16
Sep
2015

--->>> #Mini-Jobs. #Zahllose #reguläre #Arbeitsplätze #wurden in solche »Billigheimer« #umgewandelt.

 

Kirche und Arbeitswelt

»Gute Arbeit«

[via Gottes Wort im Kirchenjahr; Lesejahr
C; 2007; Heft 1; Echter Verlag]


Lesung:

Ex
5,1-4.19

Evangelium: Joh
10,11-18

Die Arbeitswelt von heute ist der Angstmacher der Nation. Das belegen seit
Jahren alle Umfragen. »Wo finde ich einen Ausbildungsplatz, und werde ich dann
auch übernommen?« fragen die Jungen. »Halte ich das noch durch bis zum Schluss?«
bangen die Älteren. Und Millionen von Arbeitslosen steht die nackte Angst im
Gesicht, ob sie überhaupt noch mal einen Happen Erwerbsarbeit erwischen.
Unbeschreiblich ist die Not der Arbeitslosigkeit.

Immer dramatischer aber wird auch die Not derer, die (noch) Arbeit haben.
Doch davon redet man nicht. »Hauptsache Arbeit!«, so lautet die Devise,
und man müsste ergänzen: »Frag nicht, welche ...« Die Menschen haben
keine Wahl, sie müssen nehmen, was kommt.

Fast 7 Millionen Frauen arbeiten in Mini-Jobs. Zahllose reguläre
Arbeitsplätze wurden in solche »Billigheimer« umgewandelt. Sie schaffen so gut
wie keine soziale Sicherung im Alter und in der Arbeitslosigkeit. Immer mehr
Arbeit wird als Leiharbeit organisiert. Im Durchschnitt verdient man dort
14% weniger als in der Stammbelegschaft. Dabei wird gerade schwere Arbeit,
Drecksarbeit, minderwertige Arbeit auf den Knochen dieser Leute abgeladen. Viele
werden in Scheinselbständigkeit hineingedrückt, füllen Regale, fahren
dicke LKWs, die man auf Pump überlassen hat, arbeiten als Putzhilfen - immer auf
eigene Rechnung und mit höchstem Risiko. Befristete Arbeit ist schon ganz
normal - bis zu zwei Jahren, ohne Begründung, ohne Kündigungsschutz.

Ein modernes Nomadentum macht sich breit: Wie einst Abraham mit seinen
Herden, ziehen die Menschen von heute der Arbeit nach. Hier ein Häppchen, dort
ein Häppchen und übermorgen arbeitslos. So kann man kein Leben und erst recht
keine Familie planen.

Das ist Arbeit in erbärmlichem Gewande. Sie erfüllt oft nicht einmal ihre
wichtigste Funktion, nämlich ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Fast
eine Million Menschen erreichen in Vollzeit-Arbeit nicht einmal mehr das
Existenzminimum und müssen sich noch staatlich auffüttern lassen. Ohne einen
gesetzlichen Mindestlohn wie in anderen europäischen Staaten stürzen bei uns die
Niedriglöhne im freien Fall.

Doch auch die ganz reguläre Arbeit, abgesichert über Tarifverträge, von
Betriebsräten überwacht, ist gewaltig unter Druck geraten.
Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich ist schon normal.
Unternehmensberaterfirmen fegen mit eisernen Besen durch die Hallen und lassen
noch die letzte Luft raus. Vor allem aber wird die Arbeitslast immer
unerträglicher. Arbeit rund um die Uhr, rund um den Globus. Arbeit ohne Maß.
Keine Zeit mehr für Familie, für Kultur, Kirche und Politik.

»Man bedrücke die Menschen mit Arbeit ...«

Neu ist das alles nicht: Über Arbeit wurden die Menschen immer schon in
Schach gehalten. Auch der ägyptische Pharao (Lesung) sah darin die
Wunderwaffe gegen sein aufmüpfiges Sklavenvolk Israel. Dem fehlte es nicht an
den vollen Fleischtöpfen, aber man hatte wohl erkannt: So, wie wir leben, ist
das kein Leben mehr. Auf, hinaus in die Wüste: Dort sieht man klarer, dort
blickt man durch, dort feiern wir ein Fest, dann werden wir einen neuen Weg für
uns erkennen. Der Pharao witterte die Gefahr: Wer feiert, der wird auch kämpfen
... Hatte bislang die »Arbeitsvorbereitung« Stroh als Hilfsmittel zum
Ziegelbrennen zur Verfügung gestellt, so wird nun diese Abteilung geschlossen.
Die Ziegelbrenner müssen selber erst hinaus auf die Äcker, um Stroh zu besorgen.
Am Abend aber ist die gleiche Stückzahl an Ziegeln abzuliefern.
Arbeitsverdichtung, Stellenabbau heißt das in unserer Sprache, und Ausbeutung
dazu.

