16
Sep
2015

--->>> #Geplanter #Verschleiß #als #organisierter #Betrug [via Nachde4nkseiten]

Geplanter Verschleiß als organisierter
Betrug

[via Nachdenkseiten]
 
 

Ob Drucker, Mobiltelefon oder Fernseher –
bereits kurz nach Ablauf der Garantie sind viele Geräte reif für den Müll. Eine
Reparatur lohnt sich nicht oder ist gar nicht erst möglich. Kalkuliert sorgen
die Hersteller dafür, dass ihre Produkte frühzeitig kaputtgehen, damit wir
Verbraucher mehr konsumieren.

Sinnlose Müllberge und ein enormer
Ressourcenverbrauch sind die Folge.
 

Jens Wernicke sprach mit Christian Kreiß,
der seit Langem zum Thema forscht und publiziert.

Herr Kreiß, das Thema „Geplante Obsoleszenz“
geistert immer wieder einmal durch die Medien, dennoch wissen wir viel zu wenig
hiervon. Sie sind Autor eines der wichtigsten
Bücher
zum Thema. Um was geht es bei dieser „Obsoleszenz“?

Es geht darum, dass Hersteller verdeckt die ökonomische Haltbarkeit von
Produkten verkürzen, so dass wir als Kunden vorzeitige Ersatzkäufe machen
müssen. Das ist ein sehr effektives Absatzinstrument und eine Spielart der
verdeckten Produktverschlechterung.

Wenn wir Kunden ein Produkt kaufen, erwerben wir im Normalfall die Nutzung
des Gutes für eine bestimmte Zeit. Gelingt es dem Hersteller, die Haltbarkeit
des Produktes zu verkürzen, ohne dass der Preis entsprechend gesenkt wird,
steigt der Preis pro Nutzung. So eine verdeckte Preiserhöhung hat für den
Hersteller den großen Vorteil, dass wir Kunden sie normalerweise nicht so leicht
erkennen, weil es oft Jahre dauert, bis man es merkt.

Verstehe ich recht: Die Verbraucher werden also … raffiniert
behumst?

Ja, betrogen, mittels eines ganz legalen Betrugssystems. Seit ungefähr 90
Jahren bekommen wir beispielsweise minderwertige Glühbirnchen, werden seit drei
Generationen also mit schlechter Qualität über den Tisch gezogen. Denn 1926
beschlossen alle namhaften Glühbirnenhersteller in einem internationalen Kartell
in Genf, die Lebensdauer der Glühbirnen ungefähr zu halbieren. Das hat über ein
internes Kontroll- uns Strafensystem auch perfekt funktioniert und funktioniert
auch heute noch. Die Vorgehensweise dazu kann man in den Akten nachlesen, das
ist ganz offen bewiesen. Und dieses System wird auf ganz vielen Gebieten bis
heute angewandt.

Früher hat man ganz anders darüber gesprochen. Zum Beispiel sagte ein
führender Manager des großen US-Autobauers General Motors in den 20er Jahren:
„Our big job is to hasten obsolescence“, unsere große Aufgabe ist die Verkürzung
der Lebensdauer. Und bei General Electric hieß es in den 30er Jahren zur
heimlichen Reduzierung der Produktlebensdauer etwa: „We are giving no publicity
whatever to the fact“. Na logisch, wer wirbt schon mit: „Neu, unser neuestes
Produkt hält jetzt kürzer!“ ?
Also die Strategie war ganz klar: Machen, aber
ja nicht darüber reden, das würde den Umsatz killen. Einer der führenden
US-Entwicklungsingenieure, Brooks Stevens, sagte schon 1958: „Our whole economy
is based on planned obsolescence“. Das Betrugssystem ist also alt, etabliert und
funktioniert bis heute einwandfrei.

Und wie müssen wir uns das genau vorstellen? Können Sie bitte
beschreiben, wie derlei organisiert wird?

Ganz einfach. Angenommen im Markt für elektrische Rasierapparate gibt es zwei
große Anbieter. Anbieter A hat die Idee, bei einer neuen Modellreihe billigeres
Material zu verwenden, zum Beispiel Plastik statt Stahl. Das bringt ihm zwei
Vorteile: 1. Kosteneinsparungen durch die billigeren Materialien: Dadurch gehen
die Gewinne hoch. 2. Die Lebensdauer verkürzt sich um vielleicht ein Zehntel,
also vielleicht um ein Jahr – das merkt kein Mann: oder wissen Sie noch, wann
Sie Ihren Rasierer gekauft haben? – und wir Männer müssen uns früher einen
Ersatzrasierer anschaffen. Dadurch geht der Umsatz hoch und die Gewinne steigen
nochmal.

