krisenpolitik, gegen die Verelendung und die Hoffnungslosigkeit, in die dadurch
Millionen Menschen gestürzt wurden, und der Widerstand gegen die Beschneidung
demokratischer Rechte sind nicht voneinander zu trennen, sondern gehören
unmittelbar zusammen. Sie wollen Kapitalismus ohne Demokratie, wir wollen
Demokratie ohne Kapitalismus.

Wir grüßen alle AktivistInnen in allen
Ländern, die in diesen Tagen auf den Straßen sind und waren. Wir senden
insbesondere solidarische Grüße an unsere mutigen FreundInnen in der Türkei.
Euer Kampf ist auch unser Kampf.

Wir sind bei den Aktionstagen von
Blockupy 2013 unserem Ziel, Teil einer großen, gemeinsamen europäischen und
globalen Bewegung zu werden, einen weiteren Schritt näher gekommen. Auch auf
diesem Weg werden wir weitermachen und die Diskussionen und die gemeinsame
Aktionen mit unseren internationalen FreundInnen fortsetzen und
intensivieren.

BLOCKUPY gibt das Versprechen, dass im Herzen des
europäischen Krisenregimes, in Deutschland und speziell in Frankfurt, keine Ruhe
einkehren wird, sondern dass unsere Aktionen weitergehen werden. Wir werden in
Kürze zu gemeinsamen Beratungen einladen, um einen großen internationalen und
partizipativen Vorbereitungsprozess für die Mobilisierung gegen die geplante
Eröffnung der neuen EZB 2014 einzuleiten.

Blockupy
Koordinierungskreis, 5.6.2013

www.blockupy-frankfurt.org
kontakt@blockupy-frankfurt.org


VON: BLOCKUPY KOORDINIERUNGSKREIS



Armen u. Kranken möglichst viel wegnimmt... ist eben d. neoliberale Wirtschaftsfaschismus der in Deutschland regiert

Und dann war da noch
 
Geschrieben von Jochen Hoff
 
[via duckhome.de]
 
 
 
- der
angebliche Historiker Guido Knopp, dem wir stundenlang schlecht verhüllte
Propaganda für Adolf und seine Nazifreunde im Gebührenfernsehen verdanken und
der uns mit so aufregenden Themen, Hitlers Sekretärin, Hitlers Offizier oder
Hitlers Fußpilz versorgte. Der hat ja nun angeblich mit der öffentlich unrecht
finanzierten Hitlerei aufgehört, dafür aber er empfiehlt der in der Bunten - wo
auch sonst - der SPD, sie sollte sich stärker als Partei Europas positionieren.
Er empfiehlt den Genossen dies als neue identitätsstiftende Erzählung zu
präsentieren, weil ja ansonsten alle Aufgaben der SPD, wie Bildungschancen auch
für Arbeiterkinder, Mitbestimmung und Gleichberechtigung längst erledigt sind.
Mal ganz davon abgesehen, dass eine
Erzählung eben nichts mit der Realität zu tun haben muss, zeigt das Gelabere
deutlich, dass Herr Knopp wie seine "Journalistenkollegen" bei den öffentlich
Unrechten nichts mehr von wirklichen Leben mitbekommen. Man sollte sie alle
sofort in die freie Wirtschaft entlassen.

- das DIW, das nun wieder mit
an den Gutachten für die Bundesregierung arbeiten darf, und damit finanziell
wieder etwas sicherer wird. Dummerweise hat es gerade vor der Entscheidung noch
festgestellt, dass die deutschen Konzerne durchschnittlich nur 21 Prozent
Steuern auf ihre Gewinne zahlen und jedes Jahr durch Gewinnverlagerung ins
Ausland rund 92 Milliarden an Steuern sparen, die den Menschen in Deutschland an
jeder Ecke fehlen. Da diese Konzerne diese Verbrechen aus ihren Unternehmen
heraus begehen, währe es sinnvoll, die Konzerne gemäß §74 StGb
als Tatwerkzeug einzuziehen
und dann erneut an den Börsen zu placieren.

- die EU-Kommission die zum wiederholten Male anmahnt, dass in
Deutschland die Abgabenlast vor allem für Geringverdiener verringern muss und
scheinbar nicht begreift, dass jeder Cent der an die Konzerne und das
Großkapital geht ja nur möglich ist, weil man alle Lasten den Geringverdienern
aufbürdet und den Armen und Kranken möglichst viel wegnimmt. Das ist eben der
neoliberale Wirtschaftsfaschismus der in Deutschland regiert und dessen
Handlanger Merkel, Steinbrück, Rösler und all die anderen Politschranzen sind.