Hier tut Erinnerung not: Der Gott der Juden, der auch unser Gott ist, lässt
so was nicht ungestraft durch. »Ich habe das Schreien meines Volkes gehört,
gehört habe ich seine Klage...«, spricht Gott. Und über Mose und Aaron wird die
Befreiung organisiert, die Befreiung aus der Sklaverei der Arbeit.

Diese Botschaft ist so aktuell wie nie! Arbeit darf nicht Angst machen, darf
nicht das Leben kosten. Wenn heute die einen durch die Überlast an Arbeit
zerbrechen, derweil den anderen die Arbeit aus der Hand geschlagen wird, ist das
eine neue Form der Arbeitssklaverei.

»Gute Arbeit« - Arbeit mit Recht und Würde

Die Befreiung aus dieser modernen Arbeitssklaverei kommt nicht über Nacht und
von alleine. Sie muss organisiert werden. Massenarbeitslosigkeit darf nicht dazu
führen, dass die Arbeit selbst verludert und ihr menschenwürdiges Gesicht
verliert.

Was aber ist »gute Arbeit«? Arbeit mit Recht und mit Würde. Hoch qualitative
Arbeit, die existenzsichernde Löhne garantiert. Arbeitsbedingungen, an denen die
Menschen nicht kaputt gehen. Arbeit, die Kreativität und Verantwortung weckt und
fördert. Kommunikative Arbeit, in der man sich als Mensch wahrnehmen kann. Und
natürlich: mitbestimmte Arbeit. Denn »Arbeit hat Vorrang gegenüber dem Kapital«,
heißt ein Leitsatz der Katholischen Soziallehre. Und: »Der »arbeitende Mensch
ist Subjekt im Wirtschaftsprozess«. Die Bibel selbst zeichnet ein hochwertiges
Bild der Arbeit im Sinne von »behüten, bebauen und bewahren« (vgl.


Gen 2,15). Sie
erliegt dabei keiner falschen Romantik, denn immer wird Arbeit auch mit Schweiß
und Mühsal verbunden bleiben. Aber sie ist auch eine Quelle der inneren
Bereicherung, des menschlichen Glücks. Arbeit gehört zum Menschsein.

Mit Feinschmeckerei hat das übrigens nichts zu tun. Denn »gute Arbeit« ist
gerade in Deutschland die pure ökonomische Notwendigkeit. Wir haben keine
anderen Reichtümer und Rohstoffe als das »Gold in der Köpfen«. Daher werden wir
eintreten müssen für eine qualifizierte und ausreichende Berufsbildung für alle.
»Gute Arbeit« hat Anspruch auf gute Bezahlung und verbriefte Rechte. An einem
Billiglohnsektor wird die Republik nicht genesen. Mit billigen, dreckigen Jobs
ist das Schicksal des Industriestandortes Deutschland besiegelt. Da liegt
bestimmt nicht unsere Zukunft.

Nachhaltige, lebensdienliche Arbeit

Jesus selbst hat immer wieder »gute Arbeit« in seinen Gleichnisreden
herangezogen, um mit ihrer Hilfe das Reich Gottes zu erschließen. Dabei ließ er
auch die verachtete Arbeit der Frauen nicht außer acht: harte Arbeit, bis über
die Ellbogen in den Sauerteig zu fassen und ihn zu kneten. Aber nur so wird die
schale Masse durchdrungen und durchsäuert. Das ist die Aufgabe der menschlichen
Arbeit: unser Leben zu durchwirken und schmackhaft zu machen und allen Brot und
Auskommen zu geben (vgl.

Mt
13,33-35
).

Oder im heutigen Evangelium: das liebenswürdige Bild vom »guten
Hirten«
. Arbeit, die dem Wohl der Herde dient. Sie wird gehegt, umsorgt und
gepflegt. Für sie ließe der Hirte gar sein Leben. Denn er ist kein »Mietling«,
kein gekaufter Hüte-Manager, der nur Renditen erzielen will. Sondern vielmehr
einer, der seine Herde liebt.

Mit den Früchten »guter Arbeit« werden wir nun Jesus, den »guten Hirten«,
feiern in unserer Mitte. In den Gaben Brot und Wein, Geschenk der Erde, aber
auch Ertrag unserer Arbeit, kommt er uns nahe, durchdringt und verändert uns.
Möge er, des Zimmermanns Sohn, uns befähigen, alle Menschen über Arbeit zu
beteiligen und »gute« Arbeit zu organisieren. Arbeit, die ein menschliches
Antlitz trägt und bewahrt, Arbeit, die uns wirklich Gott ähnlich
macht.

Paul Schobel




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