Ein Zahlenbeispiel dazu: Angenommen, ein elektrischer Rasierer kostet 100
Euro und hat eine Laufzeit von 2.000 Rasuren, dann kostet einmal rasieren 5
Cent. Wird die Laufzeit um 20 Prozent auf 1.600 Rasuren reduziert, dann steigt
der Preis für einmal rasieren um satte 25 Prozent auf 6,25 Cent. Bei
gleichbleibenden oder gar sinkenden Herstellkosten bedeutet das einen riesigen
Anstieg der Gewinne. Das ist ein gigantischer Anreiz für Hersteller.

Konkurrent B sieht den Erfolg von Anbieter A und macht dasselbe. So wird das
Spiel und werden dessen Regeln zum Normalfall und jeder konkurriert mit jedem um
das beste Mitspiel-Ergebnis. Für uns bedeutet das, dass über viele Jahre hin die
Lebensdauer der Produkte ständig leicht abnimmt, sodass sie sich zum Beispiel
über einen Zeitraum von 20 Jahren halbiert.

Ja, aber auf sowas Primitives fallen die Kunden doch nicht herein –
die wandern doch sofort ab zur Konkurrenz!

Es funktioniert natürlich nur, wenn wir Kunden es nicht merken, genauer: wenn
wir nicht gescheit vergleichen können.

Stellen wir uns mal vor, wir wollen einen Staubsauger in einem großen
Elektromarkt einkaufen. Wir schauen sie uns an und fragen uns, ob auf den
Staubsaugern draufsteht:

  1. Wie lange halte ich?
  2. Kann man mich reparieren (bin ich verklebt oder verschraubt)?
  3. Gibt es für mich nach 3 Jahren noch Ersatzteile?
  4. Was kosten meine Ersatzteile?
  5. Was kostet meine Reparatur in 3 Jahren?

Das müssten wir nämlich alles wissen, damit wir herausbekommen, was
eigentlich eine Stunde staubsaugen tatsächlich kosten wird – wie hoch also die
so genannten Total Costs of Ownership sind. Und nur wenn wir den Preis
pro Nutzung wissen, können wir uns überhaupt vernünftig entscheiden und ggf. zur
Konkurrenz abwandern. Wir wissen es aber nicht – und vom Konkurrenten wissen wir
es genauso wenig. Der schreibt es ja auch nicht drauf. Und wo das Wasser so
trübe ist, funktioniert die Strategie der verdeckten Preiserhöhung durch
verdeckte Produktverkürzung eben wunderbar; weil wir Kunden ja sozusagen wehrlos
dagegen sind.

Können Sie denn belegen, dass das irgendwer macht? Ein Beispiel, ein
nachweisbares, wäre gut…

Na, nichts leichter als das. Schrauben Sie mal einen Laserdrucker auf und
sehen sich den Toner bzw. den eingebauten Chip an. Der signalisiert zum Beispiel
nach 2.500 Druckseiten „Toner leer“ und druckt daher nicht weiter. Stimmt aber
gar nicht. Der Toner hat dann oft noch Saft für weitere 2.500 oder 5.000 Seiten.
Man braucht nur den Chip neu zu programmieren, schon findet ein kleines
Druckwunder statt. Zufall?

Oder versuchen Sie mal den Akku aus einer elektrischen Zahnbürste oder so
manchem anderen Elektrogerät auszubauen, wenn er seinen Geist aufgegeben hat.
Gerät funktioniert noch tadellos, da der Akku aber in aller Regel nicht
austauschbar ist, liegt ein Totalschaden vor. Dummer Zufall? Zufällig wirken
alle diese Phänomene immer zugunsten der Gewinne der Hersteller und zulasten der
Geldbeutel der Verbraucher.

Eine kleine Anekdote hierzu auch noch: Auf einer wissenschaftlichen Tagung zu
geplanter Obsoleszenz, auf der ich anwesend war, wurde der Vertreter der
Stiftung Warentest gefragt, ob denn Stiftung Warentest diesen Vorwürfen mit den
Chips nachgehe und einfach einmal Drucker aufschraube und nachsehe. Die Antwort
war sinngemäß: Solchen unhaltbaren Gerüchten würde man aus Prinzip nicht
nachgehen. Man hat also nichts aufgeschraubt. Dabei sind diese sogenannten
Gerüchte hundertfach belegt, auch durch Reparatur-Profis. Merkwürdig. Und das
von sogenannten Verbraucherschützern…

Und um was für Produkte geht es dabei?