- die deutsche Arbeiterschaft, deren Stimmungslage sich gegenüber 2012
um 11 Prozent verschlechtert hat, was vor allem an der schlechten
Bezahlung für ehrliche und gute Leistung liegt. Dafür aber stieg die Stimmung
bei den Abzockern und Steuerhinterziehern, die ja von der aktuellen Politik als
einzige profitieren.

- die verkommene Bundesarbeitsagentur, die über
ihre Helfer im Jahr 2012 529.371 Hartz-IV Opfer sanktionierten, was ungefähr
jedem 10. entspricht. Neben dem persönlichen Spaß für die Herren Alt und Weise
geht es aber im wesentlichen darum, den Menschen jeden Widerstand auszutreiben,
damit die Herren vom Großkapital - die die keine Steuern bezahlen und nur
abzocken - nicht soviel Arbeit bei der Abzocke haben.

- Patrick Bernau,
der im neoliberalen und Wirtschaftsfaschistischen Propagandablätten FAZ unter
dem Titel "Woher die Dumpinglöhne kommen" endlich mal klartext spricht und dem
verblüfften Leser mitteilt, dass ja gar nicht die Arbeitgeber das Problem sei,
die beschissen entlohnen, sondern es sich um einen Kampf zwischen Insidern und
Outsidern handelt, nämlich jenen die "bereits" in gut bezahlten Jobs sind und
jenen die über Niedrigstlöhne in diese Jobs kommen wollen. Bernau nennt seinen
Text eine Analyse Ja. Das stimmt. Der Text ist anal, aber so was von für den
Arsch, dass man es kaum beschreiben kann. Aber warten wir ab bis die FAZ ihn
entlässt weil solchen Propagandaschwachsinn ja jeder kostenlose Praktikant oder
Inder in Indien schreiben kann. Dann wird er unsere Solidarität fordern der Herr
Bernau, das tut dieses Pack nämlich immer wenn es selbst betroffen ist.

- der Schattenminister der SPD für Arbeit und Soziales, Klaus
Wiesehügel, der Hartz IV auf den Prüfstand stellen will, wenn die SPD die
Bundestagswahl gewinnt. Er will alles ändern was nicht richtig ist und das
richtige behalten. Das Ergebnis ist klar. Es ist alles gut und schön und wenn
Steinbrück Kanzler wird, werden die Regeln noch verschärft und die Löhne weiter
gedrückt, denn nach dem Ende seiner Kanzlerschaft will Steinbrück ja weiter das
große Geld vom Großkapital für angebliche Vorträge kassieren, auch wenn das
stark nach einer nachgelagerten Bestechung aussieht.

- der
baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende und Finanzminister Nils Schmid, der
schwere Bedenken gegen die Finanztransaktionssteuer hat. Er hat sich nämlich von
seiner Landesbank, die demnächst wohl auch eine Rettung durch den Steuerzahler
braucht, davon überzeugen lassen, dass eine Transaktionssteuer zu Engpässen für
Kredite auf den realen Märkten führt. Tatsächlich geht es ihm natürlich darum
die Zockerei des Großkapitals in den internationalen Casinos - oft
fälschlicherweise als Börsen bezeichnet, nicht zu stören. Steuern nimmt der
lieber von den hart arbeitenden Menschen oder bestiehlt die Armen. Er ist halt
SPD.

- die Kerstin Schwenn, die ebenfalls in der FAZ - dem
Propagandablatt unter dem Titel "Die Welt wird ungleicher, Deutschland nicht"
dreist behauptet, dass die OECD festgestellt habe, dass die Welt insgesamt
ungerechter wird, aber dies eben nicht für Deutschland gelte. Sie bemüht dazu
die Statistik mit der man selbstverständlich alles beweisen kann, vor allem aber
rauch das Gegenteil der Wahrheit. Tatsächlich waren die Menschen in Deutschland
schon vor dem Vergleichzeitraum deutlich ungleicher als sonst in Europa und
deshalb ist ihre Behauptung reine Propaganda, aber es wird genügend Narren geben
die ihr glauben, anstatt für anständige Verhältnisse zu kämpfen.

- Tom
Buhrow, der bisher in den Tagesthemen immer treu und brav die Verlautbarungen
des Großkapitals verlesen hat und der bei all diesen Propagandalügen, kein
einziges mal rot wurde und sich deshalb dafür qualifiziert hat, der neue
Intendant des WDR zu werden. Damit hat das Großkapital eine schöne Basis um die
rot/grüne Regierung in NRW schnellstens abzuschießen und wieder eine rein
neoliberale und wirtschaftsfaschischtische Ausbeutertruppe an die Macht zu
bringen. Gelungene Aktion. Zumal die Menschen die da belogen und mit Propaganda
überhäuft werden für den Dreck auch noch selbst bezahlen müssen.



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