Hauptsächlich um Haushalts-Elektroprodukte wie Kühlschränke, Bügeleisen,
Glühbirnen oder Fernseher. Aber auch andere Produkte wie Kleidung, Möbel oder
Schuhe sind davon betroffen. Ein Beispiel: Wenn Sie ein Sofa kaufen: Wissen Sie,
wie viele Sitzstunden das hält? Oder bei einem Paar Schuhe? Oder beim Kauf einer
Hose? Und solange wir das nicht wissen, ist es für den Hersteller im
Zweifelsfall klüger, ein kürzer haltendes, billiger herzustellendes Produkt
anzubieten. Der Hersteller darf natürlich nicht so dumm oder dreist sein, dass
er sich durch Kurzlebigkeit von der Konkurrenz abhebt. Dann wird er durch
Kundenabwanderung bestraft. Aber solange er diesen Fehler nicht macht, ist es
eine lohnende Strategie.

Geben Sie doch bitte noch ein wenig „Butter zu die Fische“… Hat man
Hersteller schon bei derlei „ertappt“? Was ist in Summe bekannt und nachweisbar?
Gibt es Beispiele von verschiedenen Geräten, bei denen die Problematik besonders
deutlich wird?

Das Problem ist: Die Absicht kann man dem Hersteller nie nachweisen,
nur die Ergebnisse ihres Tuns. Und sie behaupten natürlich stets, wenn es einmal
zum Thema kommt, dass alles eben keine Absicht sei; das müssen sie
auch, denn sonst würden sie verknackt.

Zusätzlich zu den Glühbirnen und Druckern mit den eingebauten Chips, zu nicht
auswechselbaren Akkus und horrend teuren oder sogar verunmöglichten Reparaturen
gibt es als Beispiel vor allem noch die geplante und gemachte „Inkompatibilität“
unter Produkten, wie sie etwa Wolfgang Heckl, der Chef des Deutschen Museums,
humorvoll in seinem Buch „Die Kultur der Reparatur“ skizziert. Geplante
Inkompatibilität heißt, dass nachfolgende Produktgenerationen nicht mit den
vorherigen zusammenpassen, dass zum Beispiel die Bauteile der neuen Produkte
nicht zum Reparieren der alten verwendet werden können – mit Absicht laut
Heckel.

Und erwähnenswert in diesem Kontext ist auch noch die Resolution der 140
deutschen Repair-Cafés vom 11. Oktober 2014 in München, in der es heißt:
„Geplanter Verschleiß ist kein Mythos. Bei  jeder Reparatur-Aktion
entdecken wir Schwachstellen an elektrischen und  elektronischen Geräten,
ebenso an Gehäusen, die nicht oder nur sehr schwer zu öffnen sind.“ Damit ist
gemeint, dass gewollt falsch dimensionierte beziehungsweise fehlplatzierte Eletrolytkondensatoren
für schätzungsweise zwei Drittel aller Bildschirmausfälle verantwortlich sind.
Eine Tatsache, die zigfach nachgewiesen worden ist.

Die Debatte zum Thema wird ja wirklich heiß geführt und Kritiken wie
der Ihren dabei ein Denken in „Verschwörungstheorien“ testiert – ein Stigma,
nachdem weiteres Argumentieren in aller Regel gar nicht mehr lohnt, da man
sozusagen als Spinner diskreditiert worden ist. So
bezeichnete etwa
Andreas Hirstein in der NZZ „geplante Obsoleszenz im Sinne einer gezielten
Produkte-Selbstzerstörung zur Ankurbelung des Konsums“ als moderne Legende. Er
argumentiert, dass Hersteller eine Abwägung zwischen Lebensdauer und Preis auf
der einen sowie Zahlungsbereitschaft der Kunden auf der anderen Seite treffen
müssten. Und auch eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes kam zu dem
Schluss, dass derlei Probleme … nun ja, eigentlich nicht
wirklich vorhanden
seien.

Das stimmt leider. Marktgläubige Menschen wie Andreas Hirstein gehen dabei
implizit von transparenten Märkten aus, die es in Wirklichkeit jedoch kaum
jemals gibt. Eliminiert man diese Voraussetzung aber – was die Realität de facto
deutlich besser beschreibt -, bricht auch schon die ganze Argumentation in sich
zusammen – genau wie die des führenden wissenschaftlichen Referenzartikels zu
geplanter Obsoleszenz von Jeremy Bulow aus dem Jahre 1986: Eine völlig
weltfremde Theorie mit völlig falschen Ergebnissen, die jedoch ständig zitiert
wird und dazu führt, dass man geplanten Verschleiß als „Legende“ und also
Märchen abstempelt. Sehr praktisch für die Gewinnlage der Großkonzerne.

Zur Studie des Umweltbundesamtes nur soviel: Ich kann Ihnen gern einmal ein
paar Zitate aus der 104 Seiten umfassenden Studie vom Februar 2015 vorlesen, die
man eben auch ganz anders zu lesen vermag als dies üblicherweise geschieht: „Das
Durchschnittsalter ‚kaputter Geräte‘ beträgt in den Jahren 2012/113 12,5 Jahre,
in den Jahren 2004 und 2008 lag dies noch bei 13,9 bzw. 13,5 Jahren.“ Oder:
„Außerdem kann der Tabelle 8 entnommen werden, dass alle Haushaltsgroßgeräte (…)
in 2012/13 etwas früher aufgrund eines Defektes (…) getauscht werden mussten als
im Jahre 2004.“ Und noch eindeutiger: „Zwischen 2004 und 2012 stieg der Anteil
der Haushaltsgroßgeräte, die nach weniger als 5 Jahren aufgrund eines Defektes
ausgetauscht werden mussten, von 3,5 Prozent auf 8,3 Prozent der
Gesamtersatzkäufe“. Das zeigt doch deutlich, dass die Qualität von Neugeräten
deutlich gesunken ist: Statt 3,5 Prozent wie 2004 gehen acht Jahre später
bereits mehr als doppelt so viele in den ersten 5 Jahren kaputt. Qualitätsoase
Deutschland? Made in Germany? Ein Witz.

Wer genau gewinnt eigentlich durch geplante Obsoleszenz?

Durch gezielte, verdeckte Verkürzung der Produktlebenszeit steigen, wie oben
erwähnt, die Konzerngewinne und damit die Rendite auf das eingesetzte Kapital.
Nutznießer sind deshalb vor allem die Aktionäre der Großunternehmen. Das
Eigentum an Unternehmen ist sehr ungleich verteilt. So sind beispielsweise nur
10 Prozent der deutschen Bevölkerung im Besitz von Betriebsvermögen, nur etwa
11 Prozent der deutschen Haushalte besitzen Aktien. Dabei ist die
Eigentumskonzentration an der Spitze besonders stark. So kontrollieren in
Deutschland laut dem Historiker Wehler 7700 Haushalte, das sind 0,02 Prozent
aller deutschen Haushalte, über die Hälfte des deutschen Betriebsvermögens.
Ähnlich ungleiche Verteilungsverhältnisse finden sich in fast allen anderen
Ländern der Erde.

Die Vertriebsstrategie „Geplante Obsoleszenz“ könnte man daher als eine
Besteuerung aller Verbraucher zu Gunsten der kleinen Schicht der
Kapitaleigentümer von Großunternehmen ansehen, das erhebliche Kollateralschäden
für die Umwelt bewirkt. Ein absurdes, aber sehr stabiles System.

Und was tun wir als Verbraucher nun am besten? Was raten
Sie?

Nicht nur auf den Preis schauen, weniger „Geiz ist geil“-Mentalität, sich auf
Internet-Portalen und in Fachzeitschriften informieren. Aber gute Infos über die
tatsächlichen Nutzungskosten pro Einheit gibt es fast nirgends.

Und: Jeder von uns hat im Durchschnitt an die 10.000 Produkte zu Hause. Da
können wir uns fragen: Brauche ich die wirklich? Man könnte etwa sinnieren über
dem Satz: „Wo kann ich auf Unnötiges verzichten?“ Wenn man das lange Zeit über
macht, kann langsam eine neue Kultur im Umgang mit den uns anvertrauten Dingen
entstehen. Das wäre wunderbar.

Ich bedanke mich für das Gespräch.

 

Christian Kreiß, Jahrgang 1962, studierte
Volkswirtschaftslehre und promovierte in München über die Große Depression 1929
bis 1932. Nach neun Jahren Berufstätigkeit als Bankier in verschiedenen
Geschäftsbanken, davon sieben Jahre als Investment Banker, unterrichtet er seit
2002 als Professor an der Hochschule Aalen Finanzierung und Wirtschaftspolitik.
Er ist Autor dreier Bücher und zahlreicher Veröffentlichungen.

 